EKG und Untersuchung der Herzfunktion


Gliederung der Übung Projektionen auf die Brustwand Bestimmung des Lagetyps 
Ermittlung der Zeiten Vektorschleife Brustwandableitungen

Aufzeichnung des EKG
Elektrophysiologie
Bewertung des EKG-Bildes

Die Übung besteht aus drei Teilen:

A: Standard-Extremitätenableitungen

Bestimmung der Herzfrequenz
Bestimmung des Lagetyps (Herzachse)
Bewertung der Amplituden
Bewertung der Zeiten
Kurzbefundung des EKG

B: Extremitätenableitungen nach Cabrera

Konstruktion einer Vektorschleife

C: Brustwandableitungen nach Wilson

Formanalyse
Zeitenanalyse


Die Abbildungen zeigen Projektionen elektrischer Felder auf die Brustwand eines gesunden Menschen während der frühen Phasen des QRS-Komplexes (a-d)
     

Verwendetes Ableitungs-array


Aufgabe A: Standard-Extremitätenableitungen, 10 mm/mV; 50 mm/s:

Einthoven-Ableitungen (bipolar!):


Goldberger-Ableitungen ('pseudo-unipolar!):


A1) Bestimmung der Herzfrequenz und des Lagetyps des Hauptvektors (Herzachse)
 

mittlerer RR-Abstand ______ Sekunden (auf 2 Stellen)
mittlere Herzfrequenz ______ / Minute (runden! z.B. 60, 65, oder 70/min)
Lagetyp (Einstellung der elektrischen Herzachse): ___________-typ  (weil stärkste Amplitude in Ableitung ______, zweitstärkste in Ableitung______)

Sie ermitteln den Abstand der zwei voneinander am weitesten entfernten R-Zacken (in mm), dividieren durch 50 (Papiervorschub 50 mm/s!), und dividieren weiter durch die Zahl der dazwischenliegenden Herzzyklen (Ergebnis: mittlerer RR-Abstand in Sekunden).

Dann rechnen Sie in die entsprechende Herzfrequenz (heart rate; 1/Minute) um, indem Sie die Zahl 60 durch den mittleren RR-Abstand dividieren.

Bestimmung des Lagetyps (Richtung der elektrischen Herzachse - meistens nach links unten gerichtet). Die normale Lage ist zwischen 0 und 90° zu erwarten (Horizontaltyp und Rechtstyp sind Grenzfälle):

-30 bis 0°: Horizontaltyp (Linkstyp) - Einthoven-Schema: größte R-Zacke in I; Goldberger: größte R-Zacke in aVL
0-30°: Linkstyp (Semihorizontaltyp) - Einthoven: größte R-Zacke in I; Goldberger: größte (negative) Zacke in aVR
30-60°: Indifferenztyp (Normaltyp, Mitteltyp, Zwischentyp) - Einthoven: größte R-Zacke in II; Goldberger: größte (negative) Zacke in aVR
60-90°: Steiltyp (Semivertikaltyp) - Einthoven: größte R-Zacke in II; Goldberger: größte R-Zacke in aVF
90-120°: Rechtstyp - Einthoven: größte R-Zacke in III; Goldberger: größte R-Zacke in aVF

Praxis: Bei situs inversus ist eine 'Rechts-Abweichung' (zwischen 90 und 180°) zu erwarten (über 120 Grad: 'überdrehter Rechtstyp).

Betrachtet man die EKG-Kurven in einem Ableiteschema (Einthoven oder Goldberger), sieht man nach, Der Sektor des Lagetyps liegt derjenigen Ableitung am nächsten, welche die größte Amplitude der Kammeranfangsschwankung zeigt. Also:

Größte Amplitude in Einthoven I (0°) ... Linkstyp (zwischen -30 und +30°)

Größte Amplitude in Einthoven II (+60°) ... Indifferenztyp (zwischen +30° und +60°) oder Steiltyp (zwischen +60° und +90°) Größte Amplitude in Einthoven III (+120°) ... Rechtstyp (zwischen 90° und 120°) (oder überdrehter Rechtstyp)

Erklärungen zur Herzfrequenz

Die Ruhe-Herzfrequenz liegt meist zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute (Normokardie). Werte unter 60 gelten als Bradykardie (50-60; 'leicht bradykard'), Werte über 80 als Tachykardie (80-100: 'leicht tachykard'). bradys (gr) = langsam, tachys (gr) = schnell.

Chronotropie: Einflüsse auf die Herzfrequenz werden als chronotrop bezeichnet (chronos (gr) = Zeit):
Erklärungen zur elektrischen Herzachse

Entsprechend den drei Vorgängen

gibt es drei Vektorschleifen (P, QRS, T). Der Hauptvektor einer Vektorschleife (s. Übungsteil B) ist deren intensivster Momentan-(Summen-)vektor. Jede Vektorschleife (P, QRS, T) ist durch ihren Hauptvektor gekennzeichnet, er dominiert die räumliche Projektion des dazugehörigen Vorgangs.

So gibt es für die Kammeranfangsschwankung (=QRS) eine ventrikuläre „Hauptstoßrichtung“ der Erregungsausbreitung. Die Projektion des QRS-Hauptvektors in die Frontalebene ergibt den Lagetyp der elektrischen Herzachse; seine Richtung stimmt normalerweise recht gut mit der anatomischen Herzachse überein.

Anatomische Variabilität des Lagetyps:

Physiologische Variabilität des Lagetyps:


A2) Messen und Bewerten der Amplitude von P, QRS, T

Die Messung erfolgt aus der Ableitung mit dem jeweils höchsten Amplitudenbetrag (die P-, QRS-, T-Hauptvektoren können sich in verschiedene Ableitungen maximal projizieren).1 cm entspricht 1 mV.

Bitte merken - Normwerte (Extremitätenableitungen):

A3) Messung und Bewertung der PQ-Zeit und QT-Zeit

PQ-Zeit (='Überleitungszeit',Dauer des Vorhofteils - engl. auch: 'PR-interval')
Definition: Zeit von Beginn P-Welle bis Beginn Kammeranfangsschwankung (Beginn Q- oder R-Zacke), wegen bester Darstellung zu bestimmen aus der Gesamtheit aller EKG-Kurven (frühester P-Beginn bis frühester QRS-Beginn).

Dromotropie (=Herzqualität, die sich auf die Leitungsgeschwindigkeit bezieht - dromos = Lauf; vgl. Autodrom)

Da die autonomen Nerven auch chronotrop wirken, erwartet man bei höherer Herzfrequenz kürzere PQ-Zeiten, bei niedrigerer Herzfrequenz längere PQ-Zeiten.

Faustregel: Bei Normokardie soll die PQ-Zeit zwischen 0,12 und 0,20 Sekunden liegen. (Bei ausgeprägter Tachykardie verwendet man Nomogramme, z.B. soll der Betrag bei einer Herzfrequenz von ca. 200/min zwischen 0,08 und 0,11 Sekunden liegen)

Bewertung:

PQ-Zeit verkürzt

bei Präexzitationssyndromen: Zu rasche Überleitung von Aktionspotentialen aus dem Vorhof- in den Kammerbereich. Mögliche Ursachen: AV-Rhythmusstörungen (Schrittmacher nicht im Sinusknoten), WPW-Syndrom, LGL-Syndrom:

PQ-Zeit verlängert

bei Verlangsamung (partieller AV-Block verschiedener Ausprägung: 1.-3. Grad) oder Sperre der Überleitung von Vorhöfen auf Ventrikel (totaler AV-Block mit Desynchronisierung der Vorhof- und Kammerfunktion).

Eine Verlängerung des PQ-Intervalls ist ein recht häufiger Befund. Wenn die Verzögerung von Herzschlag zu Herzschlag konstant bleibt (und auf jede P-Welle ein QRS-Komplex folgt), liegt ein AV-Block ersten Grades vor. An sich harmlos, sollte dieser Befund zu sorgfältiger Anamnese und ggf. weiteren Untersuchungen veranlassen, da viele Ursachen in Frage kommen (ischämische Herzerkrankung, Hypokaliämie, Borreliose, Medikamente).

Ist die PQ-Zeit unterschiedlich lang bzw. nicht meßbar, liegt ein AV-Block 2. oder 3. Grades vor, und therapeutische Maßnahmen sind erforderlich.


QT-Zeit (Dauer des Kammerteils):
Definition: Zeit von Beginn Kammeranfangsschwankung (Beginn Q- oder R-Zacke) bis Ende des Kammer-Endteils (Ende der T-Welle), zu bestimmen aus der Gesamtheit der EKG's (frühester QRS-Beginn bis spätestes T-Ende).

Bei Vorhandensein einer U-Welle (Entstehung unklar; zu starke - "prominente" - U-Welle kann Kalziumstoffwechselstörung oder Hyperthyreose bedeuten) wird evt. irrtümlich das Ende dieser Welle als Ende der T-Welle genommen und die QT-Dauer überschätzt. Tip: Ableitung aVL nachsehen, hier sind U-Wellen weniger ausgeprägt.

Auch für die QT-Zeit (QT-Intervall) gilt: Der Normbereich ist frequenzabhängig. Im Normokardiebereich etwa zwischen 0,30 und 0,45 Sekunden liegend, verkürzt sich die physiologische Spanne bei Tachykardie über 150/min auf unter 0,3 Sekunden. Bei einer Herzfrequenz von 60/min werden 0,35-0,43 Sekunden als Normbereich für das QT-Intervall angesehen.

In der Praxis wird die Frequenzabhängigkeit dadurch berücksichtigt, daß nach der sog. Bazett-Formel (H.C. Bazett, 1920) das aktuelle QT-Intervall (QT) durch die Wurzel des RR-Intervalls (RR, in Sekunden) dividiert wird. Daraus ergibt sich das sog. korrigierte QT-Intervall QTc :

QTc = QT / Wurzel RR
Das QT-Intervall wird nach dieser Formel auf den hypothetischen Wert bei 60 Schlägen pro Minute Herzfrequenz korrigiert und sollte zwischen 0,35 und 0,43 Sekunden betragen.

Bewertung:

QT-Zeit verkürzt

z.B. bei erhöhter Konzentration freier Kalziumionen im Blut (Hyperkalzämie). Weist meistens auf Erkrankungen der Nebenschilddrüse (erhöhtes Parathormon) oder Vitamin-D-Überdosierung hin.

QT-Zeit verlängert

z.B. bei erniedrigter Konzentration freier Kalziumionen im Blut (Hypokalzämie). Hinweis auf Kalziumverlust (anhaltende Durchfälle, schweres Erbrechen, Niereninsuffizienz), Ausfall der Nebenschilddrüse (parathyreoprive Tetanie) u.a.

Praxis: Bei Hypokalzämie auf Krampfneigung (Tetanie) achten! Lebensgefahr!!

A4) Kurzbefund des EKG

Stichwortartige Beschreibung des EKG

Durchführung:

Kurz, prägnant, professionell.Beispiel: „Sinusrhythmus, leicht tachykard, Steiltyp, Amplituden im Bereich der Norm, AV-Block 1. Grades, korrigiertes QT-Intervall im Bereich der Norm, keine VES nachweisbar.“

Aufgabe B

Standard-Extremitätenableitungen, 100 mm/s; Reihenfolge: aVL, I, -aVR, II, aVF, III (Schema nach Cabrera; Winkellagen von -30° bis +120° in 30-Intervallen; aVR „umgedreht“)

EKG-Ableitungen sind eindimensionale Projektionen der Potentialänderungen an bestimmten Stellen der Körperoberfläche. Aus mehreren EKG-Ableitungen lassen sich Vektoren konstruieren mit dem  Vorteil der räumlichen Darstellung. Man kann sich vorstellen, daß Vektoren in der entsprechenden Ebene Schatten in die EKG-Ableitungen werfen, deren zeitlicher Ablauf dann wiederum das EKG ergibt.

Die vektorielle Darstellung und das EKG sind ineinander überführbar.

Die Verbindung mehrerer Vektoren (unterschiedlicher Zeitpunkte eines Vorgangs) ergibt eine Vektorschleife (je eine für P, QRS und T). Die Gestalt der Vektorschleife läßt die Lage der elektrische Herzachse unmittelbar erkennen.

Konstruktion einer Vektorschleife

Während des Ablaufs der Depolarisation der Kammern (QRS-Komplex im EKG) kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt aus den Abweichungen von der Isopotentiallinie im EKG ein entsprechender Vektor (bei Extremitätenableitungen in der Frontalebene) konstruiert werden.

Tut man dies für mehrere Zeitpunkte, resultieren mehrere Vektoren, und die Verbindung derer Spitzen ergeben eine QRS-Vektorschleife.

Durchführung:

Solche Vektorschleifen können von EKG-Computern sowohl für die Frontal- als auch andere Körperebenen rekonstruiert werden, vorausgesetzt, das Gerät ist für Spezialableitungen (z.B. „korrigierte orthogonale“Ableitungen nach Frank) ausgestattet.
Die Wilson-Ableitungen sind für eine direkte Umsetzung in Vektorkardiogramme nicht geeignet.


Aufgabe C

Brustwandableitungen, 100 mm/s - Reihenfolge: V1, V2, V3, V4, V5, V6

V1 .. 4. Interkostalraum rechts, Schnitt mit Parasternallinie
V2 .. 4. Interkostalraum lnks, Schnitt mit Parasternallinie
V3 .. Mitte zwischen V2 und V4
V4 .. 5. Interkostalraum links, Schnitt mit Medioklavikularlinie
V5 .. selbe horizontale Höhe wie V4, Schnitt mit vorderer Axillarlinie
V6 .. selbe horizontale Höhe wie V4, Schnitt mit mittlerer Axillarlinie

Formanalyse

P-Welle:
QRS-Komplex:

T-Welle:

Zeitanalyse

Als "oberen Umschlagpunkt" (OUP) bezeichnet man die Spitze der (letzten) positiven Zacke im QRS-Komplex (auch: "Beginn der endgültigen Negativitätsbewegung"), d.h. meist die Spitze der R-Zacke (oder R', falls zwei R-Zacken erkennbar sind).

Bestimmen Sie die zeitlichen Entfernung des „oberen Umschlagpunktes“ in V6-V1: Diese Zeitdifferenz sollte nicht mehr als 32 ms betragen (hier: 3,2 mm).

Praxis: Erhöhte Werte (>32 ms) weisen auf pathologische Veränderungen wie Schenkelblock oder Rechtsherzhypertrophie hin.


<Abbildung: Bestimmung der systolischen Zeitintervalle:

 Pulskurve von Halsschlagader (Carotis-Sphygmogramm)

Herzschall (Phonokardiogramm - PKG, Mitte)

EKG (unten)