Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Medizinische
Physiologie der Leberfunktionen
Untersuchung der Leberfunktion
© H. Hinghofer-Szalkay
Angiographie: ἀγγεῖον = Gefäß, γράφειν zeichnen, beschreiben
De Ritis- (Ritis-) Quotient: Fernando De Ritis
Ikterus: ἴκτερος = gelber Vogel (Goldamsel?), Gelbsucht
Sonographie: sonare = klingen, γράφειν zeichnen, beschreiben
Szintigraphie: scintilla = Funke, γράφειν zeichnen, beschreiben
Der Zustand der Leber
-- lasst sich einerseits an Symptomen ablesen, die sich durch reduzierte Funktionsfähigkeit
ergeben (sinkende Plasmaproteinwerte, Gerinnungsstörungen, veränderte
Aminosäurespiegel, Ammoniumanstieg, Fettverdauungsstörungen, Gelbsucht,
Hypoglykämie, gestörter Elektrolythaushalt bis hin zu Ödemen und
hepatorenalem Syndrom);
-- andererseits steigt die Konzentration von Enzymen im Blutplasma,
die sich in Leberzellen befinden und bei Zellschädigung vermehrt in den
Extrazellulärraum abgegeben werden (Transferasen, Dehydrogenasen,
alkalische Phosphatase, γ-GT).
-- Vergößerung der Leber ist tastbar, bildgebende Verfahren präzisieren
den Befund, Gallengänge sind mittels endoskopischer retrograder
Cholangiopankreatikografie (ERCP) darstellbar.
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Die
klinische Untersuchung der Leber umfasst neben Anamnese und Inspektion
von Haut und Schleimhäuten (Blutungen? Ikterus? Zeichen portaler
Hypertension? etc), Abtasten (Palpation) und Abklopfen (Perkussion) des
Bauchraums insbesondere labordiagnostische (Enzyme) und bildgebende
Verfahren (Sonographie und kombinierte sonographische Untersuchungen,
CT, MRT, nuklearmedizinische Verfahren, Angiographie) sowie invasive
Diagnostik (Punktion / Laparaskopie).
Leberdiagnostik: Syntheseleistung, Speicherfunktion, Ausscheidung, Intaktheit der Zellen
Die Funktionen der Leber erklären die Symptome einer Leberinsuffizienz:
Gerinnungsstörungen
Gestörter Eiweißstoffwechsel -
Aminosäuren:
Aus dem schwindenden Muskelgewebe
werden vermehrt verzweigtkettige Aminosäuren (Valin, Leuzin, Isoleuzin)
für den Energiestoffwechsel gebraucht, der Plasmaspiegel dieser
Aminosäuren sinkt
Die Konzentration aromatischer Aminosäuren (Tyrosin,
Phenylalanin) und des Methionins steigen, weil sie nicht im normalen
Ausmaß metabolisiert werden
Gesenkte Produktion von
Gallensäuren bedingt Fettverdauungsstörungen
Ikterus
(Gelbsucht) wegen gestörter
Bilirubin-Ausscheidung
Ungenügende Bereitstellung von Zucker bedingt
Hypoglykämie
Plasmaeiweiße wie Albumin, Transferrin u.a. zeigen sinkende
Konzentration, im Extremfall können
Ödeme (gesenkter kolloidosmotischer
Effekt) auftreten
Stoffwechselstörung im Bereich von Vitaminen und Spurenelementen,
insbesondere der Vitamine
B1 und
B6,
Folsäure, Vit.
D,
K,
Eisen,
Kupfer, und
Zink
Gestörter Elektrolythaushalt (Anstieg des Körper-Natriums: Mangelnder
Abbau von
Aldosteron), Wasserretention (und Hyponatriämie)
Bei
schwerem / akutem Leberversagen hepatorenales Syndrom, Hirnödem,
Atemstörungen, Pfortaderhochdruck, Ileus u.a. (
Abbildung)
Beurteilung der Leberfunktion
Funktionen der Leber werden über folgende Kriterien abgeschätzt:
Anamnese und klinisches Zustandsbild (Ödeme? Ikterus? etc)
Leberzellintegrität:
Beschädigte Hepatozyten verlieren Enzyme an den Extrazellulärraum, in
dem sie normalerweise nur in geringer Konzentration (bedingt durch
physiologischen Molekülverlust und kontinuierlichen Zelluntergang)
auftauchen - wie
Aspartat-Aminotransferase - ASAT, AST, vormals (Serum-) Glutamat-Oxalacetat-Transaminase GOT,
Alanin-Aminotransferase -ALAT, ALT, vormals (Serum-) Glutamat-Pyruvat-Transaminase GPT,
Alkalische Phosphatase (AP),
gamma-Glutamyltransferase (γ-GT),
Glutamat-Dehydrogenase (GLDH),
Laktat-Dehydrogenase (LDH)
Überhöhte Serumwerte zeigen - mehr oder weniger spezifisch - einen
Leberschaden an.
Der empfindlichste (wenn auch nicht besonders spezifische) Indikator einer Leber-
(insbesondere Gallensystem-) Schädigung ist ein Anstieg der γ-Glutamyltransferase (γ-GT): Normalerweise bei ~25 U/l, können seine Werte bei akutem Gallengangsverschluss bis 300 U/l ansteigen.
Für die Frage, wie der Plasmaspiegel einzelner Enzyme mit dem Grad der Schädigung der Hepatozyten zusammenhängt, spielt die Lokalisation der betreffenden Enzyme in der Zelle eine Rolle: Zytosolische Enzyme treten schon bei leichten Leberschäden vermehrt im Blut auf; erst bei schwereren Schäden auch mitochondriale Enzyme.
Abbildung: Enzyme wie AST und ALT werden bei Zellschädigung ins Blut abgegeben
Nach einer Vorlage in med4you.at
AST = Aspartat-Aminotransferase, sein Serumspiegel steigt bei Schädigungen in Leber- und Muskelgewebe an ALT = Alanin-Aminotransferase, Leberindikator
Merkhilfe: ALT - Leber, AST - Leber und MuSkulatur
ALT befindet sich vorwiegend im
Zytoplasma
der Hepatozyten. Mäßige Schwankungen des ALT-Spiegels im Tagesverlauf
sind physiologisch, nach körperlicher Belastung nimmt er zu, ebenso
schon bei relativ leichter Schädigung von Leberzellen.
AST befindet sich in Leberzellen überwiegend in den
Mitochondrien (Isoform
mAST). Anstieg der AST-Konzentration im Blutplasma deutet auf deutliche Zellschädigung hin.
Das Verhhältnis [AST] / [ALT] wird als
Ritis-Quotient (AST/ALT ratio, De Ritis ratio)
bezeichnet. Da ALT leichter aus der Zelle entweicht als AST und im Blut
eine höhere biologische Halbwertszeit aufweist, liegt der Betrag des De
Ritis-Quotienten normalerweise unter 1,0. Bei Entzündungen kann der
Quotient sogar auf
~0,5 absinken; erst bei schweren Schäden an den Hepatozyten steigt er über 1 an (AST ist vor allem an Mitochondrien fixiert).
GLDH ist ausschließlich in den
Mitochondrien
lokalisiert (und fast nur in Leberzellen), bei schwerer Zellschädigung
(nekrotischer Leberschaden) steigt auch der GLDH-Spiegel im Blutplasma
an.
Geschädigtes Leberparenchym kommt den vielfältigen Biosyntheseanforderungen nur noch eingeschränkt nach. Das betrifft z.B.
Gerinnungsfaktoren (relativ schnell, Blutungsneigung!),
Albumin (erst in späteren Stadien der Schädigung; Aszites bei schwerem Albuminmangel) sowie α-und β-Globuline,
Cholesterin, Cholinesterase (Normalwerte 3.500-8.500 U/l)
Hinweis: Die Begriffe Cholesterin und Cholinesterase
leiten sich von χολή (cholé) = Galle ab. Cholesterin wurde zuerst aus
Gallensteinen extrahiert (18. Jh), Cholin aus Gallenflüssigkeit (19.
Jh); Cholinesterasen spalten Cholin-Ester wie z.B. Acetylcholin.
Die Beurteilung der hepatischen Syntheseleistung kann auch an Hand der Konzentration der Pseudocholinesterase im Blutplasma - die gut mit der Menge funktionstüchtigen Leberparenchyms korreliert - erfolgen.
Entgiftungsfunktion
Konjugation, Biotransformation, Harnstoffzyklus - Bilirubinbestimmung, Ammoniumbestimmung im Serum:
Bilirubin: Das aus dem Abbau von Hämoglobin (~80%) und anderen Hämgruppen stammende Bilirubin
ist wasserunlöslich und bindet im Blutserum reversibel an Albumin,
wodurch es transportfähig wird. Normalerweise liegt Bilirubin im Blut
zum Großteil in unkonjugierter ("indirekter") Form vor, also an Plasmaprotein gebunden.
Der
Bilirubinspiegel steigt bei gesteigerter Bildung
(
Hämolyse), verringertem Abbau (z.B. Leberzirrhose) oder gestörter
biliärer Abgabe (z.B. Gallenstein):
Liegt bei einem Ikterus der Anteil an direktem (konjugiertem) Serum-Bilirubin unter 20%, kann auf eine prähepatische Störung geschlossen werden ("Produktionsikterus", z.B. durch erhöhte Hämolyse). Das Überangebot kann von der Leber nicht ausreichend bearbeitet (mit
Glukuronsäure konjugiert und damit wasserlöslich gemacht) werden, unkonjugiertes (an Albumin gebundenes, "indirektes") Bilirubin dominiert.
Hepatische Hyperbilirubinämie kann folgende Gründe haben: Gestörte Bilirubinaufnahme der Leberzellen ("Absorptionsikterus"), gestörte Konjugationsleistung ("Konjugationsikterus") oder Exkretion in die Gallencanaliculi ("Exkretionsikterus"). Dabei kann konjugiertes oder unkonjugiertes Bilirubin akkumulieren, je nach Mikrolokalisation der Störung in den Hepatozyten.
Verschluss der Gallenwege (extrahepatisch), z.B. durch einen Gallenstein, führt zu posthepatischer Hyperbilirubimämie ("Kanalisationsikterus"). Hier akkumuliert konjugiertes ("direktes") Bilirubin im Blut, sein Anteil am Gesamtbilirubin im Serum steigt auf über 50%.
Der
Ammoniumspiegel kann bei Leberdefekten
(z.B. Zirrhose) ansteigen, weil die normale Umwandlung zu Harnstoff
unzureichend funktioniert (Hyperammonämie)
Ausscheidungsleistung, biliäre Exkretion
Kann die Leber
den an sie gestellten Anforderungen zur Ausscheidung gallenpflichtiger
Stoffe nicht mehr nachkommen, stauen sich Stoffwechselprodukte zurück,
ihre Konzentration im Blut nimmt zu.
Bei gestörter biliärer Exkretion (posthepatisch) steigt vor allem der Spiegel des konjugierten ("direkten")
Bilirubins an; Ikterus (Gelbsucht) kann auftreten
Alkalische
Phosphatasen (AP) sind Esterasen und befinden sich im Skelettsystem (Knochen), Leberparenchym und in den
Gallengangsepithelien. Cholestase (Gallenstau) bewirkt, dass
Gallensäuren vermehrt alkalische Phosphatase aus der Hepatozytenmembran
lösen
γ-Glutamyl-Transpeptidase
(γ-GT) findet
sich (außer in den Nieren) vor allem in den Gallengängen, so macht sich auch hier der
Einfluss der Gallensäuren bei Cholestase bemerkbar. (Die γ-GT-Aktivität
in der Niere ist höher, aber das Enzym wird renal nicht ins Blut,
sondern in den Harn freigesetzt.)
Alanin-Aminotransaminase (ALT, Glutamat-Pyruvat-Transaminase GPT): Frauen 10-35 U/l, Männer 10-50 U/l
weitgehend leberspezifisch
Aspartat-Aminotransaminase (AST, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase GOT): Frauen 10-35 U/l, Männer 10-50 U/l
nicht leberspezifisch
Glutamat-Dehydrogenase (GDH, GLDH): Frauen bis 4,8 U/l, Männer bis 6,4 U/l
leberspezifisch (insbesondere alkoholische Schädigung)
Alkalische Phosphatase (AP): Frauen 35-104 U/l, Männer 40-129 U/l, Werte bei Kindern altersabhängig, bis ~460 mU mit 7-12 Monaten
nicht leberspezifisch
γ-Glutamyl-Transferase (Transpeptidase) (γ-GT): Frauen 5-39 U/l, Männer 10-66 U/l, Neugeborene bis 230 U/l, Jugendliche <50 U/l
leberspezifisch
Laktat-Dehydrogenase (LDH): <260 U/l (Neugeborene <600 U/l, Kinder <300 U/l)
nicht leberspezifisch
Bilirubin im Serum (Erwachsene): ~0,5 mg/dl (0,2-1,1) oder ~10 mM (4-18), hauptsächlich unkonjugiert
Ammonium im Blutplasma: bis ~50 mM (bei Neugeborenen bis ~140 mM)
Abbildung: Schema der Durchführung eines ERCP
Nach einer Vorlage in healthwise.org
Dazu kommen
bildgebende Verfahren:
Sonographie (Ultraschall-Bildgebung)
Angiographie (Darstellung von Blutgefäßen)
Magnetresonanz-Imaging (Kernspinresonanz-Prinzip)
Szintigraphie (Verteilung eines radioaktiven Markers im Organ)
Endoskopische retrograde
Cholangiopankreatikographie (ERCP
- Abbildung; Kontrastmittel wird zwischen Gallen- und Pankreasgang
ins Duodenum injiziert, diese stellen sich daraufhin im Röntgenbild dar).
Zur Beurteilung der Leberfunktion gehören Enzymwerte im Blut (steigen bei Beschädigung der Hepatozyten): Aspartat-Aminotransferase
(AST), Alanin-Aminotransferase (ALT), Alkalische Phosphatase (AP),
Glutamat-Dehydrogenase (GLDH), Laktat-Dehydrogenase (LDH); besonders empfindlich (mäßig spezifisch) reagiert γ-Glutamyltransferase (γ-GT), insbesondere auf Probleme im Gallengangsystem
Die Synthesekapazität beschädigter Leberzellen ist eingeschränkt. Zu
den Symptomen einer Insuffizienz gehören Gerinnungsstörungen,
veränderte Aminosäuremuster im Blut, Fettverdauungsstörungen (mangelnde Emulgierung wegen Mangel an Gallensäuren),
Ikterus (Bilirubinerhöhung), Hypoglykämie, Hypoproteinämie, gestörter Elektrolyt-,
Spurenelement- und Vitaminhaushalt; bei schwerem Leberversagen
Pfortaderhochdruck, hepatorenales Syndrom, Hirnödem, Atemstörungen
Bei
stark gesteigerter Hämolyse erhöht sich albumingebundenes (indirektes,
nichtkonjugiertes) Bilirubin (konjugiertes Bilirubin <20%, prähepatischer oder "Produktionsikterus"). Bei hepatischen Blockaden kann die Bilirubinaufnahme ("Absorptionsikterus"),
Konjugationsleistung ("Konjugationsikterus") oder die Ausscheidung in
die Gallengänge gestört sein ("Exkretionsikterus"). Dabei kann
sowohl konjugiertes als auch unkonjugiertes Bilirubin akkumulieren, je nach
Mikrolokalisation der Störung. Posthepatische
Hyperbilirubinämie entsteht durch Behinderung des Gallenabflusses, z.B.
durch einen Gallenstein - dabei steigt der Anteil des konjugierten
(direkten) Bilirubins im Blut auf >50%
Leberdefekte mit eingeschränkter Harnstoffsynthese erhöhen den Ammoniumspiegel (Hyperammonämie)
Bildgebende
Verfahren für hepatologische Untersuchungen sind Sonografie
(Ultraschall), Angiografie, Magnetresonanz, Szintigrafie (Verteilung
eines radioaktiven Markers), endoskopische retrograde
Cholangiopancreaticografie (ERCP - Kontrastmitteldarstellung von
Gallen- und Pankreasgang)
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Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.