Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Medizinische Physiologie der Leberfunktionen

Speicher-, Transport-, Löslichkeitsfunktionen
© H. Hinghofer-Szalkay 
amphiphil: ἀμφί = beidseitig, φίλος = liebend
Apoprotein: ἀπό = von .. weg, getrennt von, πρῶτος = Erster, Vorrangiger (Protein: "grundlegend")
Biomolekül: βίος = Leben, molecula = kleine Masse
Cholesterinester:
χολή = Galle, στερεός = fest, Ester aus „Essigäther“ (Leopold Gmelin 1850)
Lezithin: λέκιθος = Eidotter
Mizelle: mica = Klümpchen, kleiner Bissen



Etwa 15% des gesamten Blutvolumens (~750 ml, etwa gleich viel wie im gesamten Arteriensystem) befinden sich typischerweise in den Gefäßen der Leber, bis zur Hälfte davon ist - z.B. bei Lagewechsel des Körpers (Aufrichten) oder nach Blutverlust - mobilisierbar: Die Gefäße - sonst weitgehend druckpassiv - kontrahieren stressbedingt (Katecholaminausschüttung) und geben dadurch Blut an das Venensystem ab (Entspeicherung, Kreislaufstabilisierung).

Die Leber produziert Hepcidin, das die Resorption von Eisen im Darm hemmt, indem es Ferroportin an der Dünndarm-Mukosazelle blockiert. Diese physiologische "Eisenbremse" verhindert eine Überlastung des Organismus mit Eisen (Siderose), das praktisch nur durch Blutverlust aus dem Körper entfernt werden kann.

Die Leber hält Kohlenhydrate (als Glykogen) und Aminosäuren (als Proteine) für Stunden bis Tage in Vorrat, und legt Langzeitspeicher von Vitaminen (Kobalamin bis zu mehreren Jahren) und Spurenelementen an.

Im Fettstoffwechsel spielt die Leber eine mehrfache Rolle: Einerseits synthetisiert sie Apoproteine, die für den Transport von Lipiden im Extrazellulärraum benötigt werden; andererseits kann sie aus Fettsäuren Ketonkörper (zur "Notversorgung" im Hungerzustand) herstellen (Hepatozyten speichern normalerweise kein Fett, Ito-Zellen schon).

Partikel im Blut für den Lipidtransport sind vor allem die kurzlebigen Chylomikronen (vorwiegend für Triglyzeride), VLDL, LDL und HDL (in dieser Reihenfolge nimmt die Verweildauer im Plasma zu, der Lipidanteil und Durchmesser der Partikel ab).



Aufgaben und Eigenschaften der Lipoproteine Vorwärts-Lipidtransport Reverser Lipidtransport  Speicherfunktionen

Core messages
   
Lipide haben eine hohe Energiedichte (mehr als das Doppelte derjeniger von Kohlenhydraten), werden aus der Nahrung aufgenommen und im Körper teils gespeichert, teils utilisiert. Wie werden sie durch den Organismus transportiert, der hauptsächlich aus Wasser besteht, das Fette abweist? Dieses Problem ist dadurch gelöst, dass Lipide in Kügelchen verpackt werden, die an ihrer Oberfläche eine Schichte aus amphiphilen Molekülen (Phospholipiden) tragen. Diese sind teils lipophil (nach innen gerichtet), teils hydrophil (nach außen gerichtet) und vermitteln damit zwischen wasser- und fettlöslichen Phasen. Es sind dies Chylomikronen und Lipoproteinpartikel unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung (HDL, LDL etc).

Die Leber nimmt im Fettstoffwechsel eine zentrale Stellung ein
 
Mit Ausnahme der gut löslichen Fettsäuren werden Lipide über Vermittlung von Eiweißmolekülen in Lipoprotein-Partikeln transportiert (die wegen des hohen Lipidanteils eigentlich Proteolipide heißen müssten).
 

Abbildung: Zusammensetzung von Lipidpartikeln
Nach einer Vorlage bei Santa Monica College (Paul Wissmann)

Der Triglyzeridanteil nimmt mit zunehmender Dichte (Chylomikronen → HDL) ab, der Proteinanteil zu. Die cholesterinreichste Fraktion ist LDL.

Chylomikronen enthalten 80-90% Triglyzeride, 8-9% Phospholipide, 2% Cholesterin, 2% Protein und in Spuren Kohlenhydrate


Die dazu benutzten Apoproteine werden zum Großteil in der Leber gebildet (ApoB48 hingegen ausschließlich in der Darmmukosa, ApoA in Darmschleimhaut und Leber), verfügen über amphiphile  (sowohl lipophile als auch hydrophile) Sequenzen und erfüllen mehrere Aufgaben, insbesondere

     Transport (Löslichkeit) und
 
     Signalvermittlung (Rezeptorbindung).
 
Eiweiße haben eine relativ hohe (>1,1 g/ml) und Fette eine niedrige (um ~0,9 g/ml) Massendichte - daher verhalten sich der Eiweißanteil von Lipoproteinpartikeln direkt und der Fettanteil indirekt proportional zur Dichte der Partikel.

Dementsprechend spricht man von Partikeln hoher (HDL) oder niedriger Dichte (LDL) - H high, L low, IDL intermediate, VLDL very low, D density L Lipoprotein.

Ein LDL-ähnliches Lipoprotein ist Lipoprotein A - Lp(a) -, es verfügt über ein zusätzliches Apolipoprotein und wird in der Leber gebildet. Erhöhte Plasmakonzentrationen stellen möglicherweise einen unabhängigen Risikofaktor dar (Thromboserisiko vor allem bei Kindern).

Chylomikronen stammen aus der Fettverdauung im Darm und transportieren resorbierte Triglyzeride; VLDL transportieren von der Leber stammende Triglyzeride; LDL und HDL dienen dem Cholesterintransport. Die Lipoproteinpartikel unterscheiden sich weiters in Größe, Dichte, Zusammensetzung, Lebensdauer und Funktion (C/CE = Cholesterin / Cholesterinester, PL = Phospholipide, TAG = Triglyzeride, Neutralfette)
:
 
Werte nach verschiedenen Quellen kompiliert
Chylo-
mikronen
VLDL
LDL
HDL
Durchmesser
75-1200 nm
30-80 nm
18-25 nm
50-120 nm
Dichte (g/l)
<950
950 - 1006
1019 - 1063
1063 - 1210
Masse (kDa)
400.000
10.000 - 80.000
2300
175-360
Führende(s) Lipid(e)
Triglyzeride
(Nahrung)
endogene Triglyzeride (Leber)
Cholesterin / Cholesterin-
ester
Cholesterin-
ester und Phospho-
lipide
Transportierte Lipide
(Rest auf 100%: Proteine)
85-92% TAG
4% PL
5% C/CE
65% TAG
13% PL
10-20% C/CE
45% C/CE
20% PL
10% TAG
20-25% PL
15-20% CE
2% TAG
Apoproteine
B48, AI/IV, C, E
B100, C, E
B100 AI, AII, C, E
Proteinanteil
(Oberfläche)
1,5-2,5%
5-10%
20-25%
40-55%
Verweildauer
Minuten
Stunden
Tage
Bildungsort Darm
Leber
Funktion
Transport im Darm resorbierter Lipide zu Muskel- und Fettzellen
 Interner Lipidtransport (Triglyzeride, Phospholipide, Cholesterin)
Interner Lipidtransport nach Entfernung von Triglyzeriden aus VLDL durch Lipoprotein-
lipase
Abtransport von Cholesterin aus Peripherie in Richtung Leber (zwecks Ausscheidung)
  
Referenzbereiche s. dort
 
Das Blutplasma enthält eine Transferase (CETP: cholesteryl ester transfer protein), das Cholesterinester aus HDL-  in andere (VLDL, IDL, LDL-) Partikel überstellen kann. Diese weniger dichten Partikel können dann von Leberzellen über ihre LDL-Rezeptoren aufgenommen werden. Aus HDL nehmen Hepatozyten Cholesterinester über "Scavenger"-Rezeptoren auf (SR-B1: scavenger receptor class B type 1). Die hepatische Entfernung peripheren Cholesterins mittels SR-B1 und CETP nennt man "Rückwärtstransport" (s. unten).

In den Mukosazellen des Darms werden resorbierte Lipide von endoplasmatischem Retikulum und Golgi-Apparat mit
ApoB48 (dessen Isoformen in Leber bzw. Darm gebildet werden) zusammengebracht, als Chylomikronen verpackt und in die Lymphe weitergereicht (Chylus = Darmlymphe).
So gelangen sie über den Venenwinkel direkt in den systemischen Kreislauf (unter Umgehung von Pfortader und Leber). Aufgabe der (kurzlebigen) Chylomikronen ( Abbildung unten) ist es dann, Nahrungsfette (vorwiegend Neutralfette, also Triglyzeride) in die Peripherie zu bringen (Chylomikronen sind Lipoproteinpartikel von 0,1-1,0 µm Durchmesser und einer Dichte von unter 1 g/ml).

Wenn der Großteil der Triglyzeride aus dem Chylomikronenkern hydrolysiert worden ist, bleiben Chylomikronen-Remnants übrig, die von der Leber aufgenommen werden und ihr auf diese Weise Nahrungsfett zuführen (
Abbildung).
 

Abbildung: Aufnahme von Nahrungsfett (exogener Pfad)
Nach einer Vorlage in Frayn / Evans, Human Metabolism - A Regulatory Perspective, 4th ed. Wiley Blackwell 2019

Fette werden als Glyzerin, Fettsäuren, Cholesterin resorbiert und in der Darmmukosa verestert. Ihre Einlagerung in HDL-Partikel führt zur Bildung von Chylomikronen, wobei die Anwesenheit des Apoproteins CII (ApoCII) zur nachfolgenden Aktivierung der Lipoproteinlipase (vor allem in Muskel- und Fettgewebe) notwendig ist.
 
Mit zunehmender Hydrolyse der Triglyzeride nimmt die Dichte der Partikel zu und ihr Durchmesser ab; Fettsäuren (FS) werden von Muskel- und Fettzellen aufgenommen. Die Chylomikronen geben auch Cholesterin, Phospholipide und Apoproteine an andere Lipoproteinpartikel ab, Reste (remnants) bleiben zurück. Über Rezeptoren nimmt die Leber diese auf und kann ihre Komponenten wiederverwerten


Die Aufnahme von Nahrungsfetten und der Transport zu Muskeln, Fettgewebe und Leber wird auch als exogener Weg (exogenous pathway) bezeichnet (weil es sich um von außen stammende Fette handelt). Dabei werden Lipide - vor allem Neutralfette - für den Bedarf verschiedener Gewebe über Chylomikronen transportiert, wie die Abbildung zeigt.

Eine entscheidende Rolle spielen dabei
 
      Enzyme (Lipoproteinlipase, hepatische Lipase, LCAT oder ACAT) für die Veränderung der Lipide. LCAT (Lecithin-Cholesterin Acyltransferase) verestert Cholesterin (Cholesterol) im Blut und macht es so besser löslich, ACAT (Acyl-CoA-Cholesterin Acyltransferase) verestert Fettsäuren und Cholesterin (Cholesterol) im endoplasmatischen Retikulum. Bei dieser Umesterung wird aus einem Triglycerid ein Acylrest abgespalten und mit der OH-Gruppe von Cholesterin (Cholesterol) verestert;
 
      Rezeptoren wie z.B. der LDL-Rezeptor für die Aufnahme von Lipoproteinpartikeln. Der LDL-Rezeptor wird von den meisten kernhaltigen Zellen exprimiert, ist aber in der Leber besonders aktiv. Nach Bindung des LDL-Partikels wird der Komplex endozytiert, Cholesterinester dann in Lysosomen hydrolysiert, das freie Cholesterin dem zellulären Pool zugeschlagen und für die Harnsäuresynthese, den Aufbau von LDL-Partikeln, den Aufbau von Membranmaterial (und in hormonproduzierenden Zellen auch für die Steroidsynthese) verwendet. Die Syntheserate neuer LDL-Rezeptoren sinkt mit der zellulären Cholesterinkonzentration, und umgekehrt (Selbstlimitierung).

Chylomikronen bzw. ihre Neutralfette (Triacylglycerol) werden von Endothelzellen (vor allem in Fett- und Muskelgewebe) mittels Lipoproteinlipase abgebaut. Lipoproteinlipase wird von Zellen wie Myozyten oder Adipozyten gebildet, in Vesikeln gespeichert und freigesetzt, und gelangt zu nahen Kapillaren, wo sie an endotheliale Glykokalix (Heparansulfat) bindet und Fettsäuren von den Glyzceriden abspaltet. Die dabei entstehenden Bruchstücke der Partikel werden von der Leber verwertet und dann in der Peripherie entweder
 
      als Speicherfett (Adipozyten) oder

      für Membran- und Signalmoleküle verwendet (praktisch alle Zellen).
 


"Vorwärts-Transport":  Lipide in die Peripherie
 
Der Lipidtransfer von Darm und Leber in Richtung Peripherie wird als Vorwärts-Transport bezeichnet. Dieser versorgt periphere Zellen vor allem mit Triglyzeriden, Fettsäuren und Cholesterin.



Abbildung: Lipidtransport - von der Leber, zur Leber
Nach Wasan et al, Impact of lipoproteins on the biological activity and disposition of hydrophobic drugs: implications for drug discovery. Nat Rev Drug Discovery 2008; 7: 84-99

Der "Vorwärtstransport" bringt Lipide aus dem Verdauungsapparat in die Peripherie, der "Rückwärtstransport" befördert Cholesterin aus dem Körper zur Leber

   
  ABCA1 - auch Cholesterol efflux regulatory protein (CERP) - transportiert Cholesterin aus der Zelle    ABCG1: ATP-Binding Cassette Transporter, befördern u.a. Cholesterin und Phospholipide durch die Zellmembran    Apo, Apoprotein, das Lipid anlagern und extrazellulär transportieren kann    CE, Cholesterinester (amphiphil)
  
     CETP, Cholesterinester-Transferprotein, ein aus der Leber stammendes und ins Blut abgegebenes (hier hauptsächlich an HDL gebundenes) Protein, das Poren in Zellmembranen bildet und den Cholesterintransport unterstützt     FC, freies Cholesterin (nicht wasserlöslich
  
     FFA, freie Fettsäuren (A = acid)     HDL, High density lipoprotein     LCAT (Lezithin-Cholesterin- Acyltransferase) verestert Cholesterin (Cholesterol) im Blut und macht es so besser lipidlöslich    LDL, Low density lipoprotein     LPL, Lipoproteinlipase, spaltet Neutralfette von Lipoproteinen ab und macht sie für die Zellen verfügbar      SRB1, Scavenger receptor - nimmt im Zielgewebe Cholesterinester aus HDL auf    TG, Triglyzeride    VLDL, Very low density lipoprotein
 
     Langkettige Fettsäuren werden vor ihrer Aufnahme in die Darmschleimhautzelle in
Mizellen verpackt, wodurch ihre Löslichkeit bis um 6 Zehnerpotenzen ansteigt (Mizellen sind einige Nanometer groß und sind Aggregate aneinandergelagerter amphiphiler Moleküle, z.B. Phospholipide, in wässriger Lösung).
 

Abbildung: Chylomikron
Nach einer Vorlage bei Santa Monica College (Paul Wissmann)

Apoproteine (Apo A, B, C, D, E, F, H, L, M) sind Plasmaeiweiße, die sich an Lipidkügelchen anlagern und deren Verarbeitung unterstützen. Apoprotein B-48 wird ausschließlich im Dünndarm gebildet; je ein Molekül Apo-B48 setzt sich auf ein Chylomikron und begleitet es bis zu seinem Abbau


Im Blut "tanken" Chylomikronen Apolipoproteine von HDL-Partikeln - dies spart bei der Proteinsynthese:


    ApoC zur Aktivierung der Lipoproteinlipase, die Neutralfette abspaltet und für die Zellen verfügbar macht
 
    ApoE - dieses vermittelt die Endozytose der Partikel in die Leber.
 
Erst nach Abgabe der meisten Lipide an die Peripherie "passen" die nun kleineren Chylomikronen durch die Wand der Lebersinusoide (große Chylomikronen können nicht in den Disse-Raum gelangen, da die Porengröße der Lebersinusoide bei ~0,4 µm liegt). Verbliebene "Reste" (remnants) der Chylomikronen werden über ApoE-Rezeptoren von Hepatozyten aufgenommen und abgebaut.

    Hepatozyten packen Fette, die in die Leber gelangt sind und von ihr nicht unmittelbar verwertet wurden, zusammen mit entsprechenden Apoproteinen (
s. Tabelle) in VLDL-Partikel. VLDL bringen Triglyzeride, Phospholipide und Cholesterin von der Leber zu peripherem Gewebe.

Lipoproteinlipase (LPL) setzt aus VLDL freie Fettsäuren (FFA) und Monoglyzerid frei.
Die VLDL-Partikel werden umgebildet und werden zum Angriffspunkt von Lipid-Transfer-Proteinen (wie das
Cholesterinester-Transferprotein CETP: Dieses von der Leber gebildete HDL-Protein erleichtert den Transfer von Cholesterinestern und Triglyzeriden zwischen Lipoproteinpartikeln).

Der Verlust von Neutralfetten macht VLDL-Partikel kleiner (25-35 nm) und dichter - man nennt sie dann IDL (intermediate density lipoproteins). Hepatische Lipase macht aus ihnen LDL-Partikel, oder sie werden von der Leber durch rezeptorvermittelte Endozytose aufgenommen und verwertet.

 

Abbildung: ACAT und LCAT
Modifiziert nach Vaziri ND, HDL abnormalities in nephrotic syndrome and chronic kidney disease. Nature Rev Nephrol 2016; 12: 37-47

Acetyl-CoA- Acetyltransferase (ACAT) und Lecithin-Cholesterin- Acyltransferase (LCAT) bewirken die Veresterung von Cholesterin in Zellen und Blutplasma, und erleichtern dadurch seine Einlagerung in Liposomen / Mizellen

      ABCA = ATP-Binding Cassette Transporter     CEH = Cholesterinester-Hydrolase     CETP = Cholesterinester-Transferprotein     SRB1 = HDL-Docking-Rezeptor (Scavenger receptor class B-1)


IDL-Partikel werden zum größeren Teil von der Leber aufgenommen, ~30% durch weitere Abspaltung von Neutralfetten (hepatische Lipase) schließlich zu LDL-Partikeln. Diese enthalten viel Cholesterin, das von peripheren Zellen für den Eigenbedarf aufgenommen wird.

Cholesterin ist in seiner veresterten Form mobiler und in der Leber rascher abbaubar; in den Plasma-Lipoproteinen liegt Cholesterin zu 70% verestert vor. Die Veresterung erfolgt (
Abbildung)

      in der Zelle durch ACAT (Acetyl-CoA-Acetyltransferase) oder

      im Blut durch LCAT (Lezithin-Cholesterin-, bildet aus Cholesterin und Lezithin Cholesterinester).

LDL-Partikel verweilen einige Tage im Blut und stellen einen rasch verfügbaren Cholesterinpool dar - z.B. für Zellen, die Steroidhormone produzieren. Schließlich werden die LDL-Partikel rezeptorvermittelt über
ApoB100 in die Leber oder über LDL-Rezeptoren von der Peripherie aufgenommen.
 
"Rückwärts- (reverser) Transport":  Cholesterin zur Leber
  
Cholesterin wird zum Teil mit der Nahrung zugeführt (maximale Resorptionskapazität ~0,5 g/d), zum Teil im Körper neu gebildet (1-2 g/d - insgesamt ~20 enzymatische Stufen) - hauptsächlich von Leber- und Darmmukosazellen, aber auch von anderen Zellen, so vom Gehirn für den Eigenbedarf (Cholesterin kann die Blut-Hirn-Schranke schwer passieren).

Der Cholesterinpool des Körpers beträgt etwa 140 Gramm. Davon befinden sich ~6 Gramm im Blutplasma (hauptsächlich in LDL-Partikeln). Der gesamte Cholesterinpool wird in knapp 5 Monaten umgesetzt: Jeden Tag fließen ~1000 mg Cholesterin zu (~400 mg werden im Darm aus der Nahrung - die insgesamt ~1 g Cholesterin enthält, die Resorption ist nicht komplett - resorbiert, ~600 mg werden neu synthetisiert), im Zustand des Gleichgewichts geht die gleiche Menge verloren (Ausscheidung von Gallensäuren, Abschilferung von Epithel).

Cholesterin wird mittels HDL-Partikeln zur Leber transportiert. Dieser Lipidtransport wird als "Rückwärts- (reverser) Transport" bezeichnet (
Abbildung): HDL sammelt überschüssiges Cholesterin in der Peripherie ein und transportiert es

      zur Leber (Gallensäuren, Ausscheidung)

      oder zu Zellen, die Cholesterin benötigen (Steroidhormonsynthese).

Cholesterin wird nicht direkt abgebaut, vielmehr dient es als Gerüstmolekül für den Aufbau von Gallensäuren; auch als Bestandteil abgeschilferten Darmepithels gelangt es zur Ausscheidung.

Für den Rückwärts-Transport (also die Cholesterinentsorgung über die Leber) bilden Leber und Darm - zunächst lipidfreies - Apolipoprotein A1 (ApoA1), dem hauptsächlichen Protein in HDL-Partikeln. ApoA1 bindet an ABCA1- und ABCG1-Transportproteine
(ATP-binding cassette A1 / G1), die in peripheren Zellmembranen sitzen (Darmschleimhaut, Makrophagen u.a.) und Cholesterin unter Verbrauch von ATP in den Extrazellulärraum befördern. Von dort wird Cholesterin auf HDL-Partikel umgelagert und zur Leber gebracht (reverser Cholesterintransport).
 

Abbildung: HDL-Synthese und Cholesterintransport
Nach Besler C, Lüscher TF, Landmesser U. Molecular mechanisms of vascular effects of High‐density lipoprotein: alterations in cardiovascular disease. EMBO Mol Med 2012; 4: 251-68

Leber und Darm sezernieren lipidfreies Apo-I, dieses nimmt vermittels hepatischen und intestinalen Transporters (ABCA1) Phospholipide und freies Cholesterin auf.
  
Frisches ("naszentes") HDL nimmt über Phospholipidtransporter (PLTP) weiteres Phospholipid und freies Cholesterin aus peripheren Geweben sowie aus triglyzeridreichen Lipoproteinen auf.
  
LCAT
auf HDL-Partikeln verestert einen Teil des freien Cholesterins zu Cholesterinestern und bildet so den hydrophoben Kern der HDL-Partikel ("HDL-Reifung").
  
HDL-assoziiertes Cholesterin wird entweder direkt zur Leber gebracht (Scavenger-Rezeptor SR-B1) oder nach Transfer zu VLDL/LDL-Partikeln (über hepatische LDL-Rezeptoren)
  
      ABCA1, ATP binding cassette transporter A-1     ABCG1, ATP binding cassette transporter G‐1     BA, Gallensäuren     CE, Cholesterinester     CETP, Cholesterinester-Transferprotein     FC, freies Cholesterin     LCAT, Lezithin-Cholesterin-     PL, Phospholipid     PLTP, Phospholipid-Transferprotein     SR-B1, Scavenger-Rezeptor Klasse B1     TG, Triglyzerid


Auf diesem Weg kann ApoA1 freies Cholesterin (FC) aufnehmen, die Partikel verwandeln sich zu HDL unter der Mitwirkung von

       Lezithin-Cholesterin- (LCAT) - von der Leber gebildet, findet es sich im Blut auf der Oberfläche von HDL-Partikeln. Als "Cholesterinfänger" nimmt es auch Phosphatidylcholin aus Chylomikronen, VLDL-Partikeln und Membranresten auf und beteiligt sich an der Aufnahme von Cholesterin aus extrahepatischen Geweben

       Phospholipid-Transferprotein (PLTP) wird von zahlreichen Geweben in das Blut abgegeben und beschleunigt die Diffusion von Lipiden in HDL-Partikel
 
       Cholesterinester-Transferprotein (CETP) stammt aus Leberzellen und vermittelt die Übertragung von Cholesterinestern von HDL- auf LDL- und VLDL-Partikel.
 
Fertige HDL-Partikel sammeln weiter freies Cholesterin mittels ABCG1. (HDL-Cholesterin gilt als "gut", im Gegensatz zu LDL-Cholesterin.) Dann werden sie durch hepatische HDL-Rezeptoren (scavenger receptor B1 - SRB1) aus dem Blut entfernt.

Das Ergebnis des reversen Transports ist die "Entsorgung" von Cholesterin aus der Peripherie.
Ausgeschieden wird Cholesterin über den Darm - in Form abgeschilferten Darmepithels und als Gallensäuren (Cholesterin muss daher nicht abgebaut werden).

 

 
Die Leber ist ein zentrales Speicherorgan
 

Biomoleküle können über verschiedene Zeiträume gespeichert und wieder verfügbar gemacht werden:

  Kurzzeitspeicherung von Blut in den Lebergefäßen (Sekunden bis Minuten). Die Gefäße im Pfortadersystem verhalten sich druckpassiv, sie zeigen keine Autoregulation: Bei verringerter Perfusion (sinkende Füllung von arterieller Seite) nimmt ihre Dehnung ab, sie werden enger und reduzieren die in ihnen gespeicherte Blutmenge (→ DeJager-Krogh-Mechanismus).
Die Leber enthält ~15% des gesamten Blutvolumens des Kreislaufs. Das hat wichtige Konsequenzen für eine allfällige Mobilisierbarkeit für kardiovaskuläre Notfälle: Etwa die Hälfte davon (350-400 ml bei 5 Liter Blutvolumen!) kann mobilisiert werden, z.B. bei starkem Blutverlust.

  Speicherung von Kohlenhydraten (als Glykogen) und Aminosäuren (als Proteine) in den Leberzellen (Stunden bis Tage). Die Speicherung in der Form von Makromolekülen hat den Vorteil, dass es zu keiner merklichen Auswirkung auf den osmotischen Druck in den Leberzellen kommt (wenige Makromoleküle statt vieler Glucosemoleküle).
 

Abbildung: Beteiligung der Leber an der Regulierung des Eisenmetabolismus
Nach einer Vorlage in hepcidinanalysis.com

Rechts: Die intestinale Eisenresorption beträgt normalerweise 1-2 g/d, sie wird durch hepatisches Hepcidin auf niedrigem Niveau gehalten (Schutz vor Eisenüberlastung des Körpers). Sauerstoffmangel hebt diese Hemmwirkung auf, die Hepcidinbildung wird heruntergefahren, und die Eisentransportkapazität des Dünndarms nimmt zu.
 
Links: Eisen wird an Transferrin (Tf) gebunden im Kreislauf transportiert. Das rote Knochenmark enthält ca. 300 mg Eisen. Dieses wird zur Neubildung von Hämoglobin verwendet. In den Erythrozyten (also im Blut) befinden sich ca. 2500 mg Eisen (Hämoglobin).

Makrophagen bauen ausgemusterte Erythrozyten ab (Milz) und enthalten etwa 600 mg Eisen, das rezirkuliert (in den Transferrinpool zurückkehrt). Auch diese Eisenverwertung wird durch Hepcidin gehemmt

 
     s. auch  dort
 
  Langzeitspeicherung von Vitaminen (A, D, K, B12 - letzteres bis zu 3-5 Jahre) und Spurenelementen. Fettlösliche Vitamine werden im Darm in Chylomikronen oder VLDLs verpackt und so der Leber zugeführt (z.B. VitA in der Form von Retinylestern, ansonsten bleibt das Vitamin im Kreislauf, gebunden an RBP - retinolbindendes Protein).

Zu den Spurenelementen, die von der Leber über längere Zeit gespeichert werden können, gehören Kupfer, 
Eisen, Zink u.a.

Kupfer: Etwa die Hälfte des in der Nahrung vorhandenen
Kupfers wird im Jejunum aufgenommenen und gelangt - hauptsächlich albumingebunden - über die Pfortader zur Leber. Hier wird es an der basolateralen Membran der Hepatozyten über ein spezielles Transportprotein (CTR1, high affinity copper uptake protein 1) aufgenommen. In der Zelle bindet es an Metallochaperone, die es zu Cuproenzymen bringen, die wiederum apikal (kanalikulär) etwa 80% der resorbierten Menge in die Galle exportieren können (1,2-2,4 mg/d). Im Kreislauf liegt Kupfer zu 95% an Coeruloplasmin gebunden vor.

Eisen wird im Duodenum resorbiert und gelangt - an Transferrin gebunden - zur Leber, wo es via Transferrinrezeptoren aufgenommen wird. Eisen in freier Form ist toxisch, liegt daher intrazellulär hauptsächlich ferritingebunden vor.
 
    Die Leber produziert u.a. Hepcidin, welches die Resorption von Eisen im Darm hemmt. Es tut dies, indem es an Ferroportin bindet und dessen Hilfsfunktion bei der "Umlagerung" des Eisens von der Dünndarm-Mukosazelle auf Transferrin blockiert.

Sauerstoffmangel hemmt die Hepcidinbildung, der Darm nimmt vermehrt Eisen auf, die Erythropoese steigt an und die Sauerstofftransportkapazität des Blutes nimmt zu (negative Rückkopplung).

 
Metabolische Pufferfunktion: Die Vorräte in der Leber helfen, Zufuhrlücken zu überbrücken (Beispiel: saisonale Schwankungen verfügbarer Nahrungsmittel, Vitamine, Spurenelemente).
 

 
      Lipide werden in Lipoprotein-Partikeln transportiert. Der Triglyzeridanteil nimmt mit deren zunehmender Dichte (Chylomikronen 80-90% → HDL <10%) ab, der Proteinanteil zu; LDL ist die cholesterinreichste Fraktion. Apoproteine werden zum Großteil in der Leber gebildet, einige in der Darmschleimhaut, wo auch die Verpackung von Lipiden in Chylomikronen (bis 1 µm Durchmesser, Dichte <1 g/l) stattfindet. Diese bringen vorwiegend Neutralfette in die Peripherie
 
      Der Lipidtransfer von Darm und Leber in Richtung Peripherie wird als Vorwärts-Transport bezeichnet, der von Cholesterin zur Leber als Rückwärts-Transport. Der Vorwärts-Transport versorgt periphere Zellen vor allem mit Triglyzeriden, Fettsäuren und Cholesterin. Chylomikronen werden von Lymphgefäßen aufgenommen, größere von der Leber zunächst nicht verwertet, da sie zu groß sind, um in den Disse-Raum zu gelangen (Porengröße der Lebersinusoide ~0,4 µm). Kleinere Bruchstücke (remnants) werden über ApoE-Rezeptoren von Hepatozyten aufgenommen und abgebaut.Chylomikronen nehmen im Kreislauf Apolipoproteine von HDL-Partikeln auf: ApoC zur Aktivierung der Lipoproteinlipase, ApoE vermittelt die hepatische Endozytose. Leberzellen packen nicht unmittelbar verwertbare Fette mittels Apoproteinen in VLDL-Partikel und exportieren diese in den Kreislauf
 
      Cholesterin wird zum Teil mit der Nahrung zugeführt (maximal ~0,5 g/d), zum Teil im Körper (Leber, Darm, Gehirn..) neu gebildet (1-2 g/d). HDL sammelt Cholesterin in der Peripherie ein und transportiert es zur Leber (Rückwärts-Transport) oder zu Zellen, die es benötigen (Steroidhormonsynthese). LDL-Partikel sind ein rasch verfügbarer Cholesterinpool und verweilen einige Tage im Blut. Cholesterin ist in veresterter Form mobiler, die Veresterung erfolgt intrazellulär durch ACAT, im Blut durch LCAT - dieses erzeugt einen hydrophoben HDL-Kern. Cholesterin wandert über ABC-Transportproteine der Zellmembran in das Blut und dann über HDL zur Leber, die es via HDL-Rezeptoren aufnimmt. Cholesterin muss nicht abgebaut werden, es wird in Form von Gallensäuren und in abgeschilfertem Darmepithel ausgeschieden
 
      Die Leber speichert Kohlenhydrate als Glykogen und Aminosäuren als Proteine. Das hat den Vorteil geringer Molekülzahl, sodass die Leberzellen keinem osmotischen Stress unterliegen. Vorräte in der Leber helfen, Zufuhrlücken zu überbrücken (saisonale Schwankungen verfügbarer Nahrungsmittel, Vitamine, Spurenelemente). Die Leber produziert Hepcidin, das die intestinale Eisenresorption hemmt, indem es an Ferroportin bindet und damit die Eisenbeladung von Transferrin blockiert. Sauerstoffmangel hemmt die Hepcidinbildung, fördert die Eisenresorption und erhöht die Sauerstofftransportkapazität des Blutes
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.