Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Ernährung und Verdauungssystem

  Funktionen und Eigenschaften des Gastrointestinalen Systems
© H. Hinghofer-Szalkay

Cadherin: calcium-adhering - Ca++-abhängig, bewirkt Zellkontakt
Cholecystokinin: χολή = Galle, κύστις = Blase, κίνησις = Bewegung
ergotrop: ἔργον = Arbeit, τροπή = Richtung (auf Arbeit ausgerichtet)
Ghrelin: Kürzel aus Growth Hormone Release Inducing
intraluminal: lumen = Licht ("lichte Weite") - Innenraum von Hohlorganen
Kerckring-Falten: Theodor Kerckring
Lieberkühn'sche Krypten: Johann N. Lieberkühn
M-Zelle: M für microfold cells (kleine Falten statt Mikrovilli an der apikalen Oberfläche)
Paneth-Zellen: Joseph Paneth
Peyer'sche Plaques: Johann Peyer
Prader-Willi-Syndrom: Andrea Prader, Heinrich Willi
Waldeyer-Ring: Heinrich Waldeyer
Zöliakie: κοιλία = Bauch, Unterleib, κοιλιακός = abdominalkephal



Magen-Darm-Schleimhaut nimmt Nahrungsstoffe über eine große Austauschfläche (~200 m2) in das "eigentliche Innere" des Körpers auf. Vor physiko-chemischen und biologischen Gefahren (Toxine, Mikroorganismen, Parasiten) schützen Ansäuerung (Magen), Schleimbildung und immunologische Abwehr (Enzyme, sekretorische Antikörper, GALT: Gut-associated lymphatic tissue) - die sogenannte Darmbarriere. Die Darmflora (etwa 100 Billionen Bakterien, Archaeen, Eukaryoten) ist ein komplexes Ökosystem mit einem ziemlich individualspezifischen Muster. Ihre Aktivität wirkt sich auf Gesundheit und Stimmungslage aus.

Komplexe Nahrungsstoffe (Fremdeiweiß) sind potentielle Antigene. Die gastrointestinalen Immunmechanismen müssen so ausgelegt sein, dass sie einerseits biologischen Schutz bieten, andererseits keine Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungskomponenten auftreten.

Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt detektieren mechanische und chemische Reize; das löst Sekretion, Kontraktion, Hormonsekretion aus. Ein Teil der Information wird neuroendokrin bis zum Gehirn weitergeleitet und beeinflusst u.a. Hunger- und Sattheitsgefühle.

Das gastrointestinale System trägt wesentlich zur Kreislaufregulation bei. Es kann einen beträchtlichen Anteil des Blutvolumens speichern und bei hohem Sympathikustonus dem Kreislauf bereitstellen - durch Drosselung der arteriellen Durchblutung und Kontraktion der zahlreichen Venen. Das befördert Blut aus dem Splanchnikusbereich, erhöht den venösen Rückstrom und stabilisiert die Herzleistung.
  
 

Funktionen des Gastrointestinalsystems Resorptionsoberfläche Immunologische Besonderheiten Kreislaufwirksamkeit Enteroendokrine Zellen Neurohumorales System, "Verdauungshormone"  Sensorik und autonom-nervöse Versorgung Zöliakie

   
Nährstoffe 
  Peyer-Plaques

Praktische Aspekte       Core messages
 
Weit mehr als nur ein Verdauungsapparat, ist der Gastrointestinaltrakt auch ein Sinnesorgan (Chemorezeptoren, Mechanorezeptoren, Osmorezeptoren, Nozizeptoren), ein Ort der Begegnung mit Faktoren der Außenwelt (mit Nahrung und Getränken aufgenommene Substanzen, Mikroben, Parasiten), ein wichtiges Kreislauforgan (Blutspeicher bzw. -reservoir, starke Perfusion), hormonbildendes und hormonempfindliches Gewebe (Rezeptoren für Hormone und Transmitter), und er enthält mit Leber, Pankreas und (falls man sie dem GI-Trakt zuordnet) Milz zentrale Anhangsorgane im Dienst von Metabolismus, Verdauung und Immunologie.

Der Gastrointestinaltrakt hat die größte Grenzfläche des Organismus zur Außenwelt

Der Gastrointestinal- (GI-) Trakt  stellt die größte - und eine sehr empfindliche - Interaktionsfläche zur Umwelt dar (200-300 m2 - zum Vergleich: Lungenalveolen ~100 m2, Haut ~2 m2). Das Grenzgewebe ist einerseits für Nahrungsstoffe durchlässig, muss andererseits gegenüber Giftstoffen und Krankheitserregern Schutz bieten.


Abbildung: Gastrointestinales System (schematisch)
Nach einer Vorlage in Leeper-Woodford SK, Adkison L, Integrated Systems. Lippincott Illustrated Reviews (Richard A. Harvey, Series ed.). Wolters Kluwer 2016

Zum Gastrointestinaltrakt zählt man - außer Mund, Rachen, Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm - die Speicheldrüsen, das exokrine Pankreas, Leber und Gallenblase.
 
Die parasympathische Versorgung des Systems erfolgt zum Großteil über den N. vagus - von der Speiseröhre bis zur flexura coli sinistra. Colon descendens, Sigmoid und Rectum werden vom N. pelvicus aus dem Sakralmark innerviert



Verschiedene Mechanismen dienen der Unterscheidung zwischen "guten" und "bösen" Komponenten dessen, was in den Darm gelangt. An der Darmwand gewonnene Information wird im Körper über mehrere Wege kommuniziert:

      Das enteroendokrine System: "Verdauungshormone" aus dem Darm kommunizieren Information an andere Stellen des GI-Systems, aber auch an das Gehirn u.a.

      Das Darmnervensystem verwaltet lokale Reflexe (z.B. die Peristaltik), steuert Sekretion und Motorik und steht mit dem restlichen Nervensystem in reziproker Verbindung


      Das Immunsystem des Darms ist ein Zentrum der mikrobiologischen Prüfung, angeborenen und adaptiven Abwehr, aber auch Mäßigung (Verhinderung überschießender Immunreaktionen z.B. auf Nahrungsmittelkomponenten)

 
Das gastrointestinale System baut nicht nur Makromoleküle ab (enzymatische Verdauung) und nimmt Nahrungsstoffe auf (Absorption), es hat zahlreiche weitere Funktionen:
 
      Durchmischung und Weiterbewegung des Darminhalts
 
      Sekretion (Gleitfähigkeit, Schutz der Schleimhaut, Resorptionshilfe)
 
      Immunologische Funktionen
 
      Aufschließung (Ansäuerung), Pufferung
 
      Chemosensitivität: Analyse der Zusammensetzung des Chymus (Speisebreis) mittels Rezeptoren
 
      Bildung von Mediatorstoffen und Hormonen
 
      Kreislaufwirksamkeit (Blutspeicherung)


Abbildung: Aufbau der Darmwand
Nach einer Vorlage bei Thibodeau / Patton, Anatomy & Physiology, 6th ed. Mosby Elsevier 2007

Die Darmwand kann aus vier Schichten bestehend gesehen werden: Äußere Schleimhaut (Serosa, geht am Ansatz der Gekröseplatte in das Mesenterium über), Längs- und Ringsmuskelschicht, Submucosa, innere Schleimhaut (Mucosa).

Die Versorgung mit Blut (Atemgase, Nährstoffe, Hormone etc), Nervenimpulsen (afferent, efferent) und Lymphgefäßen (Transport von extrazellulärer Flüssigkeit und Chylomikronen) erfolgt über das Mesenterium. Dieses empfängt in der Mucosa resorbierte Nährstoffe und leitet sie via Pfortadergefäße an die Leber weiter


Eine Hauptaufgabe des Darms ist der Aufschluss (Digestion) und die Aufnahme (Resorption) von Nährstoffen.

    Nährstoffe (nutrients) sind organische und anorganische Moleküle, welche Wachstum und Überleben des Organismus sichern. Man teilt sie ein in Wasser, Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Lipide, Proteine), Mineralien, Vitamine und Spurenelemente. Benötigt werden Nährstoffe für drei Hauptzwecke:
Energieversorgung,
Bausteine für Synthese,
Unterstützung des Metabolismus (Stoffwechsels).

Die Deckung des Bedarfs an Nährstoffen liegt innerhalb definierter Grenzen. Dafür werden international - oft etwas abweichende - Standards festgelegt (und gegebenenfalols adaptiert). Man unterscheidet u.a.

    Recommended Dietary (Daily) Allowances (RDA) / Adequate Intake (AI), das ist der (nach aktuellem Stand der Wissenschaft) für 98% aller gesunden Menschen (einer bestimmten Alters- bzw. Geschlechtsgruppe) als ausreichend angesehene tägliche Bedarf an essentiellen Nährstoffen.

    Tolerable upper intake levels (UL), die Obergrenze der als noch nicht gesundheitsschädlich angesehenen täglichen Zufuhr.

    Estimated average requirement  (EAR), der (nach aktuellem Stand der Wissenschaft) für 50% aller gesunden Menschen einer bestimmten Alters- bzw. Geschlechtsgruppe als ausreichend angesehene tägliche Bedarf an essentiellen Nährstoffen.

Die
RDA / AI-Werte liegen über den EAR-Werten, und die UL-Werte wesentlich höher. Zwischen diesen Unter- bzw. Obergrenzen der als sicher eingeschätzten Nährstoffaufnahme sollte sich folglich im Allgemeinen der tägliche Konsum bewegen, hier ist das Risiko einerseits einer Unter-, andererseits einer Überversorgung am geringsten.

  Zur Definition von RDA-Werten s. auch dort
 
  Über Transportsysteme s. dort
 
  Über die Polarität epithelialer Zellen s. dort
 
Resorption
  
Assimilation: Darunter versteht man die Gesamtheit der digestiven (aufschließenden) und absorptiven / resorptiven Vorgänge im Darm. Sie kann in vier konsekutive Mechanismen untergliedert werden:


Abbildung: Darmoberfläche
Nach einer Vorlage bei Thibodeau / Patton, Anatomy & Physiology (6th ed), Mosby Elsevier 2007

  Die Resorption von Nährstoffen aus dem Chymus im Darmlumen erfolgt über die apikale (luminale) Membran der Mikrovilli der Darmschleimhaut- Epithelzellen (Mukosazellen), die basolaterale Membran kann Stoffe aus Mukosazellen in das Interstitium für den Weitertransport über das Pfortaderblut (oder den Chylus, d.h. die Darmlymphe) befördern. Apikale und basolaterale Membran sind durch tight junctions voneinander getrennt (links unten), sie sind z.T. unterschiedlich mit Transportern ausgestattet


     Intraluminale Phase (lumen: Innenraum von Hohlorganen) - Verdauung im Darmrohr, insbesondere durch pankreatische Enzyme

     Bürstensaumphase - Stoffe werden im Bereich der Mikrovilli weiter abgebaut, um apikal resorbiert werden zu können

     Intrazelluläre Phase - weitere Spaltung, z.B. von di- bis polymeren Molekülen, in der Mukosazelle, sowie Transport durch die Zelle

     Basolateralmembranphase - dient dem Transport durch die basolaterale Membran zu Pfortader und Lymphgefäßen (teils energieverbrauchend)

Apikale / basolaterale Membran s. dort
 
Verweildauer: Die Passagezeiten des Speisebreis durch die verschiedenen Abschnitte des Gastrointestinalsystems spiegeln die unterschiedlichen Kontakt- und Speicherungsdauern wider:
 
 
Verweildauer des Chymus
Ösophagus
Magen
Dünndarm
Dickdarm
~10 Sekunden
bis zu 3 h
bis zu 7 h
bis zu 70 h
   
Die Summe dieser Zeitbeträge ergibt eine gesamte Passagezeit (=Zeit von der Nahrungsaufnahme bis zur Defäkation) von 1 bis 3 Tagen.
 

Abbildung: Apikale und basolaterale Transportsysteme in Epithelzellen des Darms
Nach einer Vorlage bei solvobiotech.com

Das Bild zeigt Transporter, die Stoffe in die Epithelzellen hinein oder aus ihnen herausbefördern. Die Ausstattung mit solchen Transportsystemen unterscheidet sich im Vergleich apikale (luminale) vs. basolaterale (blutseitige) Membran. Die Transporter stellen die hauptsächliche Route für die Aufnahme (Absorption, Resorption) von Stoffen aus dem Darmlumen dar.
  Vgl. dort

Auch transzelluläre Sekretion in den Darm erfolgt über solche Systeme.
 
Einige Stoffe (z.B. Ionen, Wasser) können auch parazellulär zwischen den Kompartimenten ausgetauscht werden, d.h. durch das Schlußleistensystem (tight junctions).
 
Treibende Kräfte sind Konzentrationsgefälle, elektrische Ladung, oder direkt ATP (primäre Energiequelle ist die Spaltung energiereicher Phosphate)

    ASBT, apical sodium-dependent bile salt transporter, vor allem im Ileum, nimmt Gallensäuren aus dem Lumen auf
 
  
  BCRP, breast cancer resistance protein, ein ABC-Transporter (Funktion abhängig von Energiezufuhr), kann Schutzfunktion gegen unerwünschte Resorption haben, außer im Darm auch an anderen Epithelien, z.B. an der Blut-Hirn-Schranke
 
    CNT, concentrative nucleoside transporter, transportiert natriumabhängig Adenosin und Pyrimidin-Nukleoside
 
    ENT, equilibrative nucleoside transporter, transportiert u.a. Adenosin in Zellen
 
    MCT, monocarboxylate transporter, transportiert karboxylathältige Substanzen (wie Laktat, Pyruvat, Ketone)
 
    MRP, multidrug resistance-associated protein, Mitglied der ABC-Transporterfamilie, befördert spezifisch Anionen
 
    OATP, organic anion-transporting polypeptides, transportieren hauptsächlich organische Anionen
 
    OCT, organic cation transport protein
 
    OCTN, organic cation transporter, novel, type n
 
    OST, Oligosaccharyltransferase, eine Glycosyltransferase
 
    PEPT, peptide transporter, transportiert protonenabhängig Oligopeptide (Cotransporter)
 
    PgP, P-glycoprotein, transportiert verschiedene Fremdstoffe aus der Zelle

     Die Oberfläche, die der Resorption zur Verfügung steht, würde bei einem glatten Darmrohr nur etwa 1/3 m2 betragen ( s. auch dort). Durch die makroskopischen Aufstülpungen der Kerckring-Falten sowie Einfaltungen nach innen (Lieberkühn'sche Krypten) ( Abbildung unten) nimmt die Oberfläche um das Dreifache auf 1 m2 zu. Eine weitere Verzehnfachung - auf ~10 m2 - erfolgt durch die ca. 1 (0,5-1,6) mm langen Darmzotten (villi intestinales).

Entscheidend ist die mikroskopisch feine Auffaltung der apikalen (also luminalen) Zellmembran der Enterozyten (= Mukosazellen) in Mikrovilli (Durchmesser ~0,1 µm) (brush border) - das erhöht die Resorptionsfläche um einen weiteren Faktor 20 auf ungefähr 200 m2.

Insgesamt wird die Resorptionsoberfläche durch Einfaltungen, Zotten und Mikrovilli etwa 600fach vergrößert:

 
Oberflächenvergrößerung um den Faktor
Kerckring-Falten
3-4
Villi intestinales
6-10
Mikrovilli
20-30
 
Zottenmotorik: Die Darmzotten kontrahieren sich regelmäßig (in Längsrichtung angeordnete kontraktile Myofibroblasten), das unterstützt den Transport resorbierten Inhalts durch Blut- und Lymphgefäße. Anschließend stülpt sie der arterielle Druck wieder in die Länge, und es ergeben sich neue Kontaktstellen mit dem Chymus ("stempelartige" Bewegungen).

Stoffwechsel der Enterozyten: Die Epithelzellen werden an der Basis der Krypten ständig nachgebildet, wandern entlang der Längsachse zur Zottenspitze und werden dort abgeschilfert ( Abbildung); dieser Vorgang dauert 2-5 Tage (innerhalb dieser Zeit erneuert sich der gesamte villöse Epithelbesatz). Dabei spielt Glutamin als Stickstoffquelle für die Synthese von Nukleinbasen eine wichtige Rolle.
 

Abbildung: Erneuerung von Enterozyten
Nach Barker N, Adult intestinal stem cells: critical drivers of epithelial homeostasis and regeneration. Nature 2014; 15: 19-33

In den Lieberkühn-Krypten der Zotten befinden sich Stammzellen, aus denen - durch 4-6 Mitosen und anschließende Differenzierung - laufend junge Epithelzellen hervorgehen. Die meisten werden zu Enterozyten, weiters entstehen Becherzellen (goblet cells), M-Zellen, Paneth-Zellen und andere.
 
Die Abschilferung beruht sowohl auf Druck als auch auf dem Verlust von Verbindungsstellen mit Nachbarzellen; einige Zellen unterliegen der Apoptose



Die Verwendung von Substraten durch die Darmmukosa hängt vom Stadium der Nahrungsaufnahme ab (digestive vs. postdigestive Phase) - sie stehen an vorderster Stelle bei der Verwertung des intestinalen Angebots:

Enterozyten nehmen im Nüchternzustand (postdigestiv) Glutamin als wichtige Energiequelle aus dem Blut (Quelle: Abbau endogener Proteine) auf, verwandeln es in Ammoniak (ergibt mit Pyruvat Alanin, das zur Leber gelangt) und Glutamat, das (ATP-Synthese) zu Citrullin abgebaut wird. Citrullin gelangt über die v. portae in den Kreislauf und wird von der Niere zu Arginin umgebaut, das zur Leber gelangt, wo es im Harnstoffzyklus benötigt wird.

In der resorptiven (digestiven) Phase werden Glutamat und Aspartat aus dem Darmlumen resorbiert und zwecks ATP-Synthese metabolisiert
(ihre Konzentration im Pfortaderblut ist dementsprechend erniedrigt). Das aus Glutamin entstandene Ammoniak gelangt zur Leber, die es zur Synthese von Harnstoff heranziehen kann.

Entzündliche Vorgänge im Darm können diese Strukturen angreifen, was zu Resorptionsstörungen und Mangelernährungssymptomen führt (wie bei  Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder Zöliakie).

 
Der Gastrointestinaltrakt ist ein Immunorgan
Zur Darmflora s. auch dort
 
Der Gastrointestinaltrakt hat die größte Oberfläche, die im Körper direkten Kontakt mit potentiell infektiösem, giftigem bzw. immunogenem Material der "Außenwelt" ausgesetzt ist (berücksichtigt man die Mikrovilli, ist es etwa das Hundertfache der Hautoberfläche, s. oben). Dementsprechend finden sich etwa 80% aller immunglobulinproduzierenden B-Zellen im Darmbereich (vor allem im Dünndarm).

Mit der Nahrung gelangen nicht nur Nährstoffe, Mineralien, Vitamine, Spurenelemente in den Darm, sondern auch Mikroorganismen und verschiedenste Fremdstoffe. Das stellt das Immunsystem des G
astrointestinaltrakts vor zwei Aufgaben: Einerseits gegen potentiell pathogene Stoffe und Keime - Viren, Bakterien, Protozoen, Mehrzeller - zu schützen (Protektion), andererseits immunologische Toleranz gegenüber benötigten potentiell immunogenen Nährstoffen sowie der normalen Bakterienflora des Darms (vor allem des Dickdarms) zu gewährleisten. Die Darmschleimhaut bildet eine Zone, in der zelluläre Entzündungsmechanismen inhibiert werden (noninflammatory microenvironment), um die massiv mit Fremdantigenen beladene Grenzfläche Darminhalt / Schleimhaut vor potenziell destruktiven Veränderungen zu schützen.

Die Epithelzellen der Darmmukosa bilden eine physikalische
Barriere für Mikroben, die zu Billiarden im Darm vorkommen. Ein Schleimfilm (Mukus) schützt das Epithel, tight junctions dichten den Raum zwischen den Epithelzellen ab. M- (microfold-) Zellen in den Peyerschen Plaques prüfen den Darminhalt: Sie nehmen Antigenträger (Bakterien) auf und reichen sie an antigenpräsentierende Zellen weiter. In der lamina propria befinden sich Blut- und Lymphgefäße sowie das darmsassoziierte lymphatische Gewebe: Gut-associated lymphatic tissue, GALT - es beinhaltet 5-mal so viele Lymphozyten wie das Blut.
 

Abbildung: Intestinales Immunsystem
Nach: Abreu MT, Toll-like receptor signalling in the intestinal epithelium: how bacterial recognition shapes intestinal function. Nature Rev Immunol 2010; 10: 131-44

Epitheliale Stammzellen erneuern laufend den Epithelbesatz, wobei Paneth-Zellen am Boden von Lieberkühn'schen Krypten eine unterstützende Rolle spielen.
 
ECL-Zellen bilden Histamin, Paneth-Zellen Defensine ( Abbildung unten). Die Schleimbildung der Becherzellen wird durch Acetylcholin angeregt.
 
Das Mukosa-assoziierte lymphatische Gewebe (MALT) nimmt Antigene an der Darmoberfläche auf (Bakterien, Viren u.a.) und gibt sie an das intestinale Lymph- und Immunsystem weiter (dendritische Zellen, T- und B-Lymphozyten, Makrophagen). In den Peyer-Plaques prüfen M-(microfold-) Zellen den Darminhalt


Epithelzellen des Darms (Enterozyten) sind intensiv mit dem Chymus und darin enthaltenen Antigenen konfrontiert. Neben MHC-1 (wie alle kernhaltigen Zellen) exprimieren sie auch MHC-II (wie Immunzellen). Sie können Antigene aufnehmen, verarbeiten und resultierende Peptidbruchstücke an intraepitheliale Lymphozyten (IEL) präsentieren. Enterozyten sezernieren darüber hinaus Zytokine ("Hormone des Immunsystems") wie IL-7 (das die Entwicklung von IELs fördert), TGF-ß und IL-10 (hemmt entzündliche Reaktionen).

Die Mehrzahl (
~65%) der intraepithelialen Lymphozyten exprimiert CD8, und viele von ihnen zeigen untypische Phänotypen ihrer Rezeptoren (z.B. zwei α-Ketten statt des üblichen αß-Musters). Jede dieser untypischen Zellgruppen hat spezifische Aufgaben und erkennen unterschiedliche Merkmale auf möglicherweise verletzten oder infizierten Epithelzellen, oder auch Nichtprotein-Epitope, welche ihnen über epitheliale MHC-Moleküle präsentiert werden.

Die Zellen des Darmepithels können nicht alle notwendigen Immunfunktionen erfüllen; zwischen ihnen liegen M-Zellen, die Antigene im Darmlumen sammeln, Paneth-Zellen, die antimikrobielle Substanzen produzieren, und intraepitheliale Lymphozyten. Unterhalb der Epithelschicht liegt die lamina propria mit dendritischen Zellen, T- und B-Lymphozyten, Makrophagen und anderen Lymphozyten, sowie Peyer'sche Plaques (s. weiter unten).

Zur Abwehr möglicher Infektionen verfügt der Darm über einen Schleimfilm (Mucine: glykosylierte Proteine aus Becherzellen), der die Mikroorganismen auf Distanz zum Epithel hält; antibiotische Peptide wie Defensine, die Pathogene abtöten können; und sekretorische Antikörper vom Typ IgA aus Plasmazellen (unterstützt durch T-Helferzellen) in der lamina propria. Verschiedene Rezeptoren der Epithelzellen (wie Toll-like und NOD-like) fördern einerseits immunologische Abwehrmaßnahmen gegen Pathogene, limitieren andererseits Entzündungsreaktionen auf ungefährliche Bakterien. Dazu wirken dendritische Zellen und Makrophagen der lamina propria entzündungshemmend und homöostatisch.

Lymphozyten tragen zur Immunität des Darms vor allem im Sinne spezifischer Abwehrmechanismen gegen Mikroben und Parasiten bei. Aktivierte regulatorische T-Zellen (Treg) halten Entzündungsreaktionen des Darms im Zaum. Lymphatische Organe des gastrointestinalen Traktes befinden sich
    im Rachenraum als Waldeyer-Ring (lymphatischer Rachenring - die Gesamtheit der Mandeln im Hals-Rachen-Bereich): Rachenmandeln, Tubenmandeln (Eustachi-Röhre), Gaumenmandeln (Tonsillen), Zungenmandeln
 
     im Dünndarm (Peyer-Plaques, s. unten) und
 
     im Dickdarm (Appendix).

Etwa 1014 Bakterien befinden sich im Darm, sie operieren mit über einer halben Million verschiedener Gene (~30-mal mehr als das Genom des Menschen enthält). Dieses intestinale Mikrobiom regt das Immunsystem an; schon bei (Passage durch den Geburtskanal) und unmittelbar nach der Geburt (Stillen) beginnt sein Aufbau. Bei Versuchstieren, die keimfrei aufwachsen, bleibt ihr GALT mangels adäquater Stimulation unterentwickelt, das Repertoire und die Synthese an Antikörpern aller IgG-Klassen eingeschränkt. Das Immunsystem bedarf der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit Bakterien im Gastrointestinalsystem, um im Bedarfsfall gerüstet zu sein - nicht nur im Darm, sondern an allen Grenzflächen des Körpers.

Alleine im Darm produzieren B-Lymphozyten jeden Tag rund 2000 mg IgA-Antikörper - entsprechend ~10% der gesamten Plasmaeiweißsynthese oder ~65% der gesamten Immunglobulinproduktion des Körpers. Diese enorme Sekretionsleistung steht im Dienst der Verhinderung eines Übertritts von Mirkoorganismen durch die Barriere des Mukosa-Epithels (
Enterozyten) im Darm.

Gleichzeitig ist ein Ausbleiben inflammatorischer IgA-Antworten auf die Anwesenheit verschiedenster Nahrungsbestandteile entscheidend, um eine angemessene orale Nahrungsmitteltoleranz zu erreichen.
Lipide, Kohlenhydrate, Proteine u.a. werden von den Enterozyten resorbiert und dendritischen Zellen im Bereich der Basalmembran "zur Kenntnis gebracht", wobei die Enterozyten laufend ein Zytokin (TSLP: Thymic stromal lymphopoietin) freisetzen, wodurch die dendritischen Zellen in einen antiinflammatorischen Modus versetzt / konditioniert werden. Auch können Enterozyten selbst Antigene an T-Lymphozyten präsentieren, wobei diese aber nicht aktiviert, sondern (wegen Fehlens kostimulatorischer Signale, wie CD80/86) in einen anergen (inaktiven) Zustand versetzt werden. Immunantworten können in der Darmschleimhaut aktiv unterdrückt werden.

Wird die orale Toleranz durchbrochen, können Nahrungsmittelallergien auftreten.

 

Abbildung: Häufigkeit und Arten von Mikroorganismen im Gastrointestinaltrakt
Nach einer Vorlage bei Alfred-Nissle-Gesellschaft e.V. - a-nissle-ges.de

Die Zahl der Mikroorganismen (im Verdauungssystem 1013 bis 1014 Mikroben, mehr als 1000 verschiedene Arten) übersteigt diejenige der Zellen im Körper (1012 bis 1013).
 
CFU (colony forming unit): In einem Kulturmedium koloniebildende Einheit (KBE). Die Anzahl vitaler Bakterien in einer Probe kann höher liegen als die Zahl nachweisbarer CFUs


Bakteriendichte ( Abbildung) Die Magensäure tötet die meisten Bakterien ab, sodass der Inhalt praktisch steril ist; normalerweise findet man im Magen ~1 vitale Bakterie / g Chymus (Helikobakter, Laktobacillus). Die Zahlen steigen nach peripher enorm an: Duodenum, 103/g; Jejunum, 104/g; Ileum, 107/g; Colon, 1012/g. Auch die Art der beteiligten Bakterien unterscheidet sich je nach Darmabschnitt.

Das darmassoziierte lymphatische Gewebe stellt nicht nur eine Abwehrlinie gegen Mikroben dar (Mikrobiom des Darmes: schätzungsweise 1014 Zellen - mehr als die Gesamtzahl an Körperzellen inklusive Erythrozyten -, 500-1000 Arten, ~0,6 Millionen Gene - 30-mal mehr als das Genom des Menschen), sondern genießt auch eine immunologische Sonderstellung. So zeigt der Darm Toleranz gegenüber oral zugeführten Antigenen, was vor immunologischen "Überreaktionen" gegenüber Nahrungsbestandteilen schützt. Der Mechanismus dieser oralen Toleranz ist noch weitgehend unklar (2020).

Verschiedene Moleküle, wie z.B. Cadherine , beteiligen sich an Schutz und Integrität der Darmschleimhaut. Dazu zählen antimikrobielle Proteine, die sich u.a. in den Krypten ansammeln. Infektionsschützend wirken sekretorische Antikörper (Klasse IgA) und unspezifische Schutzfaktoren, u.a. eine muköse Auskleidung der Darmschleimhaut. Der niedrige pH-Wert im Magen tut das seine. Überreaktionen werden durch eine Art Allergieschutz des darmassoziierten Gewebes (GALT) vermieden.

Andererseits verfügt der Darm mit seiner Darmflora aus Bakterien, Archaeen und Eukaryoten über ein komplexes immunologisch stabilisierendes Ökosystem (die Kolonisierung des Darms beginnt ab der Geburt). Im Darm einer gesunden erwachsenen Person lassen sich hauptsächlich anaerobe Bakterien (~10 bis 100 Billionen) nachweisen.

Die intestinale Flora trägt in mehrfacher Weise zur Physiologie des Organismus bei:
  Bildung von Vitaminen (Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, Cobalamin, Phyllochinon)
  Synthese organischer Säuren (Acetat, Propionat, Butyrat)
  Metabolismus von Gallensäuren (Veresterung, Oxidation, Reduktion, Dehydroxylierung)
  Bildung von Gasen (Kohlendioxid, Methan, Wasserstoff) - etwa die Hälfte der Darmgase besteht aus Stickstoff (verschluckte Luft)
  Bildung von Geruchsstoffen (Indol, Skatol, Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Amine, Butyrat)

Täglich scheidet der Mensch etwa 1013 Bakterien mit dem Kot aus.
 
Die intestinale Barriere (Trennung zwischen luminaler "Außenwelt" und unter dem Mukosaepithel liegender "Innenwelt") wird durch eine einzellige Epithelzellschicht gebildet: Enterozyten, die mittels durchgehender interzellulärer Abdichtungen zusammengehalten werden. Gleichzeitig besteht ein ständiger Austausch von Zellen: Stammzellen aus dem Bereich der Krypten bilden fortlaufend frischen Ersatz für die sich abnutzenden Epithelzellen.

Dichtigkeit der Darmbarriere und Selektivität ihrer Durchlässigkeit sind im Bereich der Mikrovilli besonders hoch, die Enterozyten haben hier einen extrem dichten Tight-junction-Besatz; diese Barriere ist in der Tiefe der Krypten weniger dicht. In den Krypten befinden sich Stammzellen, aus denen verschiedene spezialisierte Zellen für die Darmschleimhaut hervorgehen.

 
 

Abbildung: Schleimhaut- Immunsystem im Darm des Menschen
Nach Brandtzaeg et al, Terminology: nomenclature of mucosa- associated lymphoid tissue. Mucosal Immunology 2008; 1: 31-7


Schleimhäute sind durch mukosa- assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT) geschützt: B-Zell-Follikel, M-Zellen, antigenpräsentierende Zellen, Makrophagen, Immunglobuline u.a.

Links:
Zonen in der Darmschleimhaut, in die ü
ber hochendotheliale Venolen naive B- und T-Lymphozyten gelangen (immunologische Induktionszone). Durch B-Zell- und M-Zell-Follikel werden Antigene zu antigenpräsentierenden Zellen transportiert (einschließlich dendritische Zellen, Makrophagen und B-Zellen).
 
Mitte: Dendritische Zellen fangen Antigene ein und bringen sie über die Lymphbahnen an Lymphknoten, wo sie zu antigenpräsentierenden Zellen werden und T-Lymphozyten aktivieren. Von hier gelangen Effektor- und Gedächtnis- B-und T-Zellen ins Blut und gelangen in "Effektor"-Gebiete, z.B. wieder im Darm.
 
Rechts: "Effektor"-Mukosa. Die Auswanderung reifer Lymphozyten wird durch das lokale Profil endothelialer Adhäsionsmoleküle und von Chemokinen gesteuert, Endothelzellen beteiligen sich als "Torwächter" der lokalen Schleimhautimmunität. Sekretorische Antikörper (IgA, IgM) werden durch die Darmschleimhaut transportiert - dazu gibt es verschiedene Mechanismen. Einige Antikörper - lokal erzeugt oder aus dem Kreislauf stammend - können auch parazellulär in das Darmlumen gelangen (strichlierter Pfeil).

    APC, antigenpräsentierende Zelle  B, B-Lymphozyt  DC, dendritische Zelle  FDC, follikuläre dendritische Zelle  HEV, hochendotheliale Venole   J, J-Kette  M, M-Zelle  MALT, Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe (tissue)  mSC, membranständige sekretorische Komponente  pIgR, polymerer Ig-Rezeptor  sIgA, sekretorisches IgA  sIgM, sekretorisches IgM   T, T-Lymphozyt


Die Epithelzellen der Darmmukosa stammen von gemeinsamen Vorläuferzellen in den Lieberkühn'schen Krypten ab. Spezialisten sind:

     Schleimproduzierende Becherzellen an der Spitze der Darmzotten. Diese produzieren stark glykosylierte Proteine (Mucine), die als Bestandteil des Schleims (Mukus) Mikroben vom Kontakt mit dem Epithel fernhalten. Mucine werden auch von submukösen Drüsen sezerniert.

Im Dünndarm finden sich Mikroben auf der Außenseite einer einfachen Schleimschicht; im Dickdarm ist die Schleimschicht zweilagig, die Mikroben reichern sich in der lumenwärts gerichteten an. In beiden Fällen bleiben die Epihelien weitgehend keimfrei; der Mukus hilft vermutlich bei der Vermittlung antimikrobieller Effekte epithelialer Substanzen und bindet an Adhäsionsproteine, die Mikroben zum Andocken an Endothelzellen benützen.

Der Darm einer erwachsenen Person produziert mehrere Liter Schleim pro Tag, die Mucine werden innerhalb von 6-12 Stunden neu gebildet. Produktion und Glykosylierung der Mucine unterliegt der Regulation durch zahlreiche Zytokine und wird auch durch mikrobielle Adhäsionsproteine anregegt..

 

Abbildung: Lieberkühn´sche Krypte (bis 0,4 mm tief) mit Paneth´schen Körnerzellen
Nach einer Vorlage bei vivo.colostate.ed

Paneth-Zellen produzieren antimikrobielle Stoffe, darüber liegende pluripotente Stammzellen dienen der Erneuerung aller anderen Zelltypen


Proliferationszeit: Becherzellen (wie Enterozyten) erhöhen auf dem Weg vom Drüsengrund (Lieberkühn-Krypte) zur Oberfläche ihren Differenzierungsgrad. An der Spitze der Zotte angekommen, schilfern sie ab und werden Teil des Darminhalts. Die Zeit vom "Start" am Kryptengrund bis zur Abschilferung (cell turnover time) beträgt 3-6 Tage.

Die kurze Proliferationsspanne macht die Darmschleimhaut sehr empfindlich gegenüber Einflüssen, welche die Mitoseaktivität hemmen (Krebstherapie: Bestrahlung, Chemotherapeutika).

      In der Tiefe der Krypten   sitzen Paneth'sche Körnerzellen ( Abbildung). Sie bilden Abwehrpeptide, die Bakterien, Pilze, Spirochäten und einige Viren abtöten (breitband-antibiotische Wirkung):
 
      Defensine (α- und β-HD - human defensins - Paneth-Zell-Defensine heißen auch Crypticidine), diese stammen aus Dünn- und Dickdarm und diversen Zellen auch außerhalb des Darmes: Epithelien (Haut, Lunge), Granulozyten, NK-Zellen, zytotoxische T-Lymphozyten. Defensine wirken direkt gegen Bakterien, Pilze und hüllentragende Viren (Angriff gegen Membrankomponenten) und regen Entzündungsvorgänge an.
 
      Laktoferrin,
 
      Lysozyme,
 
      IgA,
 
      Peptidasen wie Trypsin, diese verstärken z.B. die Wirkung von Defensinen.
 
      M-Zellen (Microfold cells) auf der Oberfläche domförmiger Mukosaerhebungen über Peyer'schen Plaques ( Abbildung oben) "sammeln" Moleküle und Mikroorganismen (die an entsprechende Rezeptoren binden und damit immunologisch "interessant" sind) aus dem Darm ein und transportieren sie mittels Endosomen zu ihrer nicht-luminalen (basolateralen) Zelloberfläche, um sie an hier wartende Immunzellen zu "übergeben" (Details sind noch unklar, 2022). Dendritische Zellen können diese Epitope Lymphozyten präsentieren.

Dazu kommen Makrophagen und lokale lymphoide Zellen - sie alle sind zu antiviraler und entzünsungsfördernder Aktivität fähig, zumeist getriggert durch die Bindung mikrobieller Liganden an mustererkennende Rezeptoren. Im Darm gesunder Menschen sind dendritische Zellen und Makrophagen der lamina propria entzündungshemmend wirksam (einige Makrophagen können gleichzeitig Mikroben phagozytieren und antiinflammatorische Zytokine sezernieren).
 
      Die Epithelzellen der Darmschleimhaut (Mukosa) exprimieren verschiedene Rezeptoren (Toll-like Rezeptoren in der Zellmembran, NOD-like Rezeptoren im Zytoplasma) zur Erkennung von PAMPs. Werden solche Rezeptoren aktiviert, löst das einerseits Immunantworten (antiviral, inflammatorisch) gegen Pathogene aus, andererseits begrenzt es Reaktionen auf harmlose Mikroben (Kommensalen). Epithelzellen können bei Mikrobenkontakt oder Verletzung Zytokine sezernieren, die auch als Alarmine bezeichnet werden und angeborene Immunabwehr aktivieren.
 
Auf diese Weise wird das Immunsystem mit ausgesuchten Antigenen befasst - entweder im Peyer-Plaque selbst, und/oder in tributären Lymphknoten. Der Darm enthält ~30.000 solitäre Lymphfollikel (sie finden sich auch im gesamten Dickdarm). Im Darm befinden sich ~200 Peyer-Plaques, sie gehören zum sekundären lymphatischen Gewebe und finden sich vor allem im distalen Ileum. Peyer-Plaques enthalten zwischen 5 und 200 aggregierte Lymphfollikel.

     Unter Peyer'schen Plaques (Peyer's patches) versteht man lymphatisches Gewebe in der lamina propria des Dünndarms, das ähnlich wie Lymphknoten follikulär organisiert ist. Hier können Immunreaktionen gegen Antigene / Pathogene im Darm starten. Peyer-Plaques beinhalten vor allem B-Zellen. Diese werden nach Selektion zu Plasmazellen, die vor allem große Mengen an IgA produzieren.
 
Lymphoide Zellen des angeborenen Immunsystems - zytokinproduzierende Lymphozyten ohne T-Zell-Rezeptoren - sezernieren auf entsprechende Reize hin Interleukine (z.B. IL-17) und beteiligen sich so an der Verstärkung regulativer und protektiver Aufgaben an der Darmschleimhaut.
 
Das intestinale Nervensystem beeinflusst die Barrierefunktion des Epithels. Nicht nur Nerven-, auch Gliazellen des Darmnervensystems spielen dabei mit, z.B. über den glial cell line-derived neurotrophic factor (GDNF). Effektorstoffe wie Acetylcholin, VIP und NO sind Schlüsselsubstanzen für die Regulierung der Epithelbarriere, indem sie muköse Perfusion, Lymphozytenwanderung, Schleimproduktion und Resorption beeinflussen.

  Zum Immunsystem des Darms s. auch dort
 
Der Gastrointestinaltrakt hat große Bedeutung für den Kreislauf
 
Das Verdauungssystem ist stark kreislaufwirksam: Die starke Perfusion und die gute Dehnbarkeit der Venengeflechte (Mesenterialbögen, venöse Blutspeicher z.B. in Leber und Milz) führen dazu, dass das gastrointestinale System ein wichiger Angriffspunkt für regulatorische Einflüsse ist. Arterioläre Dilatation führt zu starker Blutspeicherung, und kardiovaskuläre Reflexe - z.B. der Baroreflex - wirken sich vor allem auf Gefäße im Bauchraum aus. Starke Vasodilatation kann zu Kreislaufversagen führen (Widerstandsverlustschock).
 

Abbildung: Durchblutungsgrößen (erwachsene Person) im Splanchnikusgebiet
Modifiziert nach einer Vorlage bei Koepen and Stanton, Berne and Levy's Physiology (6th ed), Mosby / Elsevier 2008

Dem Verdauungssystem fließen insgesamt etwa 1,8 l/min arterielles Blut zu, das sind rund 30% des gesamten Ruhe-Herzminutenvolumens


Die Durchblutung beansprucht mit 1,5-2,0 Litern pro Minute einen großen Anteil (in Ruhe ein Drittel) des Herzzeitvolumens. Etwa 700 ml/min gelangen über die a. coeliaca, 700 ml/min über die a. mesenterica superior, und 400 ml/min über die a. mesenterical inferior zu den in der Abbildung gezeigten Organen.

Die Pfortader bringt etwa 1,3 l/min Blut aus dem Darm zur Leber, sodass diese rund ein Drittel ihrer Blutversorgung arteriell, und zwei Drittel über den Pfortaderkreislauf erhält (ausgeprägte Arteriolen verhindern beim Zusammenfluss in den Leberläppchen zu den Sinusoiden ein Überschießen des arteriellen Zustroms - der Druck im Pfortaderkreislauf beträgt weniger als 10 mmHg).

Die sympathische Versorgung der Baucheingeweide, und damit die Steuerung der Durchblutung, erfolgt über Nerven des Splanchnikussystems. Bei erhöhtem Sympathikustonus (ergotrope Reaktionslage) kommt es zu Vasokonstriktion und damit zu verminderter Durchblutung und (druckpassiv) Entspeicherung von Blut aus venösen Gefäßnetzen - Blut wird mobilisiert, der venöse Rückstrom verbessert und die Vorlast des Herzens erhöht, was Herzminutenvolumen und arteriellen Druck zu stabilisieren hilft.

  Mehr zur Perfusion des Gastrointestinaltrakts s. dort
 
Enteroendokrine Zellen
 
Enteroendokrine Zellen (enteroendocrine cells, EEC) sind flaschenförmige sensorische Zellen des Gastrointestinaltrakts. Sie befinden sich - meist einzeln zwischen Mukosazellen eingestreut - in der Schleimhaut des Magens und Dünndarms und registrieren die Anwesenheit diverser Nahrungsstoffe im Darmlumen (wie Glucose, Aminosäuren, Peptide), sowie auch von Bakterien. Ihre Lebensdauer ist (mit bis zu mehreren Monaten) länger als diejenige "gewöhnlicher" Mukosazellen (4-5 Tage).

Die meisten EECs haben mit ihrem apikalen Anteil direkten Kontakt mit dem Darmlumen (open-type) und bilden dort Mikrovilli aus; einige erstrecken sich nicht bis zur Oberfläche (closed-type).
Einige der registrierten nutritiven Signale werden nicht über den Bürstensaum des apikalen Zellteils, sondern basolateral von benachbarten Enterozyten empfangen (Lang- und kurzkettige Fettsäuren, Lipoproteine, Aminosäuren).

Viele EECs verfügen über zytoplasmatische Fortsätze - meist ihres basolateralen Zellanteils, mit großen und kleinen sekretorischen Granula, Mitochondrien und Neurofilamenten bestückt -, die sich zu benachbartern Zellen erstrecken. Diese axonähnlichen Fortsätze kontaktieren
auch Nervenzellen und werden als Neuropodien (neuropods) bezeichnet ( Abbildung).
 

Abbildung: Verbindung einer enteroendokrinen Zelle
Nach Liddle RA: Interactions of gut endocrine cells with epithelium and neurons. Compr Physiol 1018; 8: 1019-30

Enteroendokrine Zellen (EEC) haben oft seitliche zytoplasmatische Fortsätze ihres basalen Anteils (Neuropodien), über die sie Kontakt mit afferenten Neuronen aufnehmen können.
 
Vermutlich sind EECs auch durch vagale Efferenzen innerviert


Sensorische Funktion. Die Oberfläche der enteroendokrinen Zellen verfügt über ähnliche Rezeptormechanismen wie Geschmackszellen (T1- und T2-Rezeptoren etc) sowie über entsprechende Transporter (über SGLT1 wird Glucose aufgenommen, über Aminosäuretransporter teils Na+-gekoppelt Aminosäuren, über den H+-gekoppelte solute carrier PepT1 Di- und Tripeptide). Auf diese Weise gelangen Glucose, Aminosäuren und kleine Peptide über die apikale Membran in die EEC, die depolarisiert und mit neuronalen, parakrinen und endokrinen Impulsen reagiert.

Einige dieser Stoffe gelangen nicht direkt, sondern via Nachbarzellen an die basolaterale Membran der EECs. Diese kann z.B. via GLUT2 Glucose in das Zellinnere befördern; bei deren Metabolisierung (Glukokinase) entsteht ATP, ATP-sensitive Kaliumkanäle (KATP) schließen und die Membran depolarisiert. Fettsäuren gelangen über entsprechende Rezeptoren (free fatty acid receptors, FFAR) über die basolaterale Membran in die enteroendokrine Zelle und steigern hier die Calciumkonzentration. Auch aromatische Aminosäuren (Tryptophan, Phenylalanin) scheinen über basolaterale Gq-gekoppelte Rezeptoren zu wirken (sie regen die Sekretion von CCK, Ghrelin und GLP-1 an).

Das intestinale Mikrobiom wirkt sich auf Nahrungsaufnahme, Energiehaushalt und Stoffwechsel aus. EECs reagieren auf die Anwesenheit und Aktivität von Darmbakterien und spielen für den Informationsfluss Darm
→ Gehirn eine (wahrscheinlich entscheidende) Rolle. Erklärbar ist die entsprechende Sensorik nicht nur über direkten Kontakt mit den Mikroorganismen (apikale Membran, Bürstensaum), sondern auch via lösliche Stoffwechselprodukte (z.B. Lipopolysaccharide, die auf TLRs wirken), sowie Stoffwechselprodukte wie sekundäre Fettsäuren, Indole, oder kurzkettige Fettsäuren, die im Darm nur durch bakteriellen Abbau des Darminhalts entstehen.

Sekretorische Funktion. EECs
bilden Peptidhormone sowie Neurotransmitter (z.B. Glutamat) und speichern diese in Vesikeln, die bei Anregung exozytiert werden. Sie reagieren auf luminale chemische Reize mit paraktinen Signalen zu benachbarten Epithelzellen, Transmitterausschüttung an Kontaktstellen zu Nervenfasern, sowie endokrin durch Sekretion von Hormonen. Auf diese Weise nehmen sie mit ihrer unmittelbaren Umgebung, aber auch mit dem gesamten Organismus Kontakt auf. Lokal beteiligen sie sich an der Regulation von Sekretion und Motilität, und haben trophische Funktion.

Die Mehrzahl der EECs konzentriert sich auf die Expression eines bestimmten Peptidhormons; dementsprechend werden sie bezeichnet (G-Zellen bilden Gastrin, D-Zellen Somatostatin, etc). Das Muster des Expressionsverhaltens verschiedener EECs ist allerdings ziemlich komplex, z.B. exprimieren L-Zellen sowohl NPY als auch GLPs. EECs bilden auch postsynaptische Proteine, d.h. sie empfangen Signale von efferenten (vom ZNS kommenden) Impulsen und senden Information über Nahrungsstoffe und im Darm vorhandene Mikroorganismen via afferente Fasern an das Gehirn, und hormonell an alle entsprechend mit Rezeptoren ausgestattete Gewebe. EECs scheinen bei Anwesenheit bestimmter mikrobieller molekularer Muster (PAMPs) Zytokine freizusetzen; auf bakterielle Lipopolysacchardide reagieren sie beispielsweise mit der Sekretion von TNFα.

Wenn manb berücksichtigt, dass Nervenfasern keinen direkten Kontakt zum Inhalt des Darms haben, liegt angesichts der Positionierung der EECs und ihrer Neuropodien die Vermutung nahe, dass diese mittels ihrer bidirektionalen Verbindung mit dem Nervensystem eine entscheidende Vermittlerfunktion ausüben und Signale aus dem Lumen an afferente intestinale Neuronen übermitteln.

Was ist die Funktion der Neuropodien? Offensichtlich speichern und sezernieren diese meist nur einige µm, manchmal (vor allem im distalen Darm) bis zu 70 µm langen Fortsätze sowohl Peptidhormone als auch Neurotransmitter, und sie verfügen sowohl über präsynaptische als auch postsynaptische Proteine. Damit
 
     erreichen sie zahlreiche Nachbarzellen ganz unmittelbar (parakrine Wirkungen),
 
     können Impulse (Information über die Situation im Darmlumen) an afferente Nervenfasern übermitteln,
 
     Signale efferenter (parasympathischer) Nerven empfangen,
 
     endokrine Information in die Blutbahn senden.
 
ECCs sind mobil und suchen aktiv Kontakt mit Nervenzellen, die ihrerseits wahrscheinlich EECs trophisch stimulieren ("Überlebensfaktoren") und das Wachstum von Neuropodien anregen können.

Hormone aus dem Gastrointestinaltrakt regulieren Verdauungstätigkeit und Appetitkontrolle
   


Gastrin-Familie Sekretin-Familie Motilin-Familie Weitere GI-Hormone

Die Tätigkeiten des gastrointestinalen Systems werden reguliert durch

     Peptide aus Schleimhautepithelien (meist in zwei oder mehr molekularen Formen) und

     einige Neurokrine (von intestinalen Nervenzellen freigesetzte Signalstoffe).

Aus dem gastrointestinalen System freigesetzte Peptide können endokrin (als Hormon über die Blutbahn an allen Teilen des Körpers, soferne ihre Austauschgefäße nicht durch spezifische Barrieren abgedichtet sind) oder parakrin wirken (und auf diesem Wege auch die Aktivität von Nervenzellen beeinflussen, wie das z.B. Histamin in der Magenwand tut).

Hormonproduzierende Zellen in den Schleimhäuten des gastrointestinalen Systems sind einzeln oder in kleinen Gruppen angeordnet ("diffuses neuroendokrines System"). Ihre apikalen Enden tragen Mikrovilli, die wahrscheinlich über Rezeptoren für das "Scannen" des Darmrohrinhaltes verfügen. Einige nehmen Aminosäuren aus dem Kreislauf auf und decarboxylieren sie zu biogenen Aminen (z.B. Serotonin) - solche Zellen werden einem System zugerechnet, die man als APUD (Amine Precursor Uptake and Decarboxylation) bezeichnet hat.

Gastrointestinale Hormone werden freigesetzt, wenn auf ihre Entstehungszellen in Magen- und Darmschleimhaut Dehnungs- (mechanische), Nahrungs- (chemische) oder Nervenreize (Neurokrine) einwirken. Einmal an das Interstitium abgegeben, gelangen sie in Pfortaderkreislauf, Leber und Blutkreislauf generell - und damit zurück zum gastrointestinalen System, wo sie dessen Aktivitäten (Sekretion, Resorption, Motorik, Hormonbildung) beeinflussen. Sie steuern auch das Wachstum der Schleimhaut in Magen und Darm sowie des exokrinen Pankreas.

Die folgende Tabelle zeigt an, welche Auslöser die Freisetzung von Verdauungshormonen unter physiologischen Umständen anregen (+) oder hemmen (-) - oder keine Wirkung haben (0):
 
Hormonelle Reizantworten im Verdauungssystem

Nach Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019
Reiz
Hormon

Gastrin
CCK
Sekretin
GIP
Motilin
Proteine / Aminosäuren
+
+
0
+ 0
Fette / Fettsäuren
0
+ +
+ +
Kohlenhydrate
0
0
0
+ 0
Säure
-
+
+ 0
+
Dehnung
+ 0
0
0
0
neuronale Aktivität
+ 0
0
0
+
  
Größter Hormonproduzent. Hormonsezernierende Zellen des Verdauungssystems ( Abbildung) machen zusammengenommen die größte endokrin aktive Masse des Körpers aus. Sie erzeugen "Verdauungshormone", die auf Motilität und Sekretion in Magen, Darm, Pankreas, Leber und Gallenblase, und auch auf andere Gewebe, z.B. das Gehirn, einwirken.


Abbildung: Gastrointestinale Hormone: Bildungsorte und Wirkungen
Nach einer Vorlage bei pacbio.com

Das Verdauungssystem produziert die größte (molare) Menge an Hormonen im Organismus.
 
Gastrin
wird im Antrum des Magens und im Duodenum gebildet; Sekretin im Duodenum; GIP und Motilin im Duodenum und Jejunum; Cholecystokinin in Duodenum, Jejunum und Ileum


  
  Zahlreiche Verdauungshormone sind identisch mit Transmittern, die im Gehirn, peripheren Nervensystem, auch in anderen Geweben vorkommen. Agonisten / Antagonisten können daher sehr weitreichende (Neben-)Wirkungen haben, u.a. abhängig von ihrem Verhalten an der Blut-Hirn-Schranke.
 
Das
gastrointestinale System kann daher als das größte endokrine Organ des Organismus bezeichnet werden. Hormonbildende Zellen befinden sich in der Darmschleimhaut, wobei man "offene" und "geschlossene" Typen unterscheidet ( Abbildung unten):

     Die meisten sind gegen die Schleimhautoberfläche "offen" (open enteroendocrine cells), können also an ihrem apikalen Ende - mittels Rezeptoren und Ionenkanälen - Stoffkonzentrationen im Darmlumen registrieren und entsprechend (endokrin) reagieren - z.B. auf pH, Aminosäuren oder Fettsäuren. Sekretagoge Stoffe regen diese Zellen an.

     Andere erstrecken sich nicht bis zum Darmlumen, sie sind "geschlossen" (closed enteroendocrine cells); ihre Aktivität wird parakrin, neuronal oder endokrin reguliert.

Beide Zelltypen sezernieren ihre Hormone über die basolaterale Membran in Richtung splanchnische Kapillaren in der lamina propria; so gelangen sie in Pfortader, Leber und systemischen Kreislauf. In einer typischen Situation kommt es anschließend zu einem Effekt der negativen Rückkopplung: Der sekretagoge Stoff, der im Darm die Hormonausschüttung ausgelöst hat, wird durch die Reaktion des Darms abgebaut bzw. entfernt, seine Konzentration im Darm nimmt ab, und die Hormonbildung der entsprechenden enteroendokrinen Zellen erlischt. Das Ergebnis ist die Stabilisierung der entsprechenden Stoffkonzentrationen.

Aufgeschaltet auf solche simple Rückkopplungsschleifen sind übergeordnete neurohumorale Steuerungen; das ermöglicht die Integration der Verdauungsvorgänge in gesamtorganische Situationen (z.B. multiple Einflüsse auf das Verdauungssystem, oder Stress, der das gastrointestinale System "herunterfährt").
   

Abbildung: Lage und Funktionsweise enteroendokriner Zellen (blau)
Nach Steinert RE, Feinle-Bisset C, Asarian L, Horowitz M, Beglinger C, Geary N: Ghrelin, CCK, GLP-1, and PYY(3–36): Secretory Controls and Physiological Roles in Eating and Glycemia in Health, Obesity, and After RYGB. Physiol Rev 2017; 97: 411-63

Links: Ghrelinzellen im Magen sind von Nachbarzellen gegen das Lumen abgeschlossen (closed enteroendocrine cells), sie haben keinen direkten Kontakt zum Mageninhalt.
 
1: Neuronale Impulse sind die wichtigste Anregung zur Ghrelinsekretion

2: Freigesetztes Ghrelin diffundiert durch die lamina propria in das Blut und gelangt so in den Kreislauf

3: Ghrelinzellen verfügen über Rezeptoren (orange) für Nahrungsstoffe, die sie über die Blutbahn und wohl auch aus dem Lumen erreichen

4: Verschiedene endokrine Signale können Ghrelinzellen hemmen
 
Rechts: CCK / GLP-1 / PYY- Zellen im Dünndarm haben direkten Kontakt zum Darmlumen (open enteroendocrine cells).
 
1: Auch sie verfügen über Nahrungsstoff-Rezeptoren (orange), sowohl apikal als auch basolateral, und diese üben wohl die Hauptwirkung auf die Hormonsekretion aus

2: Die sezernierten Hormonmoleküle diffundieren durch die lamina propria in das Blut und gelangen so in den Kreislauf

3: Hormone und Nährstoffe gelangen aus dem Kreislauf zu den enteroendokrinen Zellen

4: Auch neuronale Impulse beeinflussen die Hormonproduktion

Als beim Menschen unter physiologischen Bedingungen sicher endokrin wirksam ("Verdauungshormone") gelten
 Gastrin,
Sekretin,
Cholecystokinin,
Motilin und
GIP (gastric inhibitory peptide).

Alle weiteren unten beschriebenen gelten als "Kandidaten" für eine physiologische Bedeutung als Hormon, die aber noch nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen ist (Stand 2019) - sie können
zumindest parakrin oder neurokrin, oder im pharmakologischen und/oder pathologischen Sinne wirksam sein. Zu solchen "putativen" Hormonen zählen Enteroglucagon (das zur Sekretinfamilie gehört), Peptid YY und pankreatisches Polypeptid.

Ghrelin wirkt als Hormon auf das Gehirn, indem es die Nahrungsaufnahme beeinflusst. Seine physiologische Bedeutung ist unklar, da eine
Beschädigung des Ghrelin-Gens das Hungergefühl nicht zu beeinflussen scheint.


Peptidhormone im gastrointestinalen System

Nach Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021
Hormon
Quelle
Ziel
Hauptwirkung
Cholecysto-
kinin
I-Zellen in Duodenum und Jejunum, Neurone in Ileum und Colon
Pankreas
Gallenblase
Anregung von Enzym-
sekretion und
Kontraktion
GIP
K-Zellen in Duodenum und Jejunum
Pankreas
Hemmung Flüssigkeits-
resorption
Anregung Insulin-
freisetzung
Gastrin
G-Zellen in Magenantrum
Belegzellen in Magen-
schleimhaut
Sekretion von H+
Gastrin-
releasing peptide *
Nervenfasern (Vagus)
G-Zellen in Magenantrum
Förderung der Gastrin-
freisetzung
Guanylin *
Ileum und Colon
Dünn- und Dickdarm
Steigerung der Flüssigkeits-
resorption
Motilin
Endokrine Zellen im oberen Verdauungs-
trakt
Ösophagus-
sphincter
Magen
 Duodenum
Anregung glattmuskulärer Kontraktionen
Neurotensin *
Endokrine Zellen im Gastrointestinal-
trakt
Glatter intestinaler Muskel
Vasoaktive Anregung der Histamin-
freisetzung
Peptid YY
Endokrine Zellen in Ileum und Jejunum
Magen



Pankreas
Hemmung vagal angeregter Säureproduktion

Sekretion von Enzymen und Flüssigkeit
Sekretin
S-Zellen im Dünndarm
Pankreas




Magen
Anregung der Bicarbonat- und Flüssigkeits-
produktion der Ausführungs-
gänge

Hemmung der Säure-
produktion
Somatostatin
D-Zellen in Magen und Duodenum, ∂-Zellen in Pankreas
Magen



Darm




Pankreas


Leber
Inhibition Gastrin-
freisetzung

Steigerung Flüssigkeits-
resorption, Hemmung Sekretion, Kontraktion glatte Muskulatur

Hemmung Sekretion endokrin / exokrin

Reduktion Gallenfluss
Substanz P
enterische Neurone
enterische Neurone Neuro-
transmitter
VIP
enterische Neurone

Dünndarm


Pankreas
Glattmuskuläre Relaxation, Steigerung Sekretion

Steigerung Sekretion

Gastrin-releasing peptide (GRP) ist ein regulatorisches Neuropeptid, Guanylin ein 15-AS-, Neurotensin ein 13-AS-Peptidhormon


Gastrin-Familie Sekretin-Familie Motilin-Familie Weitere GI-Hormone

Verdauungshormone sind Peptide; sie funktionieren über GPCR-Rezeptoren. Man teilt sie nach strukturellen Homologien in mehrere Gruppen ein:
 
Gastrin-Familie
  
Gastrin Cholecystokinin 
 
Zur Gastrin-Familie gehören die Peptidhormone Gastrin und Cholecystokinin (=Pankreozymin). Diese beiden Hormone weisen an ihrem C-Ende eine gleiche 5-Aminosäuren-Sequenz auf. Sie wirken über CCK-Rezeptoren und Gq-Proteine auf den Ca++- DAG- PKC-Signalweg.
  
Gastrin
 
Gastrin entsteht zu 60-70% in G-Zellen des Magenantrums und zu 30-40% in der Duodenalmukosa.
Es wird als Vorstufe gebildet und von der G-Zelle durch posttranslationale Verarbeitung (posttranslational processing) aufbereitet.
 
 
  Präprogastrin ist das primäre Transkript. Durch Sulfatierung und Enteroproteolyse entstehen
 
    Progastrine, die weiterer Endoproteolyse, sowie Ringbildung zu einem Pyroglutamylrest unterliegen;
 
    Gastrin-Zwischenformen (Intermediate) entstehen, und nach weiteren molekularen Modifikationen schließlich
 
    Gastrin, das (aus 17 Aminosäuren bestehend) biologisch aktiv (G-17) und vor Angriff durch zirkulierende Amino- und Carboxypeptidasen geschützt ist.

Die Gastrinfreisetzung wird durch Sinken des pH-Wertes im Magenantrum unter 3,5 gehemmt (negatives Feedback, Schutz vor Übersäuerung).

Bei Personen mit reduzierter Säurebildung (z.B. atrophische Gastritis) fällt dieser Hemm-Mechanismus weg, sie zeigen extrem hohe Gastrinwerte im Blut.


Gastrin
regt über den CCK-2-Rezeptor (Gastrinrezeptor) an Belegzellen die Säureproduktion und
an Hauptzellen die Produktion von Pepsinogen an,
stärkt die Kontraktionswellen im Antrum und
erhöht den Tonus des Kardiasphinkters (glatte Muskelzellen).

   Gastrin (Serum / Plasma, nüchtern)

<100 ng/l (pg/ml)
 

Abbildung: Verteilung enteroendokriner Zellen auf Magen, Dünn- und Dickdarm
Nach Steinert RE, Feinle-Bisset C, Asarian L, Horowitz M, Beglinger C, Geary N. Ghrelin, CCK, GLP-1, and PYY(3–36): Secretory Controls and Physiological Roles in Eating and Glycemia in Health, Obesity, and After RYGB. Physiol Rev 2017; 97: 411-63

Die Kategorisierung erfolgte ursprünglich nach histologischen Kriterien (I-Zellen für CCK, L-Zellen für Enteroglucagon und PYY usw). Diese Zellen produzieren einen Mix aus verschiedenen Hormonen



 

Die Freisetzung von Gastrin aus G-Zellen wird
 neuronal (parasympathische Fasern sezernieren neben Acetylcholin auch das Neuropeptid gastrin-releasing peptide GRP) und direkt durch Aminosäuren / kleine Peptide (als Produkte partieller Proteinverdauung), Milch sowie Calciumsalze angeregt,
durch niedrigen pH-Wert im Magen (<3,0) und endokrin (Somatostatin, Sekretin, GIP, VIP, Glucagon, Calcitonin) gehemmt.

Gastrin ist der wichtigste Reiz für die Sekretion von Magensaft. Es triggert die Freisetzung von Histamin aus enterochromaffinartigen (ECL-) Zellen und wirkt direkt auf Belegzellen.

  Näheres zu Gastrin s. dort

Cholecystokinin (CCK)
 
Cholecystokinin (CCK, Pankreozymin) wird von enteroendokrinen I-Zellen im Duodenum, Jejunum und oberen Ileum gebildet (Abbildungen). Es ist ein aus 33 Aminosäuren bestehendes Peptid mit struktureller Beziehung zu Gastrin (5 gleiche C-terminale Aminosäuren).

CCK wirkt
über CCK-1-Rezeptoren. Diese nutzen DAG-, Proteinkinase C - und Ca++- abhängige Signalwege. Azinuszellen im Pankreas werden indirekt angeregt: Sie haben keine CCK-Rezeptoren, im Gegensatz zu afferenten Faserrn des Vagus. An diesen löst CCK einen (cholinergen) vago-vagalen Reflex aus, der die Drüsenepithelzellen im Pankreas zur Absonderung enzymreichen Sekrets anregt ( s. dort).

     Bestandteile des Chymus, die infolge der CCK-Wirkung verdaut werden (Peptide, Aminosäuren, Fettsäuren) sowie niedriger pH-Wert regen seine Produktion an. Vor allem wirken langkettige Fettsäuren und Monoglyzeride anregend auf die CCK-Sekretion.
 
     Trypsin im Darm hemmt die CCK-Freisetzung, Plasma-CCK-Spiegel und Trypsinsekretion sinken (negative Rückkopplung).
  

Abbildung: Physiologie des CCK
Nach Steinert RE, Feinle-Bisset C, Asarian L, Horowitz M, Beglinger C, Geary N. Ghrelin, CCK, GLP-1, and PYY(3–36): Secretory Controls and Physiological Roles in Eating and Glycemia in Health, Obesity, and After RYGB. Physiol Rev 2017; 97: 411-63

Die Produktion von CCK (rote Punkte) aus enteroendokrinen Zellen (hellblau) des Dünndarms wird von allen Makronährstoffen angeregt (Rezeptoren an der apikalen Membran: orange). Das Hormon diffundiert über die lamina propria in Blutgefäße und erreicht so seine Zielorgane (rote Pfeile).
 
1: CCK ruft Sättigungsgefühl hervor - vielleicht via hormonelle Wirkung auf die Pylorusregion des Magens und von hier über vagale Afferenzen (grüner Pfeil) oder unmittelbar über neuronale Impulse, sowie über direke endokrine Wirkung auf das Gehirn
 
2: CCK dämpft die postprandiale Erhöhung des Blutzuckerspiegels über Beeinflussung der Magenentleerung und möglicherweise einen vago-vagalen Reflex
 
3: Die Magenentleerung wird durch CCK vermittels eines direkten endokrinen Effekts verlangsamt
 
Durchgezogene Linien: gesicherte Effekte; gestrichelt: postuliert

Wirkungen ( Abbildung): CCK
 
regt Cholecystokinin die Gallenblase (Fettemulsion durch gallensaure Salze) zur Kontraktion an (daher der Name) - sowohl durch direkten Einfluss auf die Gallenblasenmuskulatur, als auch indirekt über Aktivierung parasympathischer (N. X) Nervenfasern
verstärkt die Wirkung von Sekretin (Anregung der Bicarbonatsekretion auch bei niedrigen Sekretinspiegeln)
regt das Wachstum der Bauchspeicheldrüse an
verlangsamt die Magenentleerung - dadurch gewinnen die Verdauungsvorgänge im Duodenum Zeit - und hemmt die Salzsäurebildung (?)
regt die Enzymsekretion in der Bauchspeicheldrüse an (enzymatischer Abbau, daher der Name "Pankreozymin")
relaxiert den Sphincter Oddi (ampulla hepatopancreatica), wahrscheinlich über inhibitorische Neurotransmitter (NO)
regt die Darmmotorik an
reduziert die Salzsäureproduktion im Magen, indem es Gastrin vom CCKB-Rezeptor kompetitiv verdrängt.
 

Cholecystokinin wird im oberen Dünndarm gebildet und regt die Sekretion eines enzymreichen Pankreassaftes an
   
     CCK gehört zu den Verdauungshormonen, die auch außerhalb des gastrointestinalen Systems wirksam sind: Es wird in mehreren Gehirnregionen gebildet und beteiligt sich an der Regulierung von Nahrungsaufnahme (Sättigungssignal) und Energiehaushalt.
 
   CCK (Nüchternplasma)

<80 ng/l (stark methodenabhängig)
Biologische Halbwertszeit 2,5-5 Minuten
  
  Über CCK s. auch dort


Sekretin-Familie
  
Sekretin Glucagon GLP VIP GIP
  
Zur Sekretin-Familie zählen die Hormone Sekretin, Glucagon, die glucagonähnlichen Peptide GLP-1 und GLP-2, Enteroglucagon, sowie das vasoaktive intestinale Peptid (VIP). Ihre Rezeptoren wirken über Gs-Proteine und erhöhen den intrazellulären cAMP-Spiegel.
  
Sekretin
 
Sekretin stammt aus duodenalen und jejunalen S-Zellen. Es wird - ähnlich wie Gastrin - über mehrere Zwischenschritte aus einer Vorstufe (Präprogastrin) gebildet. Das fertige Hormon ist ein aus 27 Aminosäuren bestehendes Peptid.



Sekretin wirkt über Sekretinrezeptoren, welche cAMP-abhängige Signalwege nutzen. In der apikalen Membran der Ausführungsgang-Epithelzellen öffnen sich Chloridkanäle (CFTR-Kanäle), und neue werden (durch Exozytose CFTR-haltiger Vesikel) hinzugefügt. Chloridionen strömen daraufhin vermehrt lumenwärts (Wasser folgt osmotisch auf dem parazellulären Weg nach), Chlorid wird anschließend gegen Bicarbonat getauscht. Das Ergebnis ist die Bildung basischen Pankreas- und Gallensekrets.

Die Freisetzung des Sekretins wird durch duodenale pH-Werte unter 4,5 angeregt; der Blutspiegel steigt innerhalb weniger Minuten nach Ansäuerung des Duodenalinhalts (Passage sauren Mageninhalts in den Zwölffingerdarm) an. Sekretin erhöht die Bicarbonatbildung in Pankreas, Gallenblase und Dünndarm, hemmt die Gastrin-Sekretion im Magen, steigert im Magen die Mucinproduktion (verzögerte Magenentleerung), und regt die Sekretion von Somatostatin und Insulin an.
 
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckten und beschrieben Ernest H. Starling und William M. Bayliss das Sekretin und prägten den Begriff "Hormon" (von ὁρμᾶν = antreiben). 1902 untersuchten sie, inwieweit das Nervensystem Digestionsvorgänge steuert. Durchtrennung sämtlicher Nerven zum Pankreas resultierte nicht in einem Ausfall seiner physiologischen Regulation, woraus die Bedeutung endokriner Steuerung ("Verdauungshormone") ersichtlich wurde.


   Sekretin (Nüchternplasma)

12-75 ng/l (methodenabhängig)
Biologische Halbwertszeit ~4 Minuten
 
  Über Sekretin s. auch dort


Glucagon
 
Glucagon und glucagonähnliche Peptide (GLP) entstehen aus einem gemeinsamen Vorläufermolekül, dem Präproglucagon. Durch Proteolyse entstehen daraus Glucagon, GLP-1 und GLP-2. Prohormon-Konvertasen erzeugen zellspezifisch bestimmte Hormonmuster: Pankreatische α-Zellen Glucagon, L-Zellen im Darm GLP-1 und GLP-2.

Glucagon wird bei Abfall des Blutzuckerspiegels freigesetzt, es führt zu Glykogenolyse, Glukoneogenese aus Aminosäuren und Aktivierung von Lipasen (Steigerung des Fettsäurespiegels im Blut).


   Glucagon (Nüchternplasma / -serum)

50-150 ng/l (methodenabhängig)

  Mehr über Glucagon s. dort
  
GLP
 
GLP (Glucagonähnliche Peptide, glucagon-like peptides) aus L-Zellen in Dünndarm und Colon (Abbildungen) sind - wie GIP - Inkretine (insulinotrope Hormone). Sie wirken - über GLP-Rezeptoren - auf verschiedene Zielorgane und regen das Wachstum des Darms an.
 
Mehr zum Inkretineffekt s. dort

GLP-1 wird aus distalen Darmabschnitten (
Abbildung oben) 5-30 Minuten nach Nahrungsaufnahme freigesetzt, angeregt durch freie Fettsäuren und Glucose im Jejunum, teils über neuronale Stimulation, proportional zur aufgenommenen Kalorienmenge. In Ileum und Colon wirken freie Fettsäuren und Glucose direkt stimulierend.

GLP-1
regt die Insulinfreisetzung an - auch in Abwesenheit einer Hyperglykämie -,
verlangsamt die Magenentleerung,
fördert das postprandiale Sättigungsgefühl,
zügelt die Glukoneogenese (Leber) und
steigert die Insulinempfindlichkeit (Muskulatur).
GLP-1 stärkt Herztätigkeit und Knochenaufbau und wirkt trophisch auf endokrin aktive Zellen der Bauchspeicheldrüse (Langerhans-Inseln), vor allem ß-Zellen (möglicher Einsatz bei diabetischen Patienten).

GLP-2 (und PYY) werden zusammen mit GLP-1 sezerniert. GLP-2 hat keine insulinotrope Wirkung, bindet an einen eigenen GLP-2-Rezeptor und hat einen stark wachstumsfördernden Effekt auf den Darm.
 
 
Glucose im Darm steigert die Sekretion von GLP-1, dieses wirkt u.a. appetithemmend und regt die Sekretion von Insulin an
  
  Mehr über GLP s. dort

 VIP
 
VIP (vasoaktives intestinales Peptid) wird im Duodenum bei Anwesenheit von Fetten im Chymus freigesetzt, es relaxiert glatte Muskulatur in Magen und Darm, erhöht die Bildung bicarbonatreichen Sekrets in Pankreas, Leber und Darm und hemmt die Bildung von Magensäure. Es wirkt via NO vasodilatierend (daher der Name) und durchblutungsfördernd.

  VIP (Nüchternplasma)

<50 ng/l (<15 pM)
~10-fach höhere Werte im liquor cerebrospinalis

  Mehr über VIP s. dort
 
Glucoseinduziertes insulinotropes Peptid (GIP)
 
Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid, glucose-dependent insulinotropic polypeptide, früher gastric inhibitory peptide) besteht aus 42 Aminosäuren. Es wird von endokrinen K-Zellen in der Dünndarmmukosa als Reaktion auf die Anwesenheit von langkettigen Fettsäuren, Triglyzeriden, Glucose und Aminosäuren gebildet (z.B. Freisetzung von Inkretinen nach Glucoseaufnahme via SGLT1).

Wirkungen: GIP wirkt über GIP-Rezeptoren der ß-Zellen im Pankreas, die via Gs den cAMP-Spiegel heben. Es ist ein Inkretin (insulinotropes Hormon). GIP regt die Insulinausschüttung im Pankreas an, was erklärt, warum oral aufgenommene Glucose stärker insulinstimulierend wirkt als parenteral verabfolgte (Infusion) - ein Effekt, der lange bekannt, aber erst später erklärbar war: Inkretin-Effekt. Diese Wirkung tritt auf, sobald die Dünndarmmukosa mit dem Chymus in Berührung kommt - also schon bevor die Substratkonzentration (Glucose,..) im Blut ansteigt.
 
Mehr zum Inkretineffekt s. dort

Bei höherer Konzentration hemmt GIP die Säureproduktion im Magen und verzögert die Magenentleerung, deshalb die frühere Bezeichnung "gastrisches inhibitorisches Peptid". Dies ist als Schutzmechanismus für das Duodenum zu verstehen, das vor überhasteter Magenentleerung bewahrt wird: GIP hemmt nicht nur die Säureproduktion im Magen, sondern steigert auch die Sekretionstätigkeit im Dünndarm (Pufferung).
 
Motilin-Familie
 
Motilin Ghrelin
 
Zur Motilin-Familie gehören die Hormone Motilin unf Ghrelin. Ihre Rezeptoren sind an Gq-Proteine gekoppelt, sie aktivieren den Ca++- DAG- PKC-Signalweg.
  
Motilin
 
Motilin aus M-Zellen des Dünndarms wird gemeinsam mit Ghrelin ausgeschüttet. Es
ist ein 22-Aminosäure-Peptid, das aus dem 114-Aminosäuren-Präpromotilin entsteht. Der Motilinrezeptor ist ein GPCR, er nützt den Phospholipase-C-Signalweg.
 

     Die Freisetzung von Motilin wird gefördert durch steigenden pH-Wert (Alkalinisierung) im Dünndarm.
 
     Die Anwesenheit von - insbesondere saurem - Chymus im Dünndarm hemmt die Motilinbildung.

Motilin beschleunigt die Magenentleerung und löst sowohl in Magen als auch im Dünndarm interdigestive Bewegungen aus, beruhend auf seiner anregenden Wirkung auf den migrierenden Motorkomplex (MMC, myoelektrischer Komplex). Tatsächlich steigt in der interdigestiven (Nüchtern-) Phase die Motilinkonzentration im Blut alle 1-2 Stunden an (zyklische Freisetzung alle ~90 Minuten).
Motilin wird auch als "intestinaler Hausmeister" bezeichnet, da es die Kontraktionen in Fundus und Antrum des Magens sowie die Peristaltik im Dünndarm anregt und so den Darm "reinigt" - was auch das Aufsteigen von Bakterien aus dem Colon in den Dünndarm limitieren dürfte.
 
  Der Motilinrezeptor bindet auch das Antibiotikum Erythromyzin; dessen anregende Wirkung wird zur Behandlung verlangsamter Magenentleerung (Gastroparese, z.B. postoperativ oder bei Diabetes mellitus) genutzt.
Auch regt Motilin die Gallenblase zu Kontraktionen (Fettverdauung!) und den unteren Ösophagussphinkter zum festeren Verschluss an. Ferner stimuliert es die Pepsinproduktion und damit die Eiweißverdauung im Magen, sowie die Freisetzung von pankreatischem Polypeptid und Somatostatin.

  Motilin (Serum)

  16-28 pM (stark methodenabhängig)
  
Ghrelin
 
Das aus 28 Aminosäuren bestehende Peptidhormon Ghrelin stammt aus der Magenschleimhaut (Ghrelin-Zellen), dessen Blutspiegel bei leerem Magen ansteigt und nach dem Essen absinkt. Es wird zunächst als Präproghrelin gebildet, zu Ghrelin umgebaut und durch Ghrelin-O-Acyltransferase (GOAT) aktiviert. Ghrelin wird auch im nucleus arcuatus des Hypothalamus sowie im Duodenum gebildet.
  
Ghrelin wirkt über einen G-Protein-gekoppelten
Rezeptor, den growth hormone secretagogue receptor (GHSR). Sein Name stammt daher, dass Ghrelin zunächst als wachstumsfördernd galt (Growth Hormone RELease Inducing peptide); erst später erkannte man seine - am Hypothalamus appetitsteuernde - Hauptwirkung.
  
Ghrelin
regt das Hungergefühl an,
beschleunigt die Magenentleerung und
stimuliert die Freisetzung von Wachstumshormon.
 
Menschen, die am - genetisch bedingten - Prader-Willi-Syndrom leiden, haben eine gesteigerte Ghrelin-Produktion, was zu starkem Übergewicht führt.
 
Ghrelin-Zellen sind von "geschlossenen Typ", sie grenzen nicht direkt an das Lumen und werden vor allem durch neuronale Stimuli angeregt; sie verfügen aber auch über Nährstoffrezeptoren.

Andere endokrine Faktoren können Ghrelinzellen hemmen (CCK, PYY u.a.)


  Ghrelin (Serum)

200-600 ng/l
  s. auch dort
 
Sensorische Funktionen der Darmmukosa. Die  Abbildung zeigt an Hand des Beispiels der L-Zelle, wie spezielle Zellen in der Schleimhaut die Anwesenheit verschiedener Substanzen im Darmlumen detektieren.
 

Abbildung: Das gastrointestinale System als multipler Sensor - Beispiel L-Zelle
Nach Furness JB, Rivera LR, Cho H-J, Bravo  DM, Callaghan B. The gut as a sensory organ. Nature Rev Gastroenterol Hepatol 2013; 10: 729-40

L-Zellen in der Darmschleimhaut verfügen über Rezeptoren für freie Fettsäuren, Zucker, Peptone (Proteinfragmente) und Gallensäuren und setzen bei deren Anwesenheit in Darmlumen die Peptidhormone Oxyntomodulin, PYY, GLP-1 und GLP-2 frei. Diese wirken auf verschiedene Zellen: Enterozyten, Neurone in Darm (IPAN, vagale Afferenzen) und Gehirn (Hypothalamus), Lymphozyten, Gefäßwandzellen, Myofibroblasten.
 
GLP-1 bewirkt über vagale Afferenzen verzögerte Magenentleerung, reduzierte Sekretion, Anregung der Insulinfreisetzung (Pankreas) und Sattheit (Hypothalamus). L-Zellen verfügen außer nach außen gerichteten (Exterozeptoren) auch nach innen gerichtete Messfühler (Interozeptoren).
 
       Über Paneth-Zellen s. dort
 
  FFARs, free fatty acid receptors   GLP, glucagon-like peptide   IPAN, intrinsic primary afferent neuron    PYY, peptide YY


Die Antwort auf die Anwesenheit z.B. von Peptiden, Fettsäuren, Zuckermolekülen oder Gallensäuren ist die Freisetzung bestimmter Signalstoffe wie Oxyntomodulin, PYY, GLP-1 und GLP-2. Diese wirken ihrerseits auf andere Zellen ein, u.a. Nervenfasern.

So werden Muskelzellen, Blutgefäße, das Immun- und das Nervensystem (Gehirn) durch die Zusammensetzung des Chymus beeinflusst.

Vermutlich melden auch Dehnungsrezeptoren in Magen und Dünndarm die Anwesenheit von Chymus, ihre Reizung dürfte (über vagale Afferenzen) einen zentralen Sattheitseffekt (Hypothalamus) hervorrufen und weitere Nahrungsaufnahme hemmen.
 
Weitere Hormone des Gastrointestinaltrakts
   
 
   Somatostatin Cortistatine Oxyntomodulin PYY PP
   
Somatostatin
 

Somatostatin (STH) wird aus δ- (D-) Zellen des Magens (Antrumbereich), anschließendem Dünndarm, sowie Pankreas freigesetzt in Reaktion auf
 
     Gastrin sowie
 
     niedrigen pH-Wert im Magen.

Somatostatin ist kurzlebig (Halbwertszeit 1-3 Minuten); es hat breite inhibierende Wirkung (auch auf seine eigene Sekretion), u.a. hemmt es - in parakriner Weise -
 
     die Kontraktion der Gallenblase
 
     die Salzsäurebildung des Magens (direkt über Wirkung an Belegzellen, und indirekt durch Hemmung der Histaminausschüttung von ECL-Zellen)
 
     die Sekretion von Gastrin und anderen Hormonen, wie Insulin, Glucagon, Somatotropin (geeignet zur Therapie der Akromegalie), Prolaktin
 
     die Sekretion von Verdauungsenzymen aus Magen (Pepsinogen) und Bauchspeicheldrüse.

  Mehr über Somatostatin s. dort
  
 Cortistatine
 
Cortistatine (die aus dem 105-AS-Peptid Präcortistatin freigesetzten Neuropeptide Cortistatin-17 und Cortistatin-29) werden von inhibitorischen Neuronen in der Großhirnrinde gebildet. Biologisch aktiv ist Cortistatin-17; es wirkt an Rezeptoren im limbischen System (Mandelkerne, Hippocampus) sowie im Kortex und hat schlaffördernde Wirkung. Es bindet an Somatotropinrezeptoren und scheint cholinerge Übertragungen zu hemmen (STH hat ebenfalls inhibitorische Wirkung auf neuronale Aktivität).

  Mehr über Cortistatine s. dort
       
Oxyntomodulin
 

Oxyntomodulin (OXM) ist ein intestinales Peptidhormon (37 Aminosäuren) aus intestinalen L-Zellen ( Abbildung oben), das den Energieumsatz sowie das Sättigungsgefühl fördert (den Appetit unterdrückt); damit könnte es als hungerdämpfendes Medikament eingesetzt werden. Der Mechanismus seiner Wirkung ist unklar, ebenso ob es eigene Rezeptoren nutzt oder (mur) über GLP-1- bzw. Glucagonrezeptoren wirkt.
   
Peptid YY
 

Peptid YY (PYY - benannt nach der Tatsache, dass sich sowohl am N- als auch am C-Terminus die Aminosäure Tyrosin befindet) wird bei Anwesenheit von Fetten aus neuroendokrinen Zellen in Ileum und Colon freigesetzt (Abbildungen).
 
PYY bindet an Y-Rezeptoren am nucleus arcuatus des Hypothalamus sowie in der Peripherie. Vermutlich bremst es Nahrungsaufnahme, Magensekretion und -entleerung sowie die Sekretion des Pankreas (dadurch qualifiziert es als ein Enteogastron). Erhöhung der Kontaktzeit des Chymus verbessert dessen Verdauung.

 
PYY wirkt außerdem vasokonstriktorisch.

  PYY (Serum)

bis 100 pM (methodenabhängig)

  Über PYY s. auch dort
   
Pankreatisches Polypeptid (PP)
 
Pankreatisches Polypeptid (PP) stammt aus speziellen Inselzellen (PP- oder F-Zellen) des Pankreas (>97%) und des Duodenum. Seine Freisetzung wird durch eiweißreiche Nahrung, aber auch Triglyzeride und Glucose sowie Vagusreizung stimuliert. Es wirkt über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren und
hemmt die Sekretion exokriner pankreatischer Bicarbonat- und Enzymsekretion,
relaxiert die Gallenblase und
regt den intestinalen Transport an.

Im Blut kommt es in mehreren Formen vor (PP 1-36, PP 3-36 etc).


  PP (EDTA-Plasma)

50-300 ng/l (tageszeitlich stark schwankend)

Über GRP (Gastrin releasing peptide) s. dort
 
Über CGRP (Calcitonin gene-related paptide) s. dort
  
Synopsis
: Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht der wichtigsten anregenden und hemmenden gastrointestinalen Hormone, ihrer Entstehungs- und Wirkorte sowie Freisetzungsreize:
 
Hormon / Wirkstoff
Syntheseort
Hauptwirkung(en)
Reiz für die Freisetzung
hauptsächlich stimulierend
CCK
I-Zellen
(Duodenum / Jejunum)
Gallenblasenkontraktion
Sekretion pankreatischer Enzyme
Verzögerung Magenentleerung
Anorexigene Wirkung (ZNS)
Freisetzung von Sekretin
Im Duodenum: Peptide
Aminosäuren
Glucose
Fettsäuren
Gastrin
G-Zellen
(Antrum des Magens)
Sekretion von Salzsäure
Sekretion von Pepsinogen, Pankreassaft, Galle
Tonus Kardiasphinkter
Antrummotilität, Peristaltik
D-Zellen, histaminproduzierende ECL-Zellen
Vagusaktivität
Dehnung Magenwand
GRP
Peptide im Magen
Histamin
ECL-Zellen
(Magen)
Sekretion von Salzsäure Vagusaktivität
Gastrin
GLP-1, GLP-2
L-Zellen
(Ileum, Colon)
Trophische Effekte (Inselzellen, Darm)
Im Darm: Freie Fettsäuren, Glucose
Motilin
M-Zellen
(Jejunum)
Magenentleerung
Migrating motor complex (MMC)
Gallenblase
Im Duodenum:
Niedriger pH-Wert
Fettsäuren
Sekretin
S-Zellen
(Duodenum / Jejunum)
Sekretion von Bicarbonat
Sekretion von Pepsinogen
Verzögerung Magenentleerung
Duodenum: pH < 4
Vagusaktivität
Gallensaure Salze
CCK
hauptsächlich inhibierend
Somatostatin
D-Zellen
(Magen / Dünndarm)
- Kontraktion Gallenblase
- Salzsäurebildung Magen
- Sekretion von Gastrin, Insulin, Glucagon, Somatotropin, Prolaktin
- Sekretion von Verdauungsenzymen
Im Duodenum:
pH < 2-3
Fettsäuren
Peptide / Aminosäuren
GIP
K-Zellen
Duodenum / Jejunum)
- Sekretion von Salzsäure
- Motilität des Magens
Anregung der Insulinsekretion (Inkretineffekt)
Im Duodenum:
Glucose
Fettsäuren
Peptide

 
Der Gastrointestinaltrakt ist ein Sinnesorgan
 
Afferenzen vom Darm (sensorische Neuronen) melden Dehnungs-, chemische und Schmerzreize an prävertebrale Ganglien und ZNS.

      Sie bilden einerseits afferente Schenkel viszeraler Reflexe,
 
      andererseits führen sie zu bewussten Empfindungen (wie Übelkeit, Stuhldrang, Schmerz - viszerosensible Afferenzen).

Die intrinsisch afferenten Fasern aus dem Darm sind cholinerg.



Abbildung: Afferenzen aus dem Darm zum  Zentralnervensystem
Nach einer Vorlage in jonlieffmd.com

Vagus: N. X; Spinalnerven vgl. dort

IPAN, Intrinsic primary afferent neuron, sensorisches Neuron im Meissner-schen Plexus


Efferenzen zum Darm  modulieren das Darmnervensystem nach Maßgabe der Situation des gesamten Organismus. So reduziert z.B. physische Belastung die Aktivität und Perfusion des Darms (Sympathikuseffekt), umgekehrt fördert der Parasympathikus die Darmtätigkeit (MotorikSekretion, Resorption, Perfusion, endokrine Aktivität).

Der Vagusnerv fördert (parasympathisch) Transport- und Sekretionsvorgänge; der Sympathikus wirkt auf Darmmotorik und Sekretion im Allgemeinen hemmend und tonisiert die Schließmuskeln.
 
Näheres über das Darmnervensystem s. dort
 



Malassimilation bedeutet eine Beeinträchtigung der Nahrstoffausnutzung im Darm. Sie kann verschiedene Ursachen haben: Maldigestion nennt man eine gestörte Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen (Enzymmangel, Enzymdefekt). Von Malabsorption spricht man, wenn die Aufnahme der Nahrungsstoffe in die Schleimhaut und weiter in Blut- bzw. Lymphbahn nicht richtig funktioniert.
 
Zöliakie
 
Ein bedeutsames Beispiel für Malabsorption ist die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie ), die im Rahmen einer Typ IV-Hypersensitivität auftritt ( s. dort): Es handelt sich um eine Überempfindlichkeit gegen Bestandteile von Klebereiweiß (Gluten), das in vielen Getreidesorten vorkommt. Fast alle betroffenen Personen zeigen ein bestimmtes HLA-Muster (HLA-DQ2 oder HLA-DQ8-Allel).


Abbildung: Stadien der Zoeliakie im Jejunum
Nach einer Vorlage bei Wikipedia

Klassifikation nach Michael N. Marsh. Die Hyperplasie im Stadium 2 bezieht sich auf die Lieberkühnschen Krypten


Die Entzündung der Dünndarmschleimhaut kann mit weitgehender Zerstörung der Darmepithelzellen einhergehen (Stadieneinteilung s. Abbildung). Folge ist eine gestörte Resorption von Nahrung.

Bei betroffenen Kindern macht sich eine verlangsamte körperliche Entwicklung bemerkbar; allgemeine Symptome sind Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, Durchfall, Erbrechen, auch neurologisch-psychiatrische Zeichen (Müdigkeit, Depression). Zur Behandlung wird glutenfreie Diät verwendet.
 

 
      Assimilation ist die Summe der digestiven und absorptiven Vorgänge im Darm. Sie erfolgt intraluminal (Verdauung im Darmrohr), im Bürstensaum (Mikrovilli), intrazellulär (Spaltung und Transport) und durch die Basolateralmembran (aus der Mukosazelle zum Kreislauf). Die Verweildauer des Chymus beträgt im Magen bis zu 3, im Dünndarm bis zu 7, im Dickdarm bis zu 70 Stunden, die Summe heisst Passagezeit (1-3 Tage)
 
      Die Resorptionsoberfläche ist durch makroskopische (mal ~3: Kerckring-Falten, Lieberkühn-Krypten), mikroskopische (Darmzotten: mal ~10) und ultramikroskopische Auffaltungen (Bürstensaum: mal ~20) auf ~200 m2 vergrößert. Darmzotten kontrahieren sich regelmäßig (Blut- und Lymphströmung), der arterielle Druck entfaltet sie wieder (stempelartige Relativbewegungen zum Chymus). Stammzellen aus den Krypten bilden fortlaufend Ersatz für abgeschilfertes Epithel (turnover time 3-6 Tage)
 
      Lymphatische Organe des gastrointestinalen Trakts befinden sich im Rachenraum, Dünn- und Dickdarm. Das darmassoziierte lymphatische Gewebe (GALT) beinhaltet 5-mal mehr Lymphozyten als das Blutvolumen. Es hindert Keime an der Passage in den Körper durch intakte Darmmukosa und Sekrete (Magensäure, Mukus). Microfold- (M-) Zellen in den Peyerschen Plaques nehmen Mikroorganismen auf und reichen sie an Makrophagen, antigenpräsentierende Zellen und Lymphozyten weiter. ECL-Zellen bilden Histamin, Paneth-Zellen Defensine, Becherzellen Mucin, Plasmazellen IgA. Rezeptorbestückte Epithelzellen (Toll-like, NOD-like etc) wehren Pathogene ab und limitieren Entzündungsreaktionen. Dazu wirken dendritische Zellen und Makrophagen der lamina propria homöostatisch; regulatorische T-Zellen limitieren Entzündungsreaktionen
 
      Magensäure tötet die meisten Bakterien ab; im Duodenum finden sich ~103, im Jejunum ~104, im Ileum ~107, im Colon ~1012 Mikroorganismen pro Gramm Darminhalt. Das gesamte Mikrobiom des Darmes wird auf ~1014 Zellen geschätzt (~103 verschiedene Spezies). Plasmazellen im Darm produzieren 2 g IgA pro Tag (~10% der gesamten Plasmaeiweißsynthese, ~65% der gesamten Immunglobulinproduktion). Enterozyten präsentieren Antigene an T-Lymphozyten (ohne diese zu aktivieren) und beeinflussen dendritische Zellen. Immunantworten können in der Darmschleimhaut aktiv unterdrückt werden, wird diese Toleranz durchbrochen, können Nahrungsmittelallergien auftreten
 
      Die Durchblutung des Verdauungssystems beträgt 1,5-2,0 l/min - 1,3 l/min aus der Pfortader. Die Steuerung erfolgt über Nerven des Splanchnikussystems. Ergotrope Reaktionslage führt zu Vasokonstriktion, verminderter Durchblutung und Entspeicherung von Blut aus venösen Gefäßnetzen - Blut wird mobilisiert, der venöse Rückstrom verbessert und die Vorlast des Herzens erhöht, was Herzminutenvolumen und arteriellen Druck zu stabilisieren hilft (Blutreserve)
 
      Hormonproduzierende Zellen in den Schleimhäuten bilden ein "diffuses neuroendokrines System" - sie reagieren auf entsprechende Reize (mechanisch, chemisch, neurokrin) und sezernieren über ihre basolaterale Membran Hormone, die über den Kreislauf Sekretion, Resorption, Motorik, Hormonbildung und Wachstum des Gastrointestinaltrakts beeinflussen. Viele sind identisch mit Neurotransmittern. Hormonbildende Zellen sind meist vom "offenen" Typ, sie registrieren mittels apikaler Rezeptoren und Ionenkanälen Stoffe im Darmlumen; "geschlossene" werden parakrin, neuronal oder endokrin gesteuert. Als sicher physiologisch wirksam gelten Gastrin, Sekretin, Cholecystokinin, Motilin und GIP. Zahlreiche weitere gelten als Kandidaten für eine physiologische Bedeutung (putative Hormone) - sie können parakrin oder neurokrin, im pharmakologischen oder pathologischen Sinne wirksam sein
 
      Gastrin aus G-zellen (2/3 Magenantrum, 1/3 Duodenum) regt die Bildung von Salzsäure im Magen an, indem es Belegzellen stimuliert und die Freisetzung von Histamin aus ECL-Zellen anregt. - Cholecystokinin (CCK) stammt aus I-Zellen in Duodenum, Jejunum und oberem Ileum; diese reagieren auf die Anwesenheit von Fettsäuren, Aminosäuren, Peptiden im Chymus. CCK regt das Pankreas zur Absonderung enzymreichen Sekrets und die Gallenblase zur Kontraktion an, relaxiert den Sphincter Oddi, ruft Sättigungsgefühl hervor, verlangsamt die Magenentleerung. - S-Zellen (Duodenum, Jejunum) bilden Sekretin, wenn der Chymus im Dünndarm sauer (pH<4,5) ist; es regt die Sekretion basischen Pankreas- und Gallensekrets an, hemmt die Gastrinsekretion, steigert die Mucinproduktion, und regt die Sekretion von Somatostatin und Insulin an
 
      M-Zellen im Dünndarm setzen Motilin bei Alkalinisierung des Darminhalts frei. Es beschleunigt die Magenentleerung und löst interdigestive Motorik aus (zyklische Freisetzung alle ~90 Minuten), regt Fundus und Antrum des Magens sowie die Peristaltik im Dünndarm an, "reinigt" den Darm (MMC: migrierender Motorkomplex, myoelektrischer Komplex) und regt den unteren Ösophagussphinkter zum festeren Verschluss an. - Glucoseinduziertes insulinotropes Peptid (GIP) wird aus K-Zellen im Dünndarm bei Anwesenheit von langkettigen Fettsäuren, Triglyzeriden, Glukose und Aminosäuren freigesetzt, regt die Insulinausschüttung an (Inkretin-Effekt), verzögert die Magenaktivität (frühere Bezeichnung "gastric inhibitory peptide") und steigert die Sekretionstätigkeit im Dünndarm (Pufferung)

      Der Gastrointestinaltrakt ist ein Sinnesorgan (Dehnungs-, chemische und Schmerzreize; intrinsisch afferente Fasern aus dem Darm sind cholinerg) und wird autonom-nervös versorgt. Efferenzen zum Darm können Durchblutung und Darmtätigkeit hemmen (Sympathikus) oder Motorik, Sekretion, Resorption, Perfusion und endokrine Aktivität fördern (Parasympathikus)
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.