Magen-Darm-Schleimhaut nimmt Nahrungsstoffe über eine große Austauschfläche (~200 m2) in das "eigentliche Innere"
des Körpers auf. Vor physiko-chemischen und biologischen
Gefahren (Toxine, Mikroorganismen, Parasiten) schützen Ansäuerung (Magen), Schleimbildung und immunologische
Abwehr (Enzyme, sekretorische Antikörper, GALT: Gut-associated lymphatic tissue) - die sogenannte Darmbarriere. Die Darmflora (etwa 100 Billionen Bakterien,
Archaeen, Eukaryoten) ist ein komplexes
Ökosystem mit einem ziemlich individualspezifischen Muster. Ihre Aktivität wirkt sich
auf Gesundheit und Stimmungslage aus. Komplexe Nahrungsstoffe (Fremdeiweiß) sind potentielle Antigene. Die gastrointestinalen Immunmechanismen müssen so ausgelegt sein, dass sie einerseits biologischen Schutz bieten, andererseits keine Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungskomponenten auftreten. Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt detektieren mechanische und chemische Reize; das löst Sekretion, Kontraktion, Hormonsekretion aus. Ein Teil der Information wird neuroendokrin bis zum Gehirn weitergeleitet und beeinflusst u.a. Hunger- und Sattheitsgefühle. Das gastrointestinale System trägt wesentlich zur Kreislaufregulation bei. Es kann einen beträchtlichen Anteil des Blutvolumens speichern und bei hohem Sympathikustonus dem Kreislauf bereitstellen - durch Drosselung der arteriellen Durchblutung und Kontraktion der zahlreichen Venen. Das befördert Blut aus dem Splanchnikusbereich, erhöht den venösen Rückstrom und stabilisiert die Herzleistung. |
Verweildauer des Chymus |
|||
Ösophagus |
Magen |
Dünndarm |
Dickdarm |
~10 Sekunden |
bis zu 3 h |
bis zu 7 h |
bis zu 70 h |
Oberflächenvergrößerung um den Faktor |
|
Kerckring-Falten |
3-4 |
Villi intestinales |
6-10 |
Mikrovilli |
20-30 |
Hormonelle Reizantworten im Verdauungssystem Nach Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019 |
|||||
Reiz |
Hormon |
||||
Gastrin |
CCK |
Sekretin |
GIP |
Motilin |
|
Proteine / Aminosäuren |
+ |
+ |
0 |
+ | 0 |
Fette / Fettsäuren |
0 |
+ | + |
+ | + |
Kohlenhydrate |
0 |
0 |
0 |
+ | 0 |
Säure |
- |
+ |
+ | 0 |
+ |
Dehnung |
+ | 0 |
0 |
0 |
0 |
neuronale Aktivität |
+ | 0 |
0 |
0 |
+ |
Peptidhormone im gastrointestinalen System Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021 |
|||
Hormon |
Quelle |
Ziel |
Hauptwirkung |
Cholecysto- kinin |
I-Zellen in Duodenum und Jejunum, Neurone in Ileum und Colon |
Pankreas Gallenblase |
Anregung von Enzym- sekretion und Kontraktion |
GIP |
K-Zellen in Duodenum und Jejunum |
Pankreas |
Hemmung Flüssigkeits- resorption Anregung Insulin- freisetzung |
Gastrin |
G-Zellen in Magenantrum |
Belegzellen in Magen- schleimhaut |
Sekretion von H+ |
Gastrin- releasing peptide * |
Nervenfasern (Vagus) |
G-Zellen in Magenantrum |
Förderung der Gastrin- freisetzung |
Guanylin * |
Ileum und Colon |
Dünn- und Dickdarm |
Steigerung der Flüssigkeits- resorption |
Motilin |
Endokrine Zellen im oberen Verdauungs- trakt |
Ösophagus- sphincter Magen Duodenum |
Anregung glattmuskulärer Kontraktionen |
Neurotensin * |
Endokrine Zellen im Gastrointestinal- trakt |
Glatter intestinaler Muskel |
Vasoaktive Anregung der Histamin- freisetzung |
Peptid YY |
Endokrine Zellen in Ileum und Jejunum |
Magen Pankreas |
Hemmung vagal angeregter Säureproduktion Sekretion von Enzymen und Flüssigkeit |
Sekretin |
S-Zellen im Dünndarm |
Pankreas Magen |
Anregung der Bicarbonat- und Flüssigkeits- produktion der Ausführungs- gänge Hemmung der Säure- produktion |
Somatostatin |
D-Zellen in Magen und Duodenum, ∂-Zellen in Pankreas |
Magen Darm Pankreas Leber |
Inhibition Gastrin- freisetzung Steigerung Flüssigkeits- resorption, Hemmung Sekretion, Kontraktion glatte Muskulatur Hemmung Sekretion endokrin / exokrin Reduktion Gallenfluss |
Substanz P |
enterische Neurone |
enterische Neurone | Neuro- transmitter |
VIP |
enterische Neurone |
Dünndarm Pankreas |
Glattmuskuläre Relaxation, Steigerung Sekretion Steigerung Sekretion |
Cholecystokinin wird im oberen Dünndarm gebildet und regt die Sekretion eines enzymreichen Pankreassaftes an |
Glucose im Darm steigert die Sekretion von GLP-1, dieses wirkt u.a. appetithemmend und regt die Sekretion von Insulin an |
Hormon / Wirkstoff |
Syntheseort |
Hauptwirkung(en) |
Reiz für die Freisetzung |
hauptsächlich stimulierend |
|||
CCK |
I-Zellen (Duodenum / Jejunum) |
Gallenblasenkontraktion Sekretion pankreatischer Enzyme Verzögerung Magenentleerung Anorexigene Wirkung (ZNS) Freisetzung von Sekretin |
Im Duodenum: Peptide Aminosäuren Glucose Fettsäuren |
Gastrin |
G-Zellen (Antrum des Magens) |
Sekretion von Salzsäure Sekretion von Pepsinogen, Pankreassaft, Galle Tonus Kardiasphinkter Antrummotilität, Peristaltik D-Zellen, histaminproduzierende ECL-Zellen |
Vagusaktivität Dehnung Magenwand GRP Peptide im Magen |
Histamin |
ECL-Zellen (Magen) |
Sekretion von Salzsäure | Vagusaktivität Gastrin |
GLP-1, GLP-2 |
L-Zellen (Ileum, Colon) |
Trophische Effekte (Inselzellen, Darm) |
Im Darm: Freie Fettsäuren, Glucose |
Motilin |
M-Zellen (Jejunum) |
Magenentleerung Migrating motor complex (MMC) Gallenblase |
Im Duodenum: Niedriger pH-Wert Fettsäuren |
Sekretin |
S-Zellen (Duodenum / Jejunum) |
Sekretion von Bicarbonat Sekretion von Pepsinogen Verzögerung Magenentleerung |
Duodenum: pH < 4 Vagusaktivität Gallensaure Salze CCK |
hauptsächlich inhibierend |
|||
Somatostatin |
D-Zellen (Magen / Dünndarm) |
- Kontraktion Gallenblase - Salzsäurebildung Magen - Sekretion von Gastrin, Insulin, Glucagon, Somatotropin, Prolaktin - Sekretion von Verdauungsenzymen |
Im Duodenum: pH < 2-3 Fettsäuren Peptide / Aminosäuren |
GIP |
K-Zellen Duodenum / Jejunum) |
- Sekretion von Salzsäure - Motilität des Magens Anregung der Insulinsekretion (Inkretineffekt) |
Im Duodenum: Glucose Fettsäuren Peptide |
Assimilation
ist die Summe der digestiven und absorptiven Vorgänge im Darm. Sie erfolgt intraluminal (Verdauung im
Darmrohr), im Bürstensaum (Mikrovilli), intrazellulär (Spaltung und
Transport) und durch die Basolateralmembran (aus der Mukosazelle zum Kreislauf).
Die Verweildauer des Chymus beträgt im Magen bis zu 3, im Dünndarm bis
zu 7, im Dickdarm bis zu 70 Stunden, die Summe heisst Passagezeit (1-3
Tage) Die Resorptionsoberfläche ist durch makroskopische (mal ~3: Kerckring-Falten, Lieberkühn-Krypten), mikroskopische (Darmzotten: mal ~10) und ultramikroskopische Auffaltungen (Bürstensaum: mal ~20) auf ~200 m2 vergrößert. Darmzotten kontrahieren sich regelmäßig (Blut- und Lymphströmung), der arterielle Druck entfaltet sie wieder (stempelartige Relativbewegungen zum Chymus). Stammzellen aus den Krypten bilden fortlaufend Ersatz für abgeschilfertes Epithel (turnover time 3-6 Tage) Lymphatische Organe des gastrointestinalen Trakts befinden sich im Rachenraum, Dünn- und Dickdarm. Das darmassoziierte lymphatische Gewebe (GALT) beinhaltet 5-mal mehr Lymphozyten als das Blutvolumen. Es hindert Keime an der Passage in den Körper durch intakte Darmmukosa und Sekrete (Magensäure, Mukus). Microfold- (M-) Zellen in den Peyerschen Plaques nehmen Mikroorganismen auf und reichen sie an Makrophagen, antigenpräsentierende Zellen und Lymphozyten weiter. ECL-Zellen bilden Histamin, Paneth-Zellen Defensine, Becherzellen Mucin, Plasmazellen IgA. Rezeptorbestückte Epithelzellen (Toll-like, NOD-like etc) wehren Pathogene ab und limitieren Entzündungsreaktionen. Dazu wirken dendritische Zellen und Makrophagen der lamina propria homöostatisch; regulatorische T-Zellen limitieren Entzündungsreaktionen Magensäure tötet die meisten Bakterien ab; im Duodenum finden sich ~103, im Jejunum ~104, im Ileum ~107, im Colon ~1012 Mikroorganismen pro Gramm Darminhalt. Das gesamte Mikrobiom des Darmes wird auf ~1014 Zellen geschätzt (~103 verschiedene Spezies). Plasmazellen im Darm produzieren 2 g IgA pro Tag (~10% der gesamten Plasmaeiweißsynthese, ~65% der gesamten Immunglobulinproduktion). Enterozyten präsentieren Antigene an T-Lymphozyten (ohne diese zu aktivieren) und beeinflussen dendritische Zellen. Immunantworten können in der Darmschleimhaut aktiv unterdrückt werden, wird diese Toleranz durchbrochen, können Nahrungsmittelallergien auftreten Die Durchblutung des Verdauungssystems beträgt 1,5-2,0 l/min - 1,3 l/min aus der Pfortader. Die Steuerung erfolgt über Nerven des Splanchnikussystems. Ergotrope Reaktionslage führt zu Vasokonstriktion, verminderter Durchblutung und Entspeicherung von Blut aus venösen Gefäßnetzen - Blut wird mobilisiert, der venöse Rückstrom verbessert und die Vorlast des Herzens erhöht, was Herzminutenvolumen und arteriellen Druck zu stabilisieren hilft (Blutreserve) Hormonproduzierende Zellen in den Schleimhäuten bilden ein "diffuses neuroendokrines System" - sie reagieren auf entsprechende Reize (mechanisch, chemisch, neurokrin) und sezernieren über ihre basolaterale Membran Hormone, die über den Kreislauf Sekretion, Resorption, Motorik, Hormonbildung und Wachstum des Gastrointestinaltrakts beeinflussen. Viele sind identisch mit Neurotransmittern. Hormonbildende Zellen sind meist vom "offenen" Typ, sie registrieren mittels apikaler Rezeptoren und Ionenkanälen Stoffe im Darmlumen; "geschlossene" werden parakrin, neuronal oder endokrin gesteuert. Als sicher physiologisch wirksam gelten Gastrin, Sekretin, Cholecystokinin, Motilin und GIP. Zahlreiche weitere gelten als Kandidaten für eine physiologische Bedeutung (putative Hormone) - sie können parakrin oder neurokrin, im pharmakologischen oder pathologischen Sinne wirksam sein Gastrin aus G-zellen (2/3 Magenantrum, 1/3 Duodenum) regt die Bildung von Salzsäure im Magen an, indem es Belegzellen stimuliert und die Freisetzung von Histamin aus ECL-Zellen anregt. - Cholecystokinin (CCK) stammt aus I-Zellen in Duodenum, Jejunum und oberem Ileum; diese reagieren auf die Anwesenheit von Fettsäuren, Aminosäuren, Peptiden im Chymus. CCK regt das Pankreas zur Absonderung enzymreichen Sekrets und die Gallenblase zur Kontraktion an, relaxiert den Sphincter Oddi, ruft Sättigungsgefühl hervor, verlangsamt die Magenentleerung. - S-Zellen (Duodenum, Jejunum) bilden Sekretin, wenn der Chymus im Dünndarm sauer (pH<4,5) ist; es regt die Sekretion basischen Pankreas- und Gallensekrets an, hemmt die Gastrinsekretion, steigert die Mucinproduktion, und regt die Sekretion von Somatostatin und Insulin an M-Zellen im Dünndarm setzen Motilin bei Alkalinisierung des Darminhalts frei. Es beschleunigt die Magenentleerung und löst interdigestive Motorik aus (zyklische Freisetzung alle ~90 Minuten), regt Fundus und Antrum des Magens sowie die Peristaltik im Dünndarm an, "reinigt" den Darm (MMC: migrierender Motorkomplex, myoelektrischer Komplex) und regt den unteren Ösophagussphinkter zum festeren Verschluss an. - Glucoseinduziertes insulinotropes Peptid (GIP) wird aus K-Zellen im Dünndarm bei Anwesenheit von langkettigen Fettsäuren, Triglyzeriden, Glukose und Aminosäuren freigesetzt, regt die Insulinausschüttung an (Inkretin-Effekt), verzögert die Magenaktivität (frühere Bezeichnung "gastric inhibitory peptide") und steigert die Sekretionstätigkeit im Dünndarm (Pufferung) Der Gastrointestinaltrakt ist ein Sinnesorgan (Dehnungs-, chemische und Schmerzreize; intrinsisch afferente Fasern aus dem Darm sind cholinerg) und wird autonom-nervös versorgt. Efferenzen zum Darm können Durchblutung und Darmtätigkeit hemmen (Sympathikus) oder Motorik, Sekretion, Resorption, Perfusion und endokrine Aktivität fördern (Parasympathikus) |