Tonus und Bewegungen des Dünndarms
dienen der Optimierung der Verdauungs- und Resorptionsprozesse
(Vermischung des Chymus
mit Sekret und Enzymen

, Wechsel der Kontaktorte
mit der Schleimhaut) sowie Weitertransport. Die
Passagezeit des
~7 m langen Dünndarms beträgt 2-4 Stunden.
Die innere zirkuläre Muskelschicht ist stärker ausgeprägt als die
longitudinale äußere, und beide sind im proximalen Dünndarm (Duodenum,
Jejunum) umfangreicher als im distalen (Ileum). Das spiegelt die
Tatsache wider, dass mit zunehmender Entfernung vom Magen die Menge an
zu verarbeitendem Chymus abnimmt (distale Reservestrecke).
Die
Rhythmik der motorischen Vorgänge hängt von der Aktivität der interstitiellen (Cajal-)
Schrittmacherzellen
ab. Davon gibt es zumindest zwei Arten: Solche, die den basalen
Rhythmus generieren; und solche, die neuronale Impulse an glatte
Muskelzellen "übersetzen". Die meisten
Kontraktionszonen
erstrecken sich über höchstens 4 cm Länge, und sie treten in Abständen
von ~5 Sekunden (oder einem Vielfachen davon) auf. Gelegentlich treten
längerdauernde Kontraktionen auf, die von 10 Sekunden bis 8 Minuten
andauern. Es handelt sich um Segmentationen oder peristaltische Wellen;
erstere dienen der Durchmischung, letztere dem Weitertransport des
Darminhalts.

Näheres zur
Peristaltik s.
dort
Elektrische Entladungswellen (MMC: migrating motor complex) triggern im Nüchternzustand (interdigestive Phase) ca. eine Minute anhaltende Kontraktionswellen, die vom Magen ausgehend bis zum Colon weiterlaufen und eine ziemlich konstante Geschwindigkeit von ~5 cm/min aufweisen.
Sie treten etwa alle 90 Minuten auf und "reinigen" Magen und Dünndarm
von Nahrungsresten; das dämmt auch das Bakterienwachstum ein. Während
dieser Zeit produziertes Magen-, Gallen- und Pankreassekret "spült" den Darm.

Näheres zum
MMC s.
dort
Nach Nahrungsaufnahme (digestive Phase)
weichen die MMCs der typischen Misch- (Segmentationen) und
Transportmotorik (Peristaltik). Jeder Dünndarmabschnitt ist dann ca. 15
bis 35% der Zeit kontrahiert. Am häufigsten treten Segmentationen auf, die zeitlich um 5 Sekunden oder ein Mehrfaches davon (10, 15, 20 Sekunden) getrennt sind. Auf den - immer vorhandenen - basalen Organrhythmus (slow waves) sind dann kurze Entladungen ("Aktionspotentiale", spikes) aufgesetzt, welche die Kontraktion triggern.
Nicht jede Oszillation des Grundpotentials ist von Aktionspotenialen - und damit einer Kontraktion - begleitet. Ob Aktionspotentiale auftreten, hängt von nervösen und humoralen Begleitfaktoren ab. Intestinale Kontraktionen werden gefördert durch Serotonin, CCK, Gastrin, Motilin, Insulin; gehemmt werden sie durch Adrenalin, Sekretin, Glukagon. Die physiologische Bedeutung dieser Faktoren variiert.
Die Frequenz dieser Wellen
nimmt entlang des Dünndarms ab, von etwa 12 Zyklen pro Minute
(Duodenum) auf 8/min (terminales Ileum). Das Duodenum und die ersten 10
cm des Jejunums haben eine konstante Frequenz, ab dann nimmt diese mit
fortlaufender Strecke etwa linear ab.
Intestino-intestinaler Reflex:
Starke Dehnung eines Darmabschnitts hemmt generell die motorische
Aktivität des Darms; dieser Reflex ist durch autonom-nervöse
Reflexbögen mediiert, in die das ZNS involviert ist.
Resorptionsmechanismen, apikale und basolaterale Membran
Die an den Innenraum (Lumen) des Darmrohres grenzende innerste Schicht
ist aus Epithelzellen (Enterozyten, Mukosazellen) aufgebaut. Diese sind
polar organisiert (
Abbildung):
Abbildung: Enterozyt
Nach einer Vorlage bei Harvey Lodish et al, Molecular Cell Biology, WH Freeman 2016
Apikale und basolaterale Membran sind mit jeweils unterschiedlichen Transportsystemen ausgestattet (
vgl. dort). Sie sind durch ein Schlussleistensystem voneinander separiert.
Das
Muster ihrer Ausstattung mit Transportmolekülen (Permeasen, Pumpen,
Symportern, Antiportern) ist jeweils unterschiedlich und hängt von Zellart und Lokalisierung,
Situation und Anforderung ab
Eine Seite blickt zum Lumen und ermöglicht die
Resorption von Stoffen aus dem Chymus - die entsprechende Membran nennt man
apikal
(Apex = Spitze - der Zelle) bzw. luminal. Diese Membran ist in den
meisten Fällen zwecks Oberflächenvergrößerung zu zahlreichen winzigen
Ausstülpungen (Mikrovilli) gefaltet.
Die
andere Seite - seitlich und zum Interstitium (Blutseite) hin gerichtet - ist von
basolateraler
Membran überzogen. Über diese werden u.a. apikal resorbierte Stoffe
weitertransportiert, sie enthält in jedem Fall Na/K-ATPase, welche die
meisten Transportprozesse (sekundär) antreibt und
transzellulären Austausch verschiedener Stoffe erlaubt (A, C und D in der folgenden
Abbildung).
Die
Membranen (apikal und basolateral) sind unterschiedlich dicht mit Transportmolekülen
ausgestattet, deren Zahl (Expression) und Zustand
(Öffnungswahrscheinlichkeit) je nach Zellart und Lokalisierung,
Situation und Anforderung schwanken kann.
Das
Muster der Ausstattung der apikalen und basolateralen Membran mit Transportmolekülen (Permeasen, Pumpen,
Symportern, Antiportern) ist jeweils unterschiedlich und entscheidet
darüber, welche Ionen und Moleküle wie stark und in welche Richtung
durch die Zelle transportiert werden können.
Apikale und basolaterale Membran sind durch eine Linie voneinander abgegrenzt, in der ein
Schlussleistensystem (
tight junctions) einen Abdichtungsring rund um die Zelle aufbaut, für kleinere Ionen und Moleküle aber durchgängig ist (
parazellulärer Austauschweg, "B" in der
Abbildung).
Abbildung: Resorptionswege in der Darmschleimhaut
A:
Transzellulär mit Passage der apikalen (luminalen) und basolateralen
Membran - über Fettlöslichkeit (lipophil), geringe Molekülgröße
(Poren), oder Kanäle / Transportproteine
B: Parazellulär, mit geringer Kapazität - grüne Linie: Tight junctions (zonulae occludentes: Interzelluläre
Kontakte)
C: Transzytotisch mit rezeptormediierter Endozytose
D: Aufnahme in M-Zellen der Peyer-Plaques und Weitertransport in den Chylus (Darmlymphe)
Zur Vergrößerung der Resorptionsoberfläche s. dort
Darmzotten ziehen
sich rhythmisch zusammen und lassen dadurch einerseits den Speisebrei an
der Schleimhaut gleiten (zusätzlich zur Peristaltik),
andererseits treiben sie den Abtransport nährstoffreicher Lymphe an
("Zottenpumpe": pulsatile Kontraktion glatter Muskelzellketten transportiert Flüssigkeit über die Lymphgefäße ab).
Die insgesamt wirksame
Resorptionsoberfläche beträgt etwa 200 m2. Das Zottenepithel hat eine enorme Aufnahmekapazität und kann sich rasch
regenerieren - die Epithelschicht wird innerhalb von 2-6 Tagen komplett
ausgetauscht: "Mauserungszeit" (der Stuhl besteht z.T. aus abgestorbenen
Darmschleimhautzellen).
Dünndarm und Pankreas
Innerhalb
von Minuten nach der Ankunft sauren Mageninhalts im Duodenum nimmt die
Absonderung von Pankreassekret rasch zu und erreicht nach einer halben
Stunde einen Gipfelwert, der üblicherweise ~3/4 der Maximalantwort
entspricht (physiologische Selbsthemmung). Die Sekretion bleibt erhöht,
bis der Magen geleert ist.
Der Großteil (70-80%) der Anregung der Pankreassekretion erfolgt aus
dem Dünndarm, und zwar duch die Anwesenheit von Verdauungsprodukten und
Wasserstoffionen. Diese triggern die Freisetzung von
Sekretin
aus S-Zellen in der Mukosa (angeregt durch einem pH ab 4,5, ansteigend
bis pH 3,0 - Werte, die nur im proximalen Duodenum auftreten - sowie
hohe Konzentrationen langkettiger Fettsäuren) und
Cholezystokinin (CCK) aus I-Zellen in der Mukosa (angeregt durch
Aminosäuren, Peptide, Fette im Chymus). Acinuszellen im Pankreas exprimieren (beim Menschen) keine CCK-Rezeptoren; CCK wirkt offenbar auf vagale Afferenzen, die dann in der Bauchspeicheldrüse vagovagale Reflexe auslösen (die atropinblockierbar sind).
Die
Sekretions- bzw. Bicarbonatantwort auf eine Mahlzeit beruht auf der
Freisetzung geringer Mengen Sekretin, ausgelöst durch Ansäuerung des
Duodenum und via CCK cholinerg potenziert im Rahmen vagovagaler Reflexe.
Insulin potenziert die sekretionsfördernden Effekte von Sekretin und CCK (Diabetiker zeigen verminderte pankreatische Enzymsekretion).

Abbildung: Duodenum und Anregung des Pankreas
Nach einer Vorlage in Johnson: Gastrointestinal Physiology, 9th ed., Mosby 2019
Anregung der Sekretion von Pankreassaft während der intestinalen Phase.
CCK wirkt nicht auf Azinuszellen direkt, sondern über vagale Afferenzen
(die über CCK-Rezeptoren verfügen) und Aktivierung eines vago-vagalen
Reflexes, der die Azinuszellen cholinerg anregt
AAs, Aminosäuren; ACh, Acetylcholin; CCK, Cholezystokinin; FAs, Fettsäuren