Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Ernährung und Verdauungssystem

  Duodenum, Jejunum, Ileum
© H. Hinghofer-Szalkay

Chymus: χυμός = Saft
Duodenum: δωδεκαδάκτυλον = 12 Finger lang
Enzym: ἐν = in, ζύμη = Hefe, Sauerteig
Ileum: (lat) ile = Darm
Jejunum: ieiunus = nüchtern, mit leerem Magen
Papilla Vateri: Abraham Vater
Pylorus: πυλωρός = Pförtner
Sphincter Oddi: Ruggero Oddi


Der Dünndarm steht im Zentrum der Resorptionsvorgänge. Dazu erhält er aus dem hepatobiliären System (Leber, Gallenblase) Gallensekret und aus der Bauchspeicheldrüse Pankreassekret. Das Gallensekret enthält Salze und gallensaure Salze, letztere dienen der  Fettverdauung; das Pankreassekret enthält Salze (vor allem Bicarbonat, das den sauren Mageninhalt puffert) und Enzyme für das Aufschließen von Proteinen / Peptiden, Kohlenhydraten, Fetten und anderen Nahrungsbestandteilen.

Die Sekretionsvorgänge sind hormonell und neural gesteuert. Auslösend sind vor allem die Bestandteile im Chymus.
Spezielle Schleimhautzellen in Duodenum und Jejunum "messen" deren Muster und Konzentration und reagieren mit der Freisetzung von "Verdauungshormonen" wie Sekretin (regt die Bildung basischen Sekrets an) oder Cholezystokinin (fördert die Bildung enzymreichen Sekrets). CCK bringt darüber hinaus die Gallenblase zur Kontraktion und entspannt den Sphincter Oddi, der über die Passage von Gallen- und Pankreassekret in das Duodenum wacht.

Die Schleimhaut des Dünndarms verfügt über die Mechanismen zur Resoption verschiedenster Nahrungsbestandteile und wacht einerseits über immunologische Intaktheit, bildet andererseits einen Passageweg für den Weitertransport resorbierter Komponenten in Blut (Pfortader) und Lymphe (Chylusgefäße).

Die Muskulatur des Dünndarms vermittelt die motorischen Elemente zur Durchmischung des Darminhalts einerseits (Erleichterung der Verdauungs- und Aufnahmeprozesse) und zu dessen Weitertransport andererseits (Peristaltik). Die Koordination der dazu notwendigen Bewegungselemente obliegt spezifischen Schrittmacherzellen und deren Interaktion mit autonomen Nervenzellen und deren Plexus, sowie den glatten Muskelzellen, welche Tonus und Motorik generieren.



Duodenum    Verdauung und Resorption  Motilität des Dünndarms Resorptionsmechanismen Dünndarm und Pankreas Dünndarm und Galle

Core messages
  
Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen werden zum "oberen", Duodenum, Dünn- (Jejunum, Ileum) und Dickdarm zum "unteren" Gastrointestinaltrakt gezählt - eine willkürliche Trennung, denn die Teile sind funktionell eng miteinander verknüpft. Zwar stellt der Pylorus eine Barriere zwischen Magen und Zwölffingerdarm (und damit zwischen oberem und unterem GI-Trakt) dar, aber er wird sowohl von "stromaufwärts°" als auch "stromabwärts" liegenden Faktoren beeinflusst und verbindet deren Funktionen.

Duodenum
 
Der Pylorus (Kontraktionsfrequenz ~3/min) und die Muskulatur des Duodenum (~12/min) können unabhängig voneinander aktiv sein.

In der digestiven Phase besteht die Motorik des proximalen Duodenum aus auf- und abebbenden Kontraktionsfolgen, getrennt durch Ruheperioden; sie zeigt vorwiegend Segmentationsbewegungen, nur selten Peristaltik. Situationsabhängig wird die Entleerung des Magens behindert oder gefördert.

In der interdigestiven Phase (also wenn das Duodenum leer ist) sistiert die motorische Aktivität weitgehend.

Das proximale (nicht das distale) Duodenum beteiligt sich weiters an der Abpufferung sauren Mageninhaltes, indem seine Schleimhaut Bicarbonat produziert - unter dem Einfluss von Prostaglandinen. Im distalen Duodenum übernimmt Bicarbonat aus dem Pankreassekret diese Aufgabe.

Regulation der Osmolalität: Der Magen kann hypotonen, isotonen oder hypertonen Chymus in das Duodenum weitergeben - je nachdem, wieviel Wasser mit der Nahrung zugeführt wurde (also ob man z.B. ein Schnitzel mit gesalzenen Pommes frites alleine verzehrt - hypertoner Mageninhalt - oder eine beträchtliche Menge Bier dazu getrunken hat - dann ist der Mageninhalt hypoton). Das Duodenum stellt zunächst Isotonizität her, d.h. im Falle hyperosmolaren Chymus wird Flüssigkeit sezerniert, bei hypoosmolarem wird sie resorbiert, bis der Chymus annähernd 290-milliosmolar geworden ist.

Ab der Einmündung des Ausführungsganges des Pankreas sowie des Gallenganges (am Oddi-Sphinkter) wird der Chymus mit den Sekreten der Bauchspeicheldrüse einerseits, der (von der Leber produzierten und der Gallenblase teilweise konzentrierten) Gallenflüssigkeit andererseits konfrontiert; der Hauptteil der Verdauung beginnt.
 
Die Darmmukosa beteiligt sich an der Verdauung und absorbiert Makro- und Mikronährstoffe
 

Abbildung: Funktionen der Abschnitte des Verdauungssystems

  Farbige Kreisflächen symbolisieren Protein- (rot), Kohlenhydrat- (orange), Fett- (grün) und Nukleinsäureverdauung (blau)


Zerkleinerung, Durchmischung, Transportperistaltik und die chemische Wirkung von Verdauungssäften bringen die Nahrung in resorbierbare Form. Die Darmsekrete enthalten kohlenhydrat-, fett-, eiweiß- und nukleinsäurespaltende Enzyme aus dem Pankreas; weiters beteiligen sich membranständige Oligopeptidasen des Bürstensaums im Dünndarm an der Spaltung zu Aminosäuren, Di- und Tripeptiden, welche von der Mukosa resorbiert werden können.

Einige wenige Peptid- und Proteinmoleküle können von den Mukosazellen direkt aufgenommen werden, ohne vorher zu Aminosäuren, Di- und Tripeptiden abgebaut worden zu sein. Durch Transzytose gelangen sie zur Basolateralmembran der Darmschleimhautzellen und können von Endothelzellen gebunden und weiterverarbeitet werden.

  Näheres zu den Verdauungsmechanismen im Dünndarm s. dort

  Näheres zu den Resorptionsmechanismen im Dünndarm s. dort
 
Motilität des Dünndarms

Tonus und Bewegungen des Dünndarms dienen der Optimierung der Verdauungs- und Resorptionsprozesse (Vermischung des Chymus   mit Sekret und Enzymen , Wechsel der Kontaktorte mit der Schleimhaut) sowie Weitertransport. Die Passagezeit des ~7 m langen Dünndarms beträgt 2-4 Stunden.

Die innere zirkuläre Muskelschicht ist stärker ausgeprägt als die longitudinale äußere, und beide sind im proximalen Dünndarm (Duodenum, Jejunum) umfangreicher als im distalen (Ileum). Das spiegelt die Tatsache wider, dass mit zunehmender Entfernung vom Magen die Menge an zu verarbeitendem Chymus abnimmt (distale Reservestrecke).

Die Rhythmik der motorischen Vorgänge hängt von der Aktivität der interstitiellen (Cajal-) Schrittmacherzellen ab. Davon gibt es zumindest zwei Arten: Solche, die den basalen Rhythmus generieren; und solche, die neuronale Impulse an glatte Muskelzellen "übersetzen". Die meisten Kontraktionszonen erstrecken sich über höchstens 4 cm Länge, und sie treten in Abständen von ~5 Sekunden (oder einem Vielfachen davon) auf. Gelegentlich treten längerdauernde Kontraktionen auf, die von 10 Sekunden bis 8 Minuten andauern. Es handelt sich um Segmentationen oder peristaltische Wellen; erstere dienen der Durchmischung, letztere dem Weitertransport des Darminhalts.

  Näheres zur Peristaltik s. dort
 
Elektrische Entladungswellen (MMC: migrating motor complex) triggern im Nüchternzustand (interdigestive Phase) ca. eine Minute anhaltende Kontraktionswellen, die vom Magen ausgehend bis zum Colon weiterlaufen und eine ziemlich konstante Geschwindigkeit von ~5 cm/min aufweisen. Sie treten etwa alle 90 Minuten auf und "reinigen" Magen und Dünndarm von Nahrungsresten; das dämmt auch das Bakterienwachstum ein. Während dieser Zeit produziertes Magen-, Gallen- und Pankreassekret "spült" den Darm.

  Näheres zum MMC s. dort
 
Nach Nahrungsaufnahme (digestive Phase) weichen die MMCs der typischen Misch- (Segmentationen) und Transportmotorik (Peristaltik). Jeder Dünndarmabschnitt ist dann ca. 15 bis 35% der Zeit kontrahiert. Am häufigsten treten Segmentationen auf, die zeitlich um 5 Sekunden oder ein Mehrfaches davon (10, 15, 20 Sekunden) getrennt sind. Auf den - immer vorhandenen - basalen Organrhythmus (slow waves) sind dann kurze Entladungen ("Aktionspotentiale", spikes) aufgesetzt, welche die Kontraktion triggern.

N
icht jede Oszillation des Grundpotentials ist von Aktionspotenialen - und damit einer Kontraktion - begleitet. Ob Aktionspotentiale auftreten, hängt von nervösen und humoralen Begleitfaktoren ab. Intestinale Kontraktionen werden gefördert durch Serotonin, CCK, Gastrin, Motilin, Insulin; gehemmt werden sie durch Adrenalin, Sekretin, Glukagon. Die physiologische Bedeutung dieser Faktoren variiert.

Die Frequenz dieser Wellen nimmt entlang des Dünndarms ab, von etwa 12 Zyklen pro Minute (Duodenum) auf 8/min (terminales Ileum). Das Duodenum und die ersten 10 cm des Jejunums haben eine konstante Frequenz, ab dann nimmt diese mit fortlaufender Strecke etwa linear ab.

Intestino-intestinaler Reflex: Starke Dehnung eines Darmabschnitts hemmt generell die motorische Aktivität des Darms; dieser Reflex ist durch autonom-nervöse Reflexbögen mediiert, in die das ZNS involviert ist.

Resorptionsmechanismen, apikale und basolaterale Membran
  
Die an den Innenraum (Lumen) des Darmrohres grenzende innerste Schicht ist aus Epithelzellen (Enterozyten, Mukosazellen) aufgebaut. Diese sind polar organisiert ( Abbildung):
 

Abbildung: Enterozyt
Nach einer Vorlage bei Harvey Lodish et al, Molecular Cell Biology, WH Freeman 2016

Apikale und basolaterale Membran sind mit jeweils unterschiedlichen Transportsystemen ausgestattet (vgl. dort). Sie sind durch ein Schlussleistensystem voneinander separiert.
 
Das Muster ihrer Ausstattung mit Transportmolekülen (Permeasen, Pumpen, Symportern, Antiportern) ist jeweils unterschiedlich und hängt von Zellart und Lokalisierung, Situation und Anforderung ab


    Eine Seite blickt zum Lumen und ermöglicht die Resorption von Stoffen aus dem Chymus - die entsprechende Membran nennt man apikal (Apex = Spitze - der Zelle) bzw. luminal. Diese Membran ist in den meisten Fällen zwecks Oberflächenvergrößerung zu zahlreichen winzigen Ausstülpungen (Mikrovilli) gefaltet.

     Die andere Seite - seitlich und zum Interstitium (Blutseite) hin gerichtet - ist von basolateraler Membran überzogen. Über diese werden u.a. apikal resorbierte Stoffe weitertransportiert, sie enthält in jedem Fall Na/K-ATPase, welche die meisten Transportprozesse (sekundär) antreibt und transzellulären Austausch verschiedener Stoffe erlaubt (A, C und D in der folgenden Abbildung).

Die Membranen (apikal und basolateral) sind unterschiedlich dicht mit Transportmolekülen ausgestattet, deren Zahl (Expression) und Zustand (Öffnungswahrscheinlichkeit) je nach Zellart und Lokalisierung, Situation und Anforderung schwanken kann.

Das Muster der Ausstattung der apikalen und basolateralen Membran mit Transportmolekülen (Permeasen, Pumpen, Symportern, Antiportern) ist jeweils unterschiedlich und entscheidet darüber, welche Ionen und Moleküle wie stark und in welche Richtung durch die Zelle transportiert werden können.

Apikale und basolaterale Membran sind durch eine Linie voneinander abgegrenzt, in der ein Schlussleistensystem (tight junctions) einen Abdichtungsring rund um die Zelle aufbaut, für kleinere Ionen und Moleküle aber durchgängig ist (parazellulärer Austauschweg, "B" in der Abbildung).
 

Abbildung: Resorptionswege in der Darmschleimhaut
Nach: Goldberg M, Gomez-Orellana I. Challenges for the oral delivery of macromolecules. Nature Rev Drug Discov 2003; 2: 289-95

A: Transzellulär mit Passage der apikalen (luminalen) und basolateralen Membran - über Fettlöslichkeit (lipophil), geringe Molekülgröße (Poren), oder Kanäle / Transportproteine
 
B: Parazellulär, mit geringer Kapazität - grüne Linie: Tight junctions (zonulae occludentes: Interzelluläre Kontakte)
 
C: Transzytotisch mit rezeptormediierter Endozytose
 
D: Aufnahme in M-Zellen der Peyer-Plaques und Weitertransport in den Chylus (Darmlymphe)


        Zur Vergrößerung der Resorptionsoberfläche s. dort
 
Darmzotten ziehen sich rhythmisch zusammen und lassen dadurch einerseits den Speisebrei an der Schleimhaut gleiten (zusätzlich zur Peristaltik), andererseits treiben sie den Abtransport nährstoffreicher Lymphe an ("Zottenpumpe": pulsatile Kontraktion glatter Muskelzellketten transportiert Flüssigkeit über die Lymphgefäße ab).

Die insgesamt wirksame Resorptionsoberfläche beträgt etwa 200 m2. Das Zottenepithel hat eine enorme Aufnahmekapazität und kann sich rasch regenerieren - die Epithelschicht wird innerhalb von 2-6 Tagen komplett ausgetauscht: "Mauserungszeit" (der Stuhl besteht z.T. aus abgestorbenen Darmschleimhautzellen).
 
Dünndarm und Pankreas

Innerhalb von Minuten nach der Ankunft sauren Mageninhalts im Duodenum nimmt die Absonderung von Pankreassekret rasch zu und erreicht nach einer halben Stunde einen Gipfelwert, der üblicherweise ~3/4 der Maximalantwort entspricht (physiologische Selbsthemmung). Die Sekretion bleibt erhöht, bis der Magen geleert ist.

Der Großteil (70-80%) der Anregung der Pankreassekretion erfolgt aus dem Dünndarm, und zwar duch die Anwesenheit von Verdauungsprodukten und Wasserstoffionen. Diese triggern die Freisetzung von
 
     Sekretin aus S-Zellen in der Mukosa (angeregt durch einem pH ab 4,5, ansteigend bis pH 3,0 - Werte, die nur im proximalen Duodenum auftreten - sowie hohe Konzentrationen langkettiger Fettsäuren) und
 
     Cholezystokinin (CCK) aus I-Zellen in der Mukosa (angeregt durch Aminosäuren, Peptide, Fette im Chymus). Acinuszellen im Pankreas exprimieren (beim Menschen) keine CCK-Rezeptoren; CCK wirkt offenbar auf vagale Afferenzen, die dann in der Bauchspeicheldrüse vagovagale Reflexe auslösen (die atropinblockierbar sind).
Die Sekretions- bzw. Bicarbonatantwort auf eine Mahlzeit beruht auf der Freisetzung geringer Mengen Sekretin, ausgelöst durch Ansäuerung des Duodenum und via CCK cholinerg potenziert im Rahmen vagovagaler Reflexe.

Insulin potenziert die sekretionsfördernden Effekte von Sekretin und CCK (Diabetiker zeigen verminderte pankreatische Enzymsekretion).


Abbildung: Duodenum und Anregung des Pankreas
Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019

Anregung der Sekretion von Pankreassaft während der intestinalen Phase. CCK wirkt nicht auf Azinuszellen direkt, sondern über vagale Afferenzen (die über CCK-Rezeptoren verfügen) und Aktivierung eines vago-vagalen Reflexes, der die Azinuszellen cholinerg anregt

AAs, Aminosäuren; ACh, Acetylcholin; CCK, Cholezystokinin; FAs, Fettsäuren


Cholezystokinin (CCK) ist der wichtigste Steuerfaktor der Enzymsekretion im exokrinen Pankreas. Es wird entlang einer Strecke von ~90 cm oberem Dünndarm produziert. Außer Aminosäuren können auch glyzinhaltige Peptide die CCK-Freisetzung stimulieren, sowie Fettsäuren mit mehr als 8 C-Atomen. Trypsin hemmt die CCK-Freisetzung (Trypsininhibitoren steigern sie).

Pankreatische Azinuszellen scheinen beim Menschen nicht über CCK-Rezeptoren zu verfügen; das Hormon wirkt auf (rezeptorbestückte) vagale Afferenzen und via eines vago-vagalen Reflexes anregend auf die Enzymsekretion ( Abbildung) - dieser Mechanismus ist durch Atropin blockierbar (die Endstrecke ist cholinerg).

Die Ausschüttung des "natürlichen Antazidum" Sekretin aus der Duodenal- und Jejunumschleimhaut beginnt ab einem pH von 5 und steigt zu Höchstwerten, die bei einem Chymus-pH von etwa 3 (oder niedriger) liegen. (Der [H+]-Unterschied zwischen pH=5 und pH=3 beträgt 1 zu 100.)

Je mehr saurer Mageninhalt das Duodenum und obere Jejunum betritt, umso mehr S-Zellen werden mit diesem konfrontiert, und umso mehr Sekretin wird in das Blut abgegeben (mit dem Resultat steigender Bicarbonatsekretion im Pankreas) - die produzierte Sekretinmenge entspricht der Länge des Darmrohres mit einem Inhalt von pH<4. Acetylcholin potenziert diesen Effekt (vago-vagaler Reflex).

  Mehr zu den Funktionen des Pankreas s. dort
 
Dünndarm und Galle

Die von der Leber kontinuierlich gebildete Gallenflüssigkeit ist für die Verdauung und Resorption von Lipiden notwendig. Gallensäuren bzw. ihre Salze emulgieren Fette und machen sie so für die Pankreaslipase zugänglich und beteiligen sich an der Mizellenbildung, die der Resorption dient. Schließlich dient Galle der Eliminierung von Cholesterin, Gallenfarbstoffen, einigen Medikamenten sowie Schwermetallen.
 

Abbildung: Gallensystem und enterohepatischer Kreislauf - Überblick
Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019

Gallensäuren werden aktiv aus dem Ileum resorbiert (grüner Pfeil) und gelangen über die v. portae zurück zu Leberparenchymzellen. Bei Bedarf bilden diese Gallensäuren nach.
 
Primär aktive Transportvorgänge in Leber und Gallengangsystem rot, erleichterte Diffusion blau

ACh: Acetylcholin, CCK: Cholezystokinin


Die Leber produziert laufend Gallensäuren bzw. gallensaure Salze, die Menge variiert allerdings stark. Sie werden vor allem im Ileum resorbiert, gelangen über den Pfortaderkreislauf in die Leber und werden zusammen mit neu gebildeten Gallensäuren resezerniert (entero-hepatischer Kreislauf).

  Mehr über die Produktion der Galle s. dort
 
Gallensäuren / gallensaure Salze werden aus Cholesterin hergestellt (sie sind eine wichtige Ausscheidungsform) und stellen die führende organische Komponente des Gallensekrets dar (~50% aller gelösten Bestandteile). Ihre Sekretion fördert durch osmotische Filtration auch die Ausscheidung von Wasser und Elektrolyten (Natrium, Kalium, Calcium, Chlorid).

Fast die gesamte Galleproduktion wird durch Gallensäuren angetrieben, man nennt sie daher gallensäurenabhängig. Der vom Gallengang unter dem Einfluss von Sekretin gebildete bicarbonatreiche Gallensaft ist gallensäuren-unabhängig.

  Über Gallensäure und ihre Salze s. dort
 
Die Gallenblase hat eine Aufnahmekapazität von 20-50 ml. Sie hat eine Doppelfunktion: Einerseits speichert sie die während der interdigestiven Phase aus der Leber anflutende Galle, andererseits entzieht sie dieser dabei - elektroneutral, mittels aktivem Transport gegen einen elektrochemischen Gradienten - Natrium, Chlorid und Bicarbonat (Wasser folgt passiv-osmotisch nach) und dickt das Sekret dadurch ein ("Blasengalle"). Auch [K+] und [Ca++] nehmen dabei zu.

Der Anstieg der Konzentration gelöster organischer Stoffe (Gallensäuren, Cholesterin, Bilirubin) kann bis zum 20-fachen des Ausgangswertes (Lebergalle) betragen. Die Ausbildung von Mizellen bei Erreichen der Löslichkeitsgrenze hilft dabei, die osmotische Aktivität gering und die Gallenflüssigkeit isoton zu halten.

Kontraktionen der Gallenblase treten nicht nur in der digestiven Phase auf, sondern auch im Rahmen von MMCs - der Darm wird auch interdigestiv mit Galle "bespült". Wandert Chymus durch das System, ist es vor allem Cholezystokinin, das die Entleerung der Gallenblase triggert (CCK-Rezeptoren finden sich auf Zellen der glatten Muskelzellen in der Gallenblasenwand, die Hauptwirkung des CCK dürfte aber über cholinerge Nervenfasern erfolgen). Ob der Gallengang mit peristaltischen Kontraktionswellen zum Transport der Gallenflüssigkeit beiträgt, ist unklar.


Abbildung: Steuerung von Gallenblase und Sphincter Oddi
Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019

A: In der interdigestiven Phase ist der Tonus des Sphincter Oddi hoch, derjenige der Gallenblasenwand niedrig. Kontinuierlich von der Leber produzierte Galle ("Lebergalle") fließt in die Gallenblase, die sich füllt und das Sekret durch Rückresorption von Kochsalz und Wasser eindickt ("Blasengalle").

B: In der digestiven Phase (nach einer Mahlzeit) wirken Cholezystokinin (CCK) und parasympathische (cholinerge?) Impulse kontrahierend auf die Gallenblase und relaxierend auf den Sphincter Oddi. Galle gelangt in den Darm, und rückresorbierte gallensaure Salze (enterohepatischer Kreislauf) regen die hepatische Gallensekretion an


Der Sphincter Oddi (m. sphincter ampullae hepatopancreaticae) - eine Verstärkung des Ringmuskels des Endstücks des Gallengangs - umschließt die gemeinsame Einmündung des Gallen- (ductus choledochus) und Pankreasausführungsganges (ductus pancreaticus); er liegt in der Vater'schen Papille (papilla duodeni major).

Mittels seines Tonus steuert der Sphincter die Entleerung der Galle und des Pankreassekrets in das Duodenum. Dieser Tonus unterliegt hormonellem und neuralem Einfluss: So wird er durch die Wirkung von Cholezystokinin (CCK) entspannt, sodass Galle und Pankreassaft in den Zwölffingerdarm einströmen können. Gleichzeitig regt CCK die Gallenblase zur Kontraktion an, und "Blasengalle" wird in das Doudenum gepresst (
Abbildung).
 
Wann gelangt Galle in das Duodenum? Das Einströmen von Gallenflüssigkeit in den Zwölffingerdarm unterliegt Einflüssen durch das Duodenum einerseits, den Zustand des Sphincter Oddi andererseits. Auch hier gilt das allgemeine Gesetz von Druckdifferenz, Widerstand und Strömung: Wieviel Galle in das Duodenum eindringt (QG), hängt ab vom Druckunterschied zwischen Gallengang (pG) und Duodenum (pD) einerseits, und vom Strömungswiderstand (WS), den der Sphincter Oddi der Gallenpassage entgegensetzt, andererseits:

QG = (pG - pD) / WS

Der Druck im Gallengang (Sekretionsdruck, aufgebaut von Leber und Gallengangsystem) kann bis zu 20 mmHg betragen. Kontrahiert sich das Duodenum (erhöhter Innendruck) oder der Sphincter Oddi (erhöhter Widerstand), stoppt der Gallenfluss; relaxiert das Duodenum und der Sphincter, kann die Galle fließen. Bei entspannter Duodenalwand bedarf es eines Drucks im Gallengangs von bis zu 30 mmHg, um den Widerstand eines kontrahierten Sphincter Oddi zu überwinden.

CCK relaxiert den Sphincter Oddi, senkt den Strömungswiderstand und begünstigt damit den Gallenfluss in den Darm. Auch dieser CCK-Effekt scheint zumindest zum Teil durch cholinerge Nervenfasern vermittelt zu sein. Reizung parasympathischer Fasern erhöht den Gallenfluss, Reizung sympathischer Fasern bewirkt das Gegenteil.
 
Gallensäurepool, enterohepatische Rezirkulation: Rückresorbierte Gallensäuren / gallensaure Salze regen in der Leber ihre weitere Sekretion an und verstärken dadurch den emulgierenden Effekt für die Fettverdauung. Tatsächlich ist die portale Rückgewinnung und Wiederaufnahme von gallensauren Salzen der wichtigste Anreiz zu ihrer (wiederholten) hepatischen Sekretion.

Die Neusynthese kann bis zu ~5 Gramm pro Tag betragen; nur 0,5 g/d gehen mit dem Stuhl verloren. Das bedeutet, dass der Gallensäurepool im enterohepatischen Kreislauf (2-3 Gramm) jeden Tag mehrfach rezirkuliert (Faktor 10): In 24 Stunden gelangen 20-30 Gramm Gallensäuren / gallensaure Salze zur biliären Sekretion.

Hepatozyten und Gallengangsepithel erzeugen einen Sekretionsdruck, der die Gallenflüssigkeit Richtung Dünndarm befördert. Dieser Druck kann einen Betrag von 10-20 mmHg erreichen. Der Tonus der Gallenblasenwand sowie der Zustand der Sphincter Oddi bestimmt, wohin sich die Galle - innerhalb des Gallengangsystems bzw. in den Darm - bewegt.
  
Rückresorption:  Die meisten Gallensäuren werden entlang des Dünndarms passiv resorbiert (hydrophobe und dekonjugierte Gallensäuren), oder aktiv im Ileum (hydrophilere Gallensäuren wie Cholsäure). Der Großteil der enterischen Rückresorption von Gallensäure / gallensauren Salzen erfolgt im Ileum ( Abbildung).
 

Abbildung:
Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019

Ausgehend von Cholesterin in der Leber neu gebildete Gallensäuren bezeichnet man als "primär" (Cholsäure, Chenodesoxycholsäure), solche, die im Darm bakteriell modifiziert wurden, als "sekundär" (Desoxycholsäure, Lithocholsäure). Der Darm resorbiert alle Gallensäuren: Besonders hydrophobe (wenig OH-Gruppen / dekonjugiert) passiv entlang des gesamten Dünndarms, alle anderen mittels natriumgekoppelten sekundär-aktiven Transports (apikale Membran) im Ileum - dieses resorbiert Gallensäuren am effizientesten.
 
Nur ein kleiner Teil der Gallensäuren entkommt der Resorption im Dünndarm und gelangt in das Colon. Die resorbierten Gallensäuren gelangen über den Pfortaderkreislauf zur Leber und werden zu nahezu 100% wiederverwertet.
 
Rot gefärbte Pfeile deuten aktive Resorption, Sekretion, oder Synthese an


Die Aufnahme der Gallensäuren in Enterozyten des Ileum (über die apikale Membran) erfolgt mittels eines sekundär-aktiven natriumabhängigen Transports. Zytoplasmatische Transportproteine binden sie und befördern sie zur basolateralen Membran, wo sie über einen Anionenaustauscher an das Interstitium weitergereicht werden.

Über den enterohepatischen Kreislauf gelangen sie zur Leber zurück und werden erneut sezerniert. Im Stuhl verlorengegangene Gallensäuren (0,5-1,0 g/d) werden durch hepatisch neu synthetisierte ersetzt.

  Über die Resorption von Protein s. dort und dort

  Über die Resorption von Kohlenhydraten s. dort

  Über die Resorption von Fetten s. dort und dort

  Über die Darmmotorik s. dort

  Über das Immunsystem des Darmes s. dort
 

 
      Das Duodenum zeigt in der digestiven Phase vor allem Segmentationsmotorik (~12/min), die durch Ruhephasen unterbrochen ist; gelegentlich tritt Peristaltik auf. Wenn der Mageninhalt entsprechend homogenisiert und das Duodenum aufnahmebereit ist, lässt der Pylorus die Passage von Chymus zu. Zur Wirkung der kohlenhydrat-, fett-, eiweiß- und nukleinsäurespaltenden pankreatischen Enzyme kommt die von membranständigen Enzymen des Bürstensaums im Dünndarm
 
      Die Dünndarmmotorik unterstützt die Verdauungs- und Resorptionsprozesse durch Transport (Peristaltik), Wechsel des Schleimhautkontakts und Vermischung des Chymus mit Sekret (Segmentationen). Sie wird getriggert durch interstitielle (Cajal-) Schrittmacherzellen, die einerseits den basalen Rhythmus vorgeben, andererseits neuronale Inputs vermitteln. Elektrische Entladungswellen (MMC) triggern im Nüchternzustand etwa alle 90 Minuten Kontraktionswellen (~5 cm/min), die sich vom Magen bis zum Colon fortsetzen (Entleerung, Eindämmung des Bakterienwachstums). Die digestive Phase zeigt Segmentationen (5 Sekunden-Periodik) und Peristaltik. Schwankungen des Membranpotentials glatter Muskelzellen in der Darmwand (Frequenz vom Duodenum zum Ileum abnehmend) lösen nur dann Kontraktionen aus, wenn sie Aktionspotentiale triggern - das hängt von nervösen und humoralen Begleitfaktoren ab. Starke Dehnung eines Darmabschnitts hemmt generell die motorische Aktivität (intestino-intestinaler Reflex)
 
      Schlussleistensysteme trennen die apikale (Bürstensaum, Resorptionsoberfläche  ~200 m2) von der basolateralen Membran der Mukosaepithelzellen (Enterozyten), diese sind mit jeweils unterschiedlichen Transportsystemen (Permeasen, Pumpen, Symportern, Antiportern) ausgestattet. Deren Zahl (Expression) und Zustand (Öffnungswahrscheinlichkeit) hängt von Lokalisierung, Situation und Anforderung ab und entscheidet darüber, welche Ionen und Moleküle wie stark und in welche Richtung durch die Zelle transportiert werden. Resorption kann transzellulär oder parazellulär erfolgen. Die Zottenmotorik variiert Kontaktzonen zum Chymus und unterstützt den Abtransport der Lymphe (zentrales Chylusgefäß). Die Epithelschicht wird in 2-6 Tagen komplett ausgetauscht
 
      Wenige Minuten nach Ankunft sauren Mageninhalts im Duodenum steigt die Pankreassekretion (physiologische Selbsthemmung: Der nach ~30 min erreichte Gipfelwert entspricht ~3/4 der maximal möglichen Menge), zum Großteil angeregt durch die Anwesenheit von Aminosäuren, Peptiden, Fetten (CCK wirkt auf afferente Fasern und über einen vagalen Reflex cholinerg auf Azinuszellen) und Wasserstoffionen (Sekretin steigert die Bicarbonatsekretion ab pH=5: "natürliches Antazidum") im Dünndarm. Insulin potenziert die sekretionsfördernden Effekte von Sekretin und CCK. CCK wird in den ersten 90 cm Dünndarmstrecke gebildet
 
      Mit der Galle werden Gallensäuren (in Form ihrer Salze), Cholesterin, Gallenfarbstoffe, auch Medikamente und Schwermetalle ausgeschieden. Gallensäuren - die führende organische Komponente des Gallensekrets (~50% aller gelösten Bestandteile) - emulgieren Fette, machen sie für Lipase zugänglich und beteiligen sich an der Mizellenbildung. Gallensäuren werden passiv resorbiert (hydrophobe und dekonjugierte Gallensäuren) oder aktiv im Ileum (hydrophilere Gallensäuren wie Cholsäure). Dazu hat die apikale Membran natriumabhängige Transporter, Transportproteine binden die Gallensäuren, an der basolateralen Membran gelangen sie via Anionenaustauscher in Interstitium und Pfortaderblut (enterohepatischer Kreislauf: tägliche Sekretion 20-30 g, Gallensäurepool 2-3 g). Die Leber produziert Gallensäuren abhängig vom Bedarf nach (bis zu 5 g/d) . Die Sekretion von Gallensäuren zieht aufgrund des osmotischen Effekts Wasser und Elektrolyte in die Gallenflüssigkeit (gallensäurenabhängige Gallenproduktion; der in den Gallengängen unter dem Einfluss von Sekretin gebildete bicarbonatreiche Gallensaft wird gallensäuren-unabhängig gebildet). Der Sekretionsdruck (Gallengangdruck) beträgt bis zu 20 mmHg
 
      Die Aufnahmekapazität der Gallenblase beträgt 20-50 ml. Die Gallenblasenwand entzieht der Galle in der interdigestiven Phase mittels aktivem Transport Natrium, Chlorid und Bicarbonat (Wasser folgt osmotisch nach), es entsteht Blasengalle. Die Konzentration an Gallensäuren, Cholesterin, Bilirubin kann bis zum 20-fachen des Ausgangswertes (Lebergalle) zunehmen, die Gallenflüssigkeit bleibt durch Bildung von Mizellen dennoch isoton. Wieviel Galle in das Duodenum gelangt, hängt ab vom Druckunterschied zwischen Gallengang und Duodenum einerseits, vom Strömungswiderstand des Sphincter Oddi andererseits. In der interdigestiven Phase ist der Tonus des sphincter Oddi hoch, derjenige der Gallenblasenwand niedrig, Lebergalle fließt in die Gallenblase. Die Gallenblase kontrahiert in der digestiven Phase (CCK-Rezeptoren in der Gallenblasenwand und auf cholinergen Nervenfasern; CCK relaxiert den sphincter Oddi), aber auch im Rahmen von MMCs (interdigestiver Gallenfluss)
 

 




  Die Informationen in dieser Website basieren auf verschiedenen Quellen: Lehrbüchern, Reviews, Originalarbeiten u.a. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit physiologischen Fragen, Problemen und Erkenntnissen anregen. Soferne Referenzbereiche angegeben sind, dienen diese zur Orientierung; die Grenzen sind aus biologischen, messmethodischen und statistischen Gründen nicht absolut. Wissenschaft fragt, vermutet und interpretiert; sie ist offen, dynamisch und evolutiv. Sie strebt nach Erkenntnis, erhebt aber nicht den Anspruch, im Besitz der "Wahrheit" zu sein.