Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
Ernährung und Verdauungssystem
Sekretion im Gastrointestinalen System; Speichelbildung
© H. Hinghofer-Szalkay
Amylase: ἄμυλον = Stärke, Kraftmehl
chorda tympani: "Paukensaite"
Chymus: χυμός = Saft
Diarrhoe: διά = durch, ρέω = fließen
Muzin: mucus = Schleim
nucleus salivatorius: nucleus = Kern, saliva = Speichel
Ptyalin: πτύω = spucken
Xerostomie: ξηρός = trocken, στόμα = Mund
Sekrete des gastrointestinalen Systems haben zahlreiche Funktionen: Sie schützen die Schleimhäute in Mund, Nase, Magen und Darm (protektive Glykoproteine), erhöhen die Gleitfähigkeit (Muzine), haben Abwehrfunktion (Lysozym, IgA), verdünnen und puffern den Chymus, steigern die Löslichkeit von Fetten (Gallensäuren)
und beteiligen sich an der enzymatischen Aufschließung der Nahrung.
Der Großteil der sezernierten Flüssigkeitsmenge (~7 l/d) wird
rückresorbiert; die Resorption von Wasser ist osmotisch an diejenige
von Salz gekoppelt.
Der basale Speichelfluss beträgt 0,3-0,4 ml/min, die maximale Speichelsekretion kann bis zehnfach ansteigen (2-4 ml/min); 1-2 Liter Speichel werden pro Tag gebildet.
Speichel enthält u.a. Schleimstoffe für Schutz und Gleitfähigkeit,
antimikrobielle Stoffe, Wachstumsfaktoren, Hormone, Amylase und Lipase
sowie Elektrolyte. Mangelnde Speichelsekretion trocknet die Mund- und
Rachenschleimhaut aus und bewirkt bakterielle Überwucherung,
Pilzbewuchs und Schluckstörungen.
Der Salivationsreflex wird über Afferenzen von Geschmacks-, Geruchs-, Mechano-, Thermo- und
Chemosensibilität ausgelöst. Reflexzentrum ist der nucleus tractus solitarii, er
koordiniert Speichelfluss, Kau- und Schluckbewegung und beeinflusst hormonelle Begleitvorgänge.
|
Der
Verdauungsapparat produziert mit 6-8 Litern täglich ein Mehrfaches der
Flüssigkeitsmenge, die wir in der selben Zeit zu uns nehmen (Speichel,
Magen- und Darmsekrete). Diese Sekrete dienen der Verdünnung und
Aufbereitung der aufgenommenen Nahrung; zusammen mit der in Getränken
und Speisen enthaltenen Flüssigkeit werden sie im Darm resorbiert, nur
ein kleiner Teil wird mit dem Stuhl ausgeschieden. So bilden sie einen
Teil der noch viel größeren Flüssigkeitsmenge, die von den Nieren
umgesetzt wird (150-200 l/d). Bei all den beteiligten
Austauschvorgängen (Wasser, Elektrolyte) wird die osmotische
Konzentration der Körperflüssigkeiten sehr genau reguliert.
6-8 Liter Sekret pro Tag: Von Speichel bis Dickdarmsaft
Die
Flüssigkeitsmenge, die jeden Tag vom Darm verarbeitet wird, übersteigt bei weitem die Zufuhr von außen: Denn zur Aufnahme per os (~2
Liter pro Tag) kommt die in das Verdauungssystem sezernierte Flüssigkeit. Pro Tag werden etwa 6-8 Liter Verdauungssekret gebildet: 0,5-1,5 l
Speichel, 2 l Magensaft, bis zu 2 l Pankreassekret, 0,5-1 l
Gallensaft und 1-2 l Dünn- und Dickdarmsekret.
Abbildung: Ionentransport in der basolateralen und apikalen Membran epithelialer Zellen entlang des Verdauungssystems
Nach Seifter JL, Chang HY. Extracellular Acid-Base Balance and Ion Transport Between Body Fluid Compartments. Physiology 2017; 32: 367-79
Zur
Erhaltung des intrazellulären pH dienen ähnliche Mechanismen - teils
wird das Sekret angesäuert (Magen: Belegzelle), teils alkalinisiert
(Speicheldrüse, Pankreas). Dabei wird das Interstitium um die Zelle
umgekehrt alkalinisiert bzw. angesäuert.
Die
basolaterale Seite der Epithelzelle grenzt an Interstitium und Blut, die
apikale an das Lumen (Drüse, Darminhalt, Galle)
Über Ionenkanäle (z.B. ENaC), Pumpen, Symport- und Antiportmechanismen s. dort
Für
den Transport von Natrium-, Kalium-, Wasserstoff-, Chlorid- und
Bicarbonationen in bestimmte Richtungen (je nach örtlichem Bedarf)
dienen Transportsysteme, die jeweils an der apikalen und der
basolateralen Membran der Epithelzellen unterschiedlich verteilt sind
( Abbildung).
Schlussleistensysteme schränken dabei einerseits den Austausch der Transportproteine zwischen diesen beiden Membrankompartimenten ein, andererseits die parazelluläre Diffusion von Ionen - diese sollen sich ja kontrolliert durch die Zellmembran bewegen.
Ergebnis sind bestimmte Ionenkonzentrationen in den Sekreten, die u.a.
im pH-Wert stark unterscheidlich sein können (basisches Speichel- und
Pankreassekret, saurer Magensaft).
Die Funktionen dieser Sekrete sind vielfältig:
Abbildung: Mucinmolekül
Nach einer Vorlage bei sigmaaldrich.com / Mucins, Glycosylated Proteins, Properties & Diagram
Mucine
sind intensiv glykosylierte Proteine. Die Glykosylierung macht sie
resistent gegen Proteolyse, verleiht ihnen gelartige Eigenschaften und
befähigt sie, viel Wasser zu binden. Ihr hoher Gehalt an Cystein
ermöglicht intermolekulare Querbrückenbildungen. An der Zellmembran
können sie rezeptorähnliche Komplexe bilden, mittels derer sie
Kohlenhydrate binden
Gleitfähigkeit durch Muzine
( Abbildung), das sind Glykoproteine, welche auf Grund ihres Kohlenhydratreichtums
viel Wasser binden, dadurch vor proteolytischem Abbau geschützt sind. Sie wirken protektiv und haben Barrierefunktion. Das zentrale
Protein ist durch Polysaccharid-Seitenketten resistent z.B. gegen
Säuren.
Muzine sind das Produkt von Becherzellen (goblet cells). Sie schützen Schleimhäute in Mund, Nase,
Magen, Darm, aber auch Augen, Luftwegen, Urogenitaltrakt. Man findet sie auch in Sehnen und Knorpeln
Verdünnung (osmotische Pufferung)
Veränderung des Säurewertes (Magen, Bauchspeicheldrüse)
Abwehrfunktion (Lysozym, IgA - Abbildung)
Löslichkeit (Gallensäuren)
enzymatische Aufschließung der Nahrung (Eiweiß, Fette, Kohlenhydrate,
Nukleinsäuren, ..).
Abbildung: Schutzfunktionen von sekretorischem Immunglobulin A
(sIgA) und sekretorischer Komponente (SC) in der Mukosa des Darms
1: Plasmazellen in der lamina propria bilden polymeres sIgA,
das rezeptorvermittelt durch die Darmschleimhautzelle befördert wird
(Transzytose) und Antigene auf Viren, Bakterien, Toxinen u.a. bindet -
dadurch soll deren Durchtritt durch die Schleimhaut verhindert werden
2: Polymeres sIgA bindet in der lamina propria an Immunkomplexe und inaktiviert diese
3: Die rezeptorvermittelte Beförderung von Immunkomplexen kann mit der Assemblierung von Viren im Golgi-.Apparat interagieren
4: Freie sekretorische Komponente im Darmlumen kann Toxine und Adhäsine neutralisieren
5: sIgA befördert die Aufnahme von Pathogenen in lymphatische Zellen; M-Zellen präsentieren diese an dendritische Zellen, was (über Interleukine) Helfer- oder regulatorische T-Zellen (Th2, Treg) zu entsprechenden Reaktionen anregt
Täglich werden ≥7 Liter Wasser (aus Getränken und Speisen, Speichel,
Magen-, Darm-, Pankreas- und Gallensekreten) im Darm resorbiert; mit dem
Stuhl werden nur ca. 0,2 Liter Wasser pro Tag ausgeschieden (sofern dieser feste Konsistenz hat).
Die Resorption von Wasser
ist (osmotisch) an diejenige von Salz gekoppelt; Störungen der
Salzresorption führen daher zu Wasserverlust und Durchfall (Diarrhoe ).
Die
Sekretionsvorgänge werden durch lokale (Zusammensetzung des Chymus ) /
metabolische / hormonelle (Verdauungshormone) sowie neuronale Einflüsse
(Darmnervensystem, Parasympathikus, Sympathikus) gesteuert und
koordiniert. Die Speichelsekretion wird in der Pons durch den VII. Hirnnerv mit seinem nucl. salivatorius
koordiniert, die Sekretion im Darm wird vom N. vagus beeinflusst, die
Vorgänge im Enddarm durch sakrale parasympathische Zentren.
Die Durchblutung der Darmwand wird entsprechend den
sekretorischen Notwendigkeiten (Nachschub von Wasser, Elektrolyten etc.) gesteigert.
Ein wichtiger Kontrollpunkt ist der Übergang vom Magen zum Doudenum.
Gelangt z.B. hyperosmolarer Mageninhalt in den Dünndarm, wird
reflektorisch dünnflüssiges Sekret gebildet, um die Osmolarität
anzugleichen. Sekretion mehrerer Hormone steuert die Magentätigkeit
einerseits, die Bildung von Pankreas- und Dünndarmsekret andererseits.
Ist etwa saurer Mageninhalt in den Zwölffingerdarm gelangt, wird die
Aktivität der Belegzellen gehemmt (geringere Salzsäureproduktion) -
abnehmende parasympathische Anregung, weniger Gastrin (GIP, VIP) - und die Bildung bicarbonatreichen Bauchspeicheldrüsensafts angeregt (mehr Sekretin).
Anstieg
der Osmolarität und Absinken des pH im duodenalen Chymus regen u.a. die
Sekretion von Sekretin, GIP und VIP an; Wasser verdünnt, Bicarbonat
puffert den Chymus
|
Speicheldrüsen
1904 erhielt Iwan Petrowitsch Pawlow
den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin "in Anerkennung seiner
Arbeit über die Physiologie der Verdauung, die das Wissen über
wesentliche Aspekte dieses Bereichs verbessert und erweitert hat".
Pawlow konnte zeigen, dass der Spichelfluss schon aufgrund bestimmter
(konditionierender) Reize aktiviert werden kann, noch bevor Futter zu
sehen oder im Maul war (kephale Phase der Verdauung). Später hat Pawlow
auch Beobachtungen gemacht (Morphium- vs. Kochsalzinjektion), welche
als Grundstein zur Erforschung des Placebo- / Nocebo-Effekts gelten.
Speicheldrüsen sind ähnlich aufgebaut wie das Pankreas.
Azinuszellen
produzieren einerseits Amylase, andererseits Muzin-Glykoproteine;
mengenmäßig führend ist die Sekretion einer isotonen Elektrolytlösung,
die bei entsprechender Anregung den Hauptanteil (
~90%) des Speichels ausmacht.
Die
Ausführungsgänge bilden ein hypotones Sekret, angereichert mit Kalium und Bicarbonat. Sie resorbieren Na
+ und Cl
- und sezernieren (in geringerem Ausmaß) K
+ und HCO
3-. Das Muster der Elektrolyte im fertigen Speichel hängt stark von der Flußrate ab (s.
unten).
Abbildung: Organisation der Speicheldrüsen
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Die Azini bilden einen plasmaisotonen Primärspeichel,
dessen ionale Zusammensetzung weitgehend diejenige des Blutserums
widerspiegelt. Chlorid wird basolateral über einen Na/K/2Cl-Cotransporter in die Zelle geschleust (furosemidhemmbar), und Cl- verlässt über einen (regulierbaren: cAMP, Ca++) apikalen Chloridkanal die Zelle. Na+ strömt mit H2O parazellulär nach.
Azinäre Epithelzellen sind von einer unizellulären Lage myoepithelialer Zellen umgeben (nicht dargestellt). Diese sind - ähnlich wie in der Brustdrüse oder im exokrinen Teil der Bauchspeicheldrüse - kontraktil, können die Azini während der Salivation stabilisieren und das Auspressen des Primärspeichels unterstützen.
End- (acinar duct) und Schaltstücke (intercalated duct) leiten den Primärspeichel an die Streifenstücke (striated duct) weiter. Diese modifizieren den Speichel: Kaliumbicarbonat
wird aktiv sezerniert, Natrium aktiv resorbiert, Chlorid wandert passiv
nach - vor allem bei niedriger Flussrate (lange Kontaktzeit).
Fazit: Kochsalz wird resorbiert, Wasser folgt kaum nach (geringe H2O-Permeabilität von Zellen und parazellulären Spalten); Ruhespeichel ist stark verdünnt (hypoosmolar)
Gut 70% des Speichels stammen aus den Unterkieferspeicheldrüsen (
gll. submandibulares) mit sowohl serösen als auch muzinösen Drüsenzellen,
etwa 25% aus den Ohrspeicheldrüsen (
gll. parotis), die rein seröse, enzymreiche (Ptyalin!) Flüssigkeit bilden;
nur wenige % aus den Unterzungenspeicheldrüsen (
gll. sublinguales), die zähflüssiges (muzinreiches) Sekret absondern.
Darüber hinaus existieren kleine Speicheldrüsen in der Schleimhaut des
Gaumens, der Wangen, Lippen und der Zunge, die eine "Grundversorgung"
dieser Epithelien mit Sekret bewerkstelligen.
Speichel
befeuchtet den Mundraum, löst mechanisch zerkleinerte Nahrung und
erleichtert das Kauen, Schlucken und Sprechen. Er ermöglicht das
Schmecken, da Geschmacksrezeptoren nur in flüssigem Milieu funktionieren. Er enthält immunologisch relevante Stoffe wie IgA und Lysozym (s. unten). Er enthält Muzine (s. oben), welche von spezialisierten Epithelzellen in den Speicheldrüsen sezerniert werden und die Gleitfähigkeit der Nahrung erhöhen.
Pufferfunktion: Der
basische Speichel hilft den sauren
Magensaft zu neutralisieren, der
gelegentlich in die Speiseröhre gelangt (physiologischer
gastro-ösophagealer Reflux). Dadurch wird die Schleimhaut in der
Speiseröhre geschützt, zumindest solange die Pufferkapazität nicht
überschritten wird.
Die
Ohrspeicheldrüsen bilden außerdem Ptyalin , eine Amylase (stärkespaltendes Enzym),
das mit der Nahrung verschluckt wird und im Magen weiterwirkt, solange
das Verschluckte nicht zu intensiv der Salzsäure des Magens ausgesetzt ist. Amylase wird vor allem in der Ohr- und Unterkieferspeicheldrüse gebildet.
Auch enthält Speichel Zungengrundlipase,
die auch im sauren pH-Bereich aktiv ist und daher im Magen weiterwirkt
(zusammen mit der Magenlipase übernimmt sie 15-30% der Fettaufspaltung).
Eine erwachsene Person
bildet pro Tag 0,5 - 2,0 Liter Speichel. Der basale Speichelfluss
(ohne reflektorische Stimulierung: wichtig u.a. für die Befeuchtung der Mundhöhle) beträgt
0,3-0,6 ml/min, der maximale Speichelfluss kann bis zum Zehnfachen
ansteigen (2-4 ml/min, angeregt u.a. durch Kinine).
Die Durchblutung
der Speicheldrüsen ist enorm - vergleichbar derjeniger maximal aktiver
Muskulatur, das ermöglicht die Bildung von Speichelmengen, die in
Relation zum Drüsenvolumen sehr hoch sind. Speicheldrüsen können ihr
Eigengewicht an Sekret in einer Minute produzieren - unter der Wirkung parasympathischer Fasern, die aus ihren Varikositäten Acetylcholin, VIP und Substanz P abgeben (präganglionäre Fasern ziehen über die chorda tympani).
Azinus-Epithelzellen
sezernieren Kochsalz in das Lumen, Wasser strömt - osmotisch
angetrieben - nach, erleichtert durch Aquaporin 5 in
ihrer Zellmembran. Das Ergebnis ist ein plasmaisotones Primärsekret.
Die Zellen der Ausführungsgänge bauen das Sekret dann um: Insbesondere
resorbieren sie Kochsalz und sezernieren Muzin, einige Enzyme, und etwa
Kaliumbicarbonat. Das Ergebnis ist ein verdünntes Sekret mit relativ
wenig Natrium und relativ viel Kalium.
Azinuszellen haben im Bereich ihres apikalen Pols zahlreiche sekretorische Vesikel
(elektronendichte Granula), in denen sie Proteine speichern und die auf
neurohumoralen Anreiz hin in den Speichel freisetzen. Die
Ohrspeicheldrüsen (gl. parotis) sezernieren auf diesem Wege Amylase, die Unterzungendrüsen (gl. sublingualis) Muzine.
Abbildung: Ionentransport über die Epithelzellen der Speicheldrüsen-Azini
Nach Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019
Chlorid wird durch verschiedene Transporter in das Lumen gebracht, abhängig von der Aktivität der basolateralen
Na/K-Pumpe
(die Epithelzellen sind reich an Mitochondrien). Diese Na/K-Pumpe erhält dabei
einen Natriumgradienten (in die Zelle) aufrecht, was die luminale
Anreicherung von Chlorid antreibt:
1) Mittels eines
Na/K/2Cl-Cotransporters
(basolateral, links), dessen Ausfall die Speichelsekretion um 65%
reduziert. Apikal (rechts) treten Chlorid (Chloridkanäle) und Wasser
aus (Aquaporin). Wasser gelangt auch parazellulär in das Lumen (grün:
tight junction).
2) Mittels eines
Na/H-Austauschers
(NHE), was den pH-Wert in der Zelle und damit die
Bicarbonatkonzentration steigert, Bicarbonat wird dann gegen Chlorid
ausgetauscht (Hemmung des Na/H-Austauschs senkt die Speichelproduktion
um 30%) und Chlorid apikal zusammen mit Bicarbonat sezerniert.
Das Lumen wird durch den Einstrom negativer Ionen (Chlorid, Bicarbonat)
negativ aufgeladen, was den parazellulären Einstrom von Natrium
antreibt.
Rot: Primär-aktiver Transport (Na/K-ATPase), blau: Sekundär-aktiver
Transport (Cotransport oder Austauscher), gelb: Permeasen (erleichterte
Diffusion)
Man unterscheidet den zunächst in
den Azini gebildeten Primärspeichel von dem durch nachfolgende
Modifikation in den Ausführungsgängen entstehenden Sekundärspeichel:
Primärspeichel: Die Azinuszellen produzieren ein plasmaisotones Primärsekret (ähnlich wie im Pankreas). Auch die ionale Zusammensetzung ist der im Blutplasma sehr ähnlich.
Die Abbildung zeigt Details.
Basolaterale Membran (blutseitig): Energetisch angetrieben wird der Vorgang durch
Na/K-Pumpen; der Natriumgradient treibt sekundär-aktive
Transportsysteme an. Durch Na/2Cl/K-Symporter und Chlorid-Bicarbonat-Austauscher (beide
basolateral) gelangen Chloridionen in die Zelle; gleichzeitig wandern
Wasserstoffionen - mittels Na/H-Austauscher - Richtung Interstitium und
Blut; die Zelle wird alkalischer, die Bicarbonatkonzentration nimmt zu.
Möglicherweise wirken basolateral auch Ca++-aktivierte Kaliumkanäle, durch K+-Ausstrom würde dann die Zelle stärker negativ aufgeladen, was den Austritt von Cl- und HCO3- über die apikale Membran erleichtert:
Apikale Membran (lumenseitig): Bicarbonat (dessen Konzentration durch den basolateralen H+-Austritt steigt) wandert dann über die apikale Membran mittels Chlorid / Bicarbonat-Kontransport in das Lumen, Chlorid auch über Chloridkanäle. Das Lumen lädt sich dadurch negativ auf und lockt Natriumionen zum parazellulären Einstrom in das Lumen an.
In Summe wird Kochsalz in das Lumen des Azinus befördert, wohin Wasser osmotisch bedingt nachströmt (transzellulär - mittels Aquaporin-5 - sowie parazellulär). Endprodukt ist im Wesentlichen eine isotone
Kochsalzlösung.
Am der Bildung des Primärsekrets beteiligen sich Chloridkanäle in der apikalen Membran der Azinuszellen
|
Die zwischengeschalteten Schaltstücke nehmen keine nennenswerte Modifikation des Speichels vor.
Abbildung: Ionentransport in den Ausführungsgängen (Streifenkörper) der Speicheldrüse
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016
Apikale Membran
links, basolaterale rechts. Die Epithelzellen ähneln in Aufbau und Funktion Tubuluszellen in der Niere. Aktiver Antrieb durch die basolaterale Na/K-ATPase.
Apikaler Natriumtransport Richtung Blut via ENaC, beidseitig über Na/H-Austauscher. Chlorid wird apikal gegen Bicarbonat getauscht (SLC26A6) und gelangt durch CFTR-Kanäle, basolateral durch Chloridkanäle (ClC-2).
Kalium
(Kanäle?) und Bicarbonat
(im Austausch gegen Chlorid) wandern in Richtung Speichel (links), wo
ihre Konzentration ansteigt. Basolateral wandert Bicarbonat mit Natrium
in die Zelle (Cotransporter NBCe1-B).
Acetylcholin (ACh) wirkt über M3-Rezeptoren und Steigerung intrazellulären Calciums sekretionssteigernd. Aldosteron
verstärkt die Resorption von Natrium einerseits, die Sekretion von
Kalium andererseits - wahrscheinlich durch Anregung der Na/K-ATPase und
der apikalen ENaC
Modifikation in den Ausführungsgängen: Die Zellen der Ausführungsgänge verändern den Speichel, bevor er in die Mundhöhle gelangt. Sie sind reich an Mitochondrien, was den Antrieb der Na/K-ATPase ermöglicht.
Basolaterale Membran (blutseitig) befinden sich außerdem Chloridkanäle (Resorption Richtung Blut) und Na+/HCO3--Symporter - der Natriumgradient wird für den Import von Bicarbonat genutzt, das anschließend lumenseitig sezerniert wird.
Apikale Membran (lumenseitig): K+ tritt über Kaliumkanäle in das Lumen über (günstiger elektrochemischer Gradient). Die apikale Membran verfügt weiters über Chlorid-Bicarbonat-Austauscher, was - neben dem elektrisch angetriebenen
parazellulären Weg - die Resorption von Cl-
befördert, wie auch - neben Bicarbonatkanälen - die Sekretion von
Bicarbonat. Bicarbonat verlässt die Zelle außerdem über einen
Bicarbonatkanal vom CFTR-Typ.
Der Netto-Effekt ist vor allem der Transport von Kochsalz aus dem Lumen in Richtung Blut sowie die Sekretion von Kaliumbicarbonat und eine Erhöhung des pH-Wertes im Speichel. Die
Kochsalzresorption (und Kaliumsekretion) wird - über Vermehrung der
entsprechenden Ionenkanäle in der luminalen Epithelzellmembran - durch Aldosteron angeregt.
Der
parazelluläre Weg ist in den Ausführungsgängen recht undurchlässig für
Wasser (im Gegensatz zu den Azini), sodass der Speichel bei zunehmender
Resorption von Kochsalz immer hypotoner wird (insbesondere bei geringer
Speichelsekretion): Der in die Mundhöhle gelangende Sekundärspeichel ist hypoton (bis auf ~50 mOsm/l bei niedriger Sekretionsrate - die meisten Körperflüssigkeiten haben knapp 300 mOsm/l).
Die Ausführungsgänge resorbieren NaCl (stärker unter der Wirkung von Aldosteron und Vasopressin, welche auch die Kaliumsekretion steigern),
Wasser folgt nur begrenzt nach, wodurch das Sekret hypoton (arm an Kochsalz) wird (Na und Cl bis 15 mM
- zum Vergleich: ~140 bzw. ~100 mM im Blutserum). Sie sezernieren KHCO3
(nicht im selben Ausmaß wie sie NaCl zurückgewinnen), die
Kaliumkonzentration des Sekundärspeichels erreicht bis 30 mM
(Blutplasma ~5), vor allem bei niedrigen Sekretionsraten,
weil dann für den luminalen Kationenaustausch ausreichend Zeit besteht.
Die Abbildung fasst die wichtigsten Schritte bei der Sekretions-
und Modifikationsschritte zusammen und zeigt weiters den Einfluss von
Signalstoffen:
Der
primär gebildete Speichel ist ein Produkt der Azinuszellen und stellt im Wesentlichen eine isotone Kochsalzlösung dar (rechts). Natriumionen treten parazellulär in das Lumen über, das durch die Anwesenheit der Chloridionen negativ geladen ist. Die basolaterale Membran enthält Kaliumkanäle, Na/K/2Cl-Symporter und Na/K-ATPase, die den Vorgang energetisch antreibt.
Die Zellen der Ausführungsgänge (Mitte)
modifizieren das Primärsekret: Sie resorbieren Kochsalz zurück und
sezernieren etwas Kaliumbicarbonat. Dazu benötigen sie mehrere
Transportsysteme: Apikal Chloridkanäle, Chlorid-Bicarbonat-Austauscher, Kalium- und Natriumkanäle. Die basolaterale Membran verfügt über Chloridkanäle und - natürlich - Na/K-ATPase.
Muzin und Enzyme werden beigegeben, wobei verschiedene Signalstoffe eine Rolle spielen (links)
Speichel ist das Ergebnis azinärer Sekretion und ductulärer Modifikation.
Gesteuert werden diese Vorgänge über autonom-nervöse Impulse -
cholinerge, adrenerge und peptiderge. Diese Efferenzen beeinflussen
auch die glanduläre Durchblutung.
Zellen der Speicheldrüsen verfügen über zahlreiche Rezeptoren (M3, α, ß, Tachykininrezeptor
NK1, VIP-Rezeptor
etc.), die unterschiedlich auf
einzelne Drüsen verteilt sind (Spezialisierung). Die Bildung des
Primärspeichels wird sowohl durch den Sympathikus als auch
Parasympathikus angeregt. Sympathische α1-adrenerge Anregung führt zu Bildung eines eher mukösen Sekrets, parasympathisch-muskarinerge zu serösem, kaliumreichem Speichel. Stimulation adrenerger ß1-Rezeptoren bewirkt Sekretion von Amylase.
Zusammensetzung des Speichels
Die in ihrem Aufbau dem exokrinen Pankreas sehr ähnlichen Speicheldrüsen produzieren Speichel, eine hypotone (geringe Produktion) bis isotone (maximale Produktion) Körperflüssigkeit, deren Zusammensetzung ihr eine Dichte um die 1000 g/l (37°C) verleiht. 99,0 (isoton) bis 99,5 (hypoton) Massen-% bestehen aus Wasser (993 g/l bei 37°C).
Der Speichel ist etwa neutral, der pH-Bereich beträgt 6,2 bis 7,6; bei
erhöhter Sekretionsrate steigt der pH-Wert an und kann einen Wert von 8
erreichen (hoher Bicarbonatgehalt).
Der Speichel enthält Elektrolyte, organische Stoffe und zelluläre Bestandteile:
Elektrolyte
Elektrolyte im Speichel (mM/l)
|
Na+ |
2 bis über 80 mM (meist <20)
(Blutplasma: ~140 mM)
|
Konzentration steigt mit Flussrate (Na wird von Drüsen-
gängen rückresorbiert) |
K+ |
10-36 mM
(Blutplasma: 4-5 mM) |
Konzentration sinkt mit Flussrate und nähert sich dem 2-3fachen des Plasmawerts an |
Ca++ |
1,2-2,8 mM (Blutplasma: ~1,2 mM ionales Ca++) |
Konzentration steigt mit Flussrate, nähert sich dem Plasmawert an |
Mg++ |
0,08-0,5 mM (Blutplasma: ~1 mM) |
Konzentration sinkt mit Flussrate und nähert sich dem 2-3fachen des Plasmawerts an |
Cl- |
5-40 mM
(Blutplasma: ~105 mM) |
Konzentration sinkt mit Flussrate, liegt unter dem Plasmawert |
Phosphat |
1,4-39 mmol/L (Blutplasma: ~1 mM) |
Konzentration sinkt mit Flussrate und nähert sich dem Plasmawert an |
Bicarbonat |
≥25 mM
(Blutplasma: ~25 mM)
|
Kann über Plasmawert ansteigen |
J-
|
Meist höher als im Blutplasma (Blutplasma: ~0,5 mM) |
Abhängig von Jodaufnahme mit der Nahrung |
Der Speichel enthält auch Spuren von Fluorid, das (zusammen mit im Speichel enthaltenem Ca++) in die Zähne eingebaut wird.
Organische Bestandteile
Die Proteinkonzentration beträgt
~10%
der Konzentration im Blutplasma. Azinuszellen der gll. parotis und
submandibularis produzieren prolinreiche Proteine, die wahrscheinlich
verschiedene Aufgaben haben (Lubrikation, Bildung von Zahnschmelz /
Calciumfixierung, antimikrobielle Wirkungen)
Schleimstoffe: Mucopolysaccharide, Glykoproteine (Schutz, Gleitfähigkeit) aus Azinuszellen der Submandibular- und Sublingualdrüsen
Haptocorrin,
ein Glykoprotein, das resistent ist gegenüber niedrigem pH-Wert und
Pepsinwirkung. Es bindet in der Nahrung vorhandenes Vitamin B12 und ermöglicht ihm eine unbeschadete Passage durch den Magen
Antibakterielle Stoffe: Bindungs-Glykoprotein für IgA (bildet zusammen mit IgA sekretorisches sIgA,
das gegen Viren und Bakterien aktiv ist), Thiozyanat und
Wasserstoffperoxid (immunologischer Schutz), antimikrobielle Enzyme (s.
unten),
Wachstumsfaktoren: z.B. EGF aus Submandibulardrüsen (trophische Wirkung)
Opiorphin, ein schmerzstillendes Opioid (Endorphin)
Hormone: Cortisol, Testosteron, Östradiol, Progesteron, Melatonin
Enzyme:
α-Amylase (
ptyalin)
aus den Azinuszellen der Parotiden (vorwiegend) und Submandibulardrüsen
(identisch mit Pankreasamylase) spaltet - bei einem pH-Optimum von 7 - glykosidische
α-1,4-Bindungen und verdaut
so insbesondere Stärke. Dabei entstehen Maltose, Maltotriose und
Dextrine. Ab pH=4 denaturiert Speichelamylase und wird unwirksam; das
passiert im Magen meist nur verzögert, da der geschluckte Speisebrei
puffernde Wirkung hat, sodass die Speichelamylase im Magen noch
nachwirken und bis zu 75% der Stärke aufspalten kann
Speichellipase (lingual lipase)
aus den Azinuszellen der Sublingualdrüsen hat ein pH-Optimum von
~
4 und
bleibt auch bei Anwesenheit von Gallensäuren und Fettsäuren aktiv. Speichellipase wirkt daher im Magen und oberen Dünndarm
Ribonucleasen aus Ausführungsgängen der Submandibulardrüsen bauen RNA ab
Kallikrein aus Ausführungsgängen aller Speicheldrüsen spaltet vermutlich aus hochmolekularem Kininogen Bradykinin ab, dieses wirkt gefäßerweiternd. Die Kallikreinproduktion nimmt mit dem Metabolismus der Speicheldrüse zu
Antimikrobielle Faktoren:
Lysozyme aus Ausführungsgängen der Submansibularis (sie spalten glykosidische Verbindungen im Peptidoglykan der Zellwand Gram-positiver Bakterien, was deren Lyse zur Folge hat),
Lactoperoxidase aus Acini der Submandibularis (sie ist auch in der Milch enthalten, daher der Name) tötet Bakterien über Sauerstoffradikale ab.
Dazu kommen Lactoferrin aus Acini, weiters IgA-Rezeptoren und IgA-sekretorische Komponenten
Andere Inhaltsstoffe mit möglicher bakteriostatischer / bakterizider Wirkung (saure Phosphatasen,N-Acetylmuramoyl-L-Alanin-Amidase, NADH-Dehydrogenase, Superoxiddismutase, Glutathiontransferase, Aldehyddehydrogenase (Klasse 3), Glucose-6-Phosphat-Isomerase, Gewebekallikrein)
Zelluläre Bestandteile
Abgeschilferte Zellen: Bis
~8.106 /ml Speichel (Zytodiagnostik!). Im Speichel sind die Blutgruppenfaktoren des AB0-Systems (A, B) nachweisbar.
Bakterien: Bis
~5.108 Bakterien /ml Speichel (Teil der physiologischen Bakterienflora)
Die Konzentration des Endprodukts hängt sehr stark vom Speichelfluss ab ( Abbildung):
Abbildung: Elektrolytkonzentration im Speichel als Funktion der Speichelflussrate
Nach Thaysen JH, Thorn NA, Schwartz JL. Excretion of
sodium, potassium, chloride and carbon dioxide in human parotid saliva.
Am J Physiol 1954; 178: 155-9
Niedrigere [Na
+]- und [Cl
-]- bzw. höhere [K
+]- und [HCO
3-]-Werte
als im Blutplasma resultieren aus aktivem Transport im Ausführungsgangsystem
der Speicheldrüse.
"Ruhespeichel" (links) ist stark hypoosmolar. Je stärker die Flussrate, desto mehr gleichen
sich die Elektrolytwerte denen im
Blutplasma
an (hoher NaCl-Anteil). Bicarbonat kann über die Werte im Blutplasma
(24 mM) angereichert werden: Das ermöglicht eine effiziente
Pufferfunktion, vor allem zur Neutralisierung aufsteigender Magensäure
im unteren Ösophagusbereich (physiologischer
Reflux).
Zum Vergleich die Werte im
Blutplasma: [Na
+]
~140 mM, [Cl
-]
~100 mM, [HCO
3-]
~25 mM, [K
+]
~5 mM
Basal
sezernierter Speichel verliert in den Ausführungsgängen einen Großteil
des zunächst sezernierten Kochsalzes, das rückresorbiert wird, und ist
daher ist stark verdünnt (50-90 mOsm);
intensiver
Speichelfluss erlaubt hingegen nur geringe Rückresorption, das Resultat
ist dann beinahe isotoner Speichel (
~
270 mOsm).
Reflektorische Steuerung
Die basale Speichelsekretion dient der Befeuchtung der Mundschleimhaut und beträgt 0,3-0,6 ml/min (bei unter 0,1 ml/min spricht man von Hyposalivation, die Folge ist Mundtrockenheit: Xerostomie ). Zu den Reizen, die zu reflektorischer Steigerung
der Salivation führen, zählen Vorstellung (zephale Phase z.B. bei
Anblick oder Geruch leckerer Speisen), Kauen, geschmacksintensive
Stoffe. Die Speichelbildung wird gehemmt in Situationen wie Angst, Ermüdung, Dehydration oder Schlaf.
Die Sekretionsleistung der
Azini unterliegt neuronaler (parasympathische und auch - wenn auch
schwächer - sympathische Impulse steigern sie), aber keiner hormonellen
Kontrolle. Parasympathische (cholinerge)
Impulse steigern nicht nur die Sekretionsrate der Azinusepithelzellen,
sondern regen auch die Kontraktion (um die Azini angeordneter)
myoepithelialer Zellen an und fördern in versorgenden Blutgefäßen die
Vasodilatation (wodurch die Durchblutung des Drüsengewebes steigt). Die
resultierende Anregung des Stoffwechsels und Sauerstoffverbrauchs führt
auch zu weiterer Bildung vasodilatierender Substanzen (wie Bradykinin).
Stoffwechselanregung fördert auch das Wachstum des Drüsengewebes, und fehlender parasympathischer Einfluss (Durchtrennung der Nervenfasern) führt zu Atrophie der Speicheldrüsen. Ähnlich anabol, wenn auch schwächer, wirken sympathische Impulse.
Signalstoffe, welche den Ca++-Spiegel in den Drüsenepithelzellen steigern (wie Acetylcholin, VIP, Substanz P),
erhöhen vor allem das azinäre Sekretvolumen; solche, die eher auf cAMP
wirken (wie über ß-Rezeptoren), steigern den Enzym- und Schleimgehalt
des Speichels.
Abbildung: Parasympathische Steuerung der Tränen- und Speichelsekretion
Nach einer Vorlage in Wilson-Pauwels et al, Cranial Nerves - Function & Dysfunction. Mcgraw-Hill Professional, 3rd ef. 2010
Sympathische Fasern (präganglionär) wurzeln in den Thorakalsegmenten 1 bis 3 und
schalten im oberen Halsganglion (ggl. cervicale superior) um.
Postganglionäre Fasern ziehen über Äste der a. carotis externa zu den
Speicheldrüsen (nicht dargestellt) und bewirken
die Produktion geringer Mengen muzinarmen Speichels.
Parasympathische Fasern (präganglionär) wurzeln in der medulla oblongata. Über den Facialisnerven (N. VII) gelangen sie zum ganglion submandibulare; postganglionäre Fasern versorgen die Submandibular- und Sublingualdrüse. Über den N. glossopharyngeus (N. IX) gelangen Fasern zum ggl. oticum; postganglionäre Projektionen erfolgen von hier - über den N. auriculotemporalis des N. trigeminus - zur Parotisdrüse (nicht dargestellt). Diese Systeme steigern die Sekretion generell
Der Salivationsreflex wird im Hirnstamm gesteuert (nuclei salivatorii, Abbildung).
Er erhöht die basale Speichelsekretion durch entsprechende psychische
oder sensorische Reize auf ein Mehrfaches des Basalwertes (>0,7 bis
mehrere ml/min). Schon die Vorstellung einer leckeren Mahlzeit kann den Speichelfluss verzehnfachen.
Die
reflektorische Steuerung berücksichtigt den Kontakt der Mundschleimhaut
mit dem Inhalt, Geruchs- und Geschmacksempfindungen, Informationen von
anderen Sinnesorganen (z.B. Anblick der Speisen) sowie psychische
Faktoren.
Abbildung: Reflektorische Steuerung der Speichelsekretion
Antreibende
Faktoren auf die Speichelkerne (nuclei salivatorii) sind Geschmacks-
und Geruchsreize, Anregung von Rezeptoren beim Kauen etc. Gehemmt
werden die Kerne bei Müdigkeit, Schlaf, Angst usw.
Im ganglion submandibulare
schalten parasympathische Fasern aus der chorda tympani um,
postganglionäre Fasern ziehen zu den Sublingual- und
Submandibulardrüsen.
Das ganglion oticum wird mit parasympathischen Fasern des N. glossopharyngeus (IX) aus dem nucleus salivatorius inferior versorgt (Jacobsonsche Anastomose). Von hier ziehen postganglionäre Fasern zur Ohrspeicheldrüse
Anregung der Speichelbildung: Die
Innervation der Speicheldrüsen ist sowohl sympathisch (noradrenerg) als auch parasympathisch (cholinerg).
Parasympathische
Fasern gelangen über Hirnnerven zum Organ. Sie steigern die Sekretion, es wird vermehrt dünnflüssiger Speichel
sezerniert, der wenig Glykoproteine enthält ("Spülspeichel" bei salziger, saurer oder bitterer Nahrung). Die Durchblutung steigt in den Speicheldrüsen (VIP wirkt als Kotransmitter).
Sympathische Fasern gelangen über Blutgefäße zu den Speicheldrüsen. Sie bewirken
in den glandulae submandibulares die
Produktion wasserarmen (viskösen, muzinhältigen) Speichels.
Sympathische Aktivität regt kontraktile Zellen
in den Endstücken an und verengt die Ausführungsgänge; dadurch steigen
hier sowohl der hydrostatische Druck als auch die Kontaktzeit, während
der parazelluläre Rückstrom von Flüssigkeit erschwert ist.
Weiters fördert Substanz P (Tachykinin) die Speichelsekretion.
Generell steuern autonome Nerven nicht nur Speichelsekretion und Drüsendurchblutung, sondern auch Metabolismus und Wachstum sowie glattmuskuläre Aktivität.
Der Parasympathikus regt die Speichelbildung an
Blockade der cholinergen Rezeptoren hemmt die Salivation
|
Afferenzen zum Hirnstamm (Beeinflussung des Salivationsreflexes) kommen von Geschmacks-, Geruchssinn
sowie weiteren sensorischen Informationen im Mundbereich (Mechano- und
Thermosensibilität) sowie aus dem Gastrointestinaltrakt
(Chemosensibilität). Das Reflexzentrum ist der
im tiefen Hirnstamm (medulla oblongata + kaudale pons) liegende nucleus tractus solitarii. Dieser koordiniert Speichelfluss, Kau- und Schluckbewegung und beeinflusst auch die Insulinfreisetzung.
Auch in den Brechreflex ist die Salivation involviert (Schutzfunktion).
Speichelprobenabnahmen ( Abbildung) erfolgen üblicherweise morgens, im nüchternen Zustand, mittels
unter die Zunge gelegten Baumwollröllchens, evt. mit Zitronensäure
präpariert, um den Speichelfluss anzuregen - die Baumwollrolle (ca. 9 cm lang, 17 mm Durchmesser) wird
anschließend in ein Zentrifugiergefäß gebracht und der Speichel abzentrifugiert (1000 g für 2 Minuten, Raumtemperatur).
Abbildung: Gewinnung einer Speichelprobe
Kombiniert nach Vorlagen in scimart.com / nasdoline.org
Die Baumwollrolle kann mit Geschmackstoffen imprägniert sein, um den Salivationsreflex anzuregen
Speichelproben enthalten auch Mundschleimhautzellen. Aus diesen kann ein genetischer Fingerabdruck (DNA-Profil) gewonnen werden, was forensische Bedeutung hat.
Insbesondere die Elektrolytwerte sind vom Speichelfluss abhängig,
da das primär gebildete Sekret in den Ausführungsgängen modifiziert
wird - umso stärker, je mehr Zeit dafür zur Verfügung steht, d.h. je
niedriger die Sekretionsrate ist.
Speichelproben können zu vielfältigen diagnostischen Fragestellungen herangezogen werden, etwa für Genanalysen, oder auch zu forensischen Zwecken (Vaterschaftsnachweis etc).
Entsprechung zu Blutwerten: Einige der im Speichel sezernierten Stoffe korrespondieren mit entsprechenden Größen im Blut, was diagnostisch nutzbar ist:
Die
Konzentration von Testosteron, Östradiol, Östriol, Progesteron im
Speichel korrelieren mit der jeweiligen Serumkonzentration (an freiem, d.h. nicht gebundenem Hormon)
Die Sekretion von alpha-Amylase hängt von der sympatho-adrenalen
Aktivität ab, zusammen mit Speichelcortisol quantifiziert sie das Ausmaß von
psychischem Stress
Speichel-Melatonin korreliert mit zirkadianen Rhythmen.
Speichelproben können auch zur Abschätzung eines Kariesrisikos verwendet werden (Speichel- oder Karies-Risiko-Test:
Ein Kaugummi o.ä. wird mehrere Minuten gekaut, was Bakterien aus
Zahnbelag löst; der Speichel wird gesammelt, auf einen Nähboden
gebracht, 2-4 Tage bebrütet und dann die Bakterienzahl ermittelt).
Bei mangelnder
Speichelsekretion, wie beim Sicca- oder Sjögren-Syndrom (chronische Entzündung und Unterfunktion von Tränen-
und Speicheldrüsen, meist als Autoimmungeschehen), trocknet die Mund- und Rachenschleimhaut aus, und
es kommt zu bakterieller Überwucherung, Pilzbewuchs und
Geschwürbildungen. Schluckstörungen sind die Folge.
Opiate
wirken sekretionshemmend, indem sie die NaCl-Resorption fördern und die
Chloridsekretion hemmen. Daher werden sie bei schweren Durchfällen
therapeutisch eingesetzt - vor allem solche mit betont peripherer
(nicht zentraler) Wirkung. Enkephalinasehemmer reduzieren den Abbau von
Opiaten und sind nebenwirkungsärmer als diese.
Der
GI-Trakt
bildet täglich 6-8 Liter Sekret: 0,5-1,5 l Speichel, 2 l
Magensaft, ≤2 l Pankreassekret, 0,5-1 l Galle, 1-2 l aus Dünn- und
Dickdarm. Zu den Funktionen gehören: Gleitfähigkeit und
Schleimhautschutz (Muzine), Verdünnung, Veränderung des pH-Wertes,
Abwehr (Lysozym, IgA), Emulgierung (Gallensäuren), Enzymaktivität
(Proteasen, Lipasen, Kohlenhydrat- und Nukleinsäurespaltung). Die
Resorption von Wasser ist osmotisch an die von Salz gekoppelt;
Störungen der Salzresorption führen zu Wasserverlust / Diarrhoe. Trinkt
man hypotone Flüssigkeit, wird Wasser resorbiert, bis die Osmolalität
ausgeglichen ist; umgekehrt regt hypertoner Darminhalt die Bildung
dünnflüssigen Sekrets an. Saurer / hypertoner Mageninhalt
im Duodenum senkt die Aktivität der Belegzellen, das Pankreas bildet
bicarbonatreiches Sekret (Sekretin)
Der
Speichelfluss beträgt basal 0,3-0,6 ml/min und kann - durch Kinine angeregt - bis zum Zehnfachen ansteigen. Speichel
befeuchtet den Mundraum und erleichtert Kauen, Schlucken und Sprechen,
ist für das Schmecken essentiell und enthält IgA und Lysozym (Immunschutz). Speichel
ist basisch und neutralisiert Magensaft, der in den Ösophagus gelangt
ist (Schutzfunktion bei gastro-ösophagealem Reflux). Ptyalin aus den
Ohrspeicheldrüsen spaltet Stärke und wirkt im Magen so lange nach, bis
es durch niedrigen pH-Wert neutralisiert wird. Zungengrundlipase ist
auch im sauren pH-Bereich aktiv und übernimmt zusammen mit der
Magenlipase 15-30% der Fettaufspaltung
Speichel stammt zu
~70% aus den gll. submandibulares (serös und muzinös),
~25% aus den Parotisdrüsen (serös, enzymreich) und einigen % aus den gll. sublinguales (muzinös). Azinus-Epithelzellen sezernieren Kochsalz (apikal: Chloridkanal, basolateral: Na/K-Pumpe, Na/K/2Cl-Cotransporter, Chlorid-Bicarbonat-Austauscher), Wasser strömt nach (parazellulär, transzellulär mittels Aquaporinen). Das Primärsekret ist plasmaisoton, die Ausführungsgänge resorbieren Kochsalz und sezernieren Muzin, einige Enzyme, etwas Kaliumbicarbonat. Die
Ausführungsgänge (Streifenkörper)
resorbieren aktiv Kochsalz, sezernieren Kaliumbicarbonat; Natrium wandert
transzellulär (Na/K-Pumpe), Chlorid auch parazellulär Richtung Blut. Der fertige Speichel ist hypoton (bis ~50 mOsm/l bei niedriger Sekretionsrate,
~270 mOsm bei maximalem Speichelfluss), enthält wenig Kochsalz, aber relativ viel Kalium. Aldosteron erhöht die Zahl apikaler Natrium- und Kaliumkanäle und
verstärkt dadurch die Resorption von Natrium und die Sekretion
von Kalium
Die Azini sind
neuronal gesteuert: Parasympathische Impulse steigern die
Sekretionsrate, regen myoepitheliale Zellen an und wirken
vasodilatatorisch / perfusionssteigernd; Durchtrennung der Nervenfasern
führt zu Drüsenatrophie. Acetylcholin erhöht das zelluläre Ca++
und die azinäre Sekretion; Katecholamine erhöhen cAMP (über
ß-Rezeptoren), Enzym- und Schleimgehalt des Speichels. Der
Salivationsreflex wird im Hirnstamm gesteuert: Der nucleus tractus solitarii koordiniert Speichelfluss, Kau- und Schluckbewegung, Insulinfreisetzung. Die Aktivität der nuclei salivatorii richtet sich nach Geruchs- und Geschmacksempfindungen, Anblick der Speisen, Meldungen aus dem Gastrointestinaltrakt (Chemosensibilität). Gehemmt wird der Reflex bei Müdigkeit, Schlaf, Angst. Sympathische
Fasern bewirken über die gll. submandibulares die Produktion viskösen,
muzinhältigen Speichels, verengen die Ausführungsgänge (erhöht Druck und Kontaktzeit). Parasympathische Fasern kommen über Hirnnerven, steigern die Sekretion dünnflüssigen Speichels ("Spülspeichel")
|
Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen:
Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie
sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und
Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.