Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

     
Mineral- und Eisenhaushalt des Körpers, Knochensystem

Physiologie des Knochens - zellulär, lokal
© H. Hinghofer-Szalkay

Cathepsine: καθεψειν = verdauen (Proteasen!)
Compacta: pangere = befestigen, dichten
Osteoblast:
ὀστέον = Knochen, βλάστος = Spross, Keim
Osteoklast: κλάστειν = (zer)brechen
Osteonectin: nectere = anbinden, verknüpfen
Osteoprotegerin: protegere = beschützen (hier: vor Abbau)
Sclerostin: σκληρός = hart (Knochen)
Spongiosa: spongia = Schwamm, weicher Panzer
WNT: Nach Wingless und Int-1 benannter Signaltransduktionsmechanismus (Mutation bedingt Flügelverlust bei Taufliegen)


Mechanische. metabolische und hormonelle Einflüsse steuern den Knochenstoffwechsel: Belastungen steigern, Inaktivität senkt die Knochenmasse; Azidose kann den Knochenabbau fördern; osteoblastenstimulierende Faktoren (z.B. Calcitonin) fördern die Knochenbildung, osteoklastenanregende (z.B. Parathormon) den Abbau (dabei wird Ca++ frei, das hebt den Calciumspiegel im Blut).

Es gibt drei knochenspezifische Zelltypen: Osteoblasten bauen frische Knochensubstanz ein; Osteoklasten lösen an Resorptionslakunen Knochensubstanz auf; Osteozyten detektieren im Knochen auftretende Kräfte (Mechanosensoren).

Diese Zellen kooperieren: So aktivieren Osteoblasten Osteoklasten - das erfolgt über den RANK-RANKL-Mechanismus. RANK ist ein Membranprotein auf Osteoklasten, das durch Bindung von Liganden (RANKL) auf Osteoblasten oder Stromazellen aktiviert wird. RANK aktiviert einen für Bildung und Überleben der Osteoklasten unverzichtbaren Transkriptionsfaktor.

Ein weiterer RANKL-Rezeptor konkurriert um die Bindung: Das Osteoprotegerin. Das Gleichgewicht Osteoprotegerin / RANKL (beide werden von Osteoblasten exprimiert) steuert die Balance zwischen Neubildung und Abbau des Knochens.

Dieses Gleichgewicht wird zusätzlich beeinflusst durch lokale Einflüsse einerseits (cross-talk zwischen Osteoblasten und Osteoklasten), systemische Faktoren andererseits (Parathormon, Geschlechtshormone, Glucocorticoide, Vitamin-D-Hormon, Zytokine, Wachstumsfaktoren).


Mechanische und hormonelle Einflüsse  Zellen der Knochenmodellierung Endokrine Achse Knochen-Muskel Regulation des Knochenstoffwechsels


WNT
    Sclerostin    Osteocalcin    Osteonectin    Osteopontin    NFκB, RANK, RANKL, Osteoprotegerin    Osteoid   BMPs

Knochenschwund        Core messages
  
Der wichtigste stärkende (trophische) Einfluss auf den Knochenstoffwechsel ist mechanische Belastung. Nimmt diese zu, baut der Knochen zusätzliche tragende Struktur auf; nimmt sie ab, atrophiert die Knochensubstanz (Osteoporose). Aufenthalt im schwerelosen Zustand oder prolongierte Bettlägrigkeit kostet mehr als 1% der Knochensubstanz pro Monat.
 
Das Einwirken von Kräften beeinflusst das Gleichgewicht von Auf- und Abbau im Knochen
 
Etwa 75% der Knochensubstanz besteht aus Compacta (cortical / compact / lamellar bone) in den Außenzonen der Röhren- und flachen Knochen, der die Hauptlast der Kräfte trägt, die auf das Skelett einwirken; innen finden sich die maschenartig angeordneten Bälkchen des trabekulären Knochens (Spongiosa) (trabecular / cancellous / medullary bone), dessen Struktur ebenfalls von einwirkenden Kräften bestimmt wird (~25% der Knochenmasse). Hier steht eine wesentlich größere Oberfläche für dynamischen Austausch zur Verfügung, und die Spongiosa ist besonders anfällig für osteoporotische Schwächung (z.B. in Wirbelknochen).
 

Abbildung: Regelkreise der Calciumhomöostase
Nach einer Vorlage bei Pearson Education / Benjamin Cummings 2001

"Calcium-Schaukel": Das Gleichgewicht von Einbau in den Knochen, und Mobilisierung aus dem Knochen wird durch das Zusammenwirken hormoneller Faktoren - insbesondere Calcitonin aus parafollikulären Zellen und Parathormon aus den Epithelkörperchen - geregelt. Dies zeigt die zentrale Bedeutung der Schilddrüse für die Calciumhomöostase in Blutplasma und interstitieller Flüssigkeit


Jedes Knochenbälkchen und jedes Modul kompakten Knochens (basic multicellular unit, BMU) passt die Tragfähigkeit seiner Strukturelemente laufend an mechanische Belastungen an. Man schätzt die Zahl der jeweils aktuell aktiven BMUs im Skelett eines Menschen auf insgesamt 2 Millionen.
Die auftretenden Spitzenkräfte (Maximalbelastbarkeit des Lamellenknochens ~1 Tonne je cm2; Tragfähigkeit des Femur über 1,6 Tonnen) sind die maßgebliche Größe für das Gleichgewicht von Abbau (Osteoklasten ) und Neubildung (Osteoblasten ). An jeder betreffenden Stelle besteht dadurch gerade das richtige Maß an Knochensubstanz; Neubildung erfolgt an Orten der Materialermüdung bzw. -beschädigung (microdamages).

Calciumphosphate sind relativ schwer löslich und bilden bei Überschreitung des Löslichkeitsproduktes Kristalle (Apatit u.ä.).
Das Löslichkeitsprodukt - Produkt der Konzentrationen von Ca++ und HPO42-, das gerade noch volle Löslichkeit erlaubt - ist ein Maß für die Löslichkeit; groß bei leicht löslichen, klein bei schwer löslichen Salzen.

     Im Knochen ist diese Überschreitung notwendig, um neue Knochensubvstanz bilden zu können. Für extrazelluläre Flüssigkeiten gilt ansonsten, dass der Phosphatspiegel bei Erhöhung des
Ca++-Spiegels gesenkt werden muß (und vice versa), um ein Ausfallen von Kristallen (Verkalkung, Steinbildung) zu verhindern.

Das
Knochenzellsystem reagiert auf physikalische und biochemische Zustandsvariable:

      Mechanische Kräfte in der unmittelbaren Umgebung (Röhren- und Trabekelknochen: Zu- oder Abbau je nach Belastungsmuster). Stärker belastete Elemente nehmen an Masse zu (z.B. auch nach einer Fraktur), während andere, weniger belastete abnehmen. Der Knochen kann so auch seine Form modifizieren (Callusbildung nach Knochenbrüchen).
 
Schon Galileo Galilei hat erkannt, dass zur Erhaltung der Knochensubstanz mechanische Belastung erforderlich ist. Die moderne wissenschaftliche Analyse der kraftabhängigen Knochenphysiologie hat erst vor wenigen Jahrzehnten begonnen (z.B. durch Harold M. Frost, der den Begriff des "Mechanostaten" für die Funktion der Osteozyten eingeführt hat).

      Hormonelle Einflüsse. Der Knochen ist ein Calcium- und Phosphatspeicher (70 kg schwerer Mensch: ~1000 g Calcium - über 99% der Menge im Körper - und ~600 Gramm Phosphor - 85%); calciumsensitive Rezeptoren (CaSR) an verschiedenen Zellen messen Veränderungen des extrazellulären Ca++-Spiegels. Dies führt zur Ausschüttung entsprechender Hormone, welche wiederum die Knochenzellen zur Korrektur des Calciumspiegels veranlassen, indem sie Calcium mobilisieren oder die Speicherung im Knochen zu erhöhen trachten:
 
       Parathormon
 
       Vit-D3-Hormon
 
       Calcitonin
 
       FGF23
   
Spezialisierte Zellen bewirken Homöostase im Knochen
    
Der Knochen ist eine Struktur von hoher Druck- und Zugfestigkeit und unterliegt einer intensiven biologischen Dynamik. Der Auf-, Um- und Abbau - entsprechend mechanischen und anderen Anforderungen - wird vom Zusammenspiel verschiedener Zellarten bewerkstelligt: Osteoblasten bauen Knochen auf, Osteozyten sind in den Knochen "einzementierte" Kraftsensoren, Osteoklasten lösen Knochensubstanz auf; dazu kommen phagozytierende Zellen aus dem Kreislauf (Makrophagen / Monozyten) sowie Zellen, die Zytokine und andere Mediatoren produzieren (Endothelzellen, Lymphozyten).
 
Osteoblasten  Osteozyten
Osteoklasten
  
Der Knochen dient als Calciumpuffer für den gesamten Organismus. Die An- und Abbauvorgänge wirken sich einerseits auf den Calcium- und Phosphatspiegel in der extrazellulären Flüssigkeit aus (kurzfristig), andererseits (langfristig) auf die Festigkeit der Knochenstruktur. Knochen wird durch drei hauptsächliche Zelltypen geformt und remodelliert: Osteoblasten (Neubildung von Knochensubsztanz, Expression von RANKL und Osteoprotegerin), Osteozyten (Mechanosensoren, Produktion von Sclerostin) und Osteoklasten (Resorption, Expression von RANK).
 
Osteoblasten
 

Osteoblasten entwickeln sich aus mesodermalen Stromazellen, aus denen auch Muskel-, Fett- oder Knorpelzellen werden können. Verschiedene parakrine und endokrine Faktoren steuern diese Entwicklung. Beispielsweise spielt der knochenspezifische Transkriptionsfaktor Runx2 (Runt-related transcription factor 2) eine Schlüsselrolle für die Differenzierung der Osteoblasten (dieser Faktor ist bei Patienten mit kleidokranialer Dysplasie - einer seltenen Unterentwicklung des Schlüsselbeins - mutiert).
 
  

Abbildung: Knochenzellen und Sclerostin
Nach Holdsworth G, Roberts SJ, Ke HZ. Novel actions of sclerostin on bone. JME 2019; 62: R167-85


Osteoklasten bauen Knochensubstanz ab, sie stammen aus Prä-Osteoklasten, die wiederum von Monozyten abstammen.
 
Das aus Osteozyten stammende Sclerostin wirkt (bei sinkender mechanischer Belastung von Knochengewebe) im Sinne des Knochenabbaus: Es fördert die Differenzierung von Prä- zu aktiven Osteoklasten und hemmt diejenige von Stammzellen
(deren Entwicklung zu Adipozyten es fördert) zu Prä-Osteoblasten sowie von diesen zu aktiven Osteoblasten, indem es den WNT-Signalweg (s. Definition) inhibiert. Auch fördert es die Apoptose von Osteoblasten

 
    WNT ist eine Gruppe von Signaltransduktionswegen, die durch para- oder autokrine Signale auf Rezeptoren in der Zellmembran reagieren. Diese Signalwege spielen für Wachstum, Differenzierung und Migration von Zellen eine Schlüsselrolle, u.a. in der Embryogenese (und im Knochen).

    Das Glycoprotein Sclerostin (SOST) wird von Osteozyten exprimiert - nach Maßgabe der mechanischen Belastung des Knochens: Je geringer diese ist, desto mehr Sclerostin entsteht. Sclerostin bindet an Rezeptoren in der Membran von Osteoblasten, und über den WNT-Signalweg hemmt es den Aufbau frischer Knochensubstanz ( Abbildung), z.B. in chronisch unterbelasteten Knochen (Bettlägrigkeit, Astronauten).
Bei erhöhter mechanischer Belastung führt die Repression von SOST zu vermehrter Differenzierung von Osteoblasten, Bildung neuer Osteozyten und Aufbau neuer Knochensubstanz.
 
Mutationen des SOST-Gens mit Funktionsverlust führen zu exzessivem Knochenwachstum (Sklerostose).


Osteoblasten
stammen von Vorläuferzellen ab, die sich im Periost und im Knochenmark befinden. Sie sind in Gruppen angeordnet, diese funktionellen Einheiten werden als Osteone bezeichnet. Osteoblasten bewerkstelligen die Knochenbildung, vor allem durch die Synthese von Kollagen. Auch beteiligen sie sich an der Aktivierung von Osteoklasten.

Zu den Komponenten, welche
der Knochenstruktur (ähnlich wie bei Stahlbeton) mechanische Belastbarkeit sowohl im Sinne von Druck als auch von Zug ermöglichen, gehören:

       Die Bildung einer organischen Matrix - des zunächst nicht-mineralisierten Osteoids -, einer Gerüststruktur, die vorwiegend aus Typ-I-Kollagen besteht. Die organische Matrix verleiht dem Knochen Zugfestigkeit und Elastizität.
 
       Die Herstellung einer lokalen Umgebung (micro-environment), welche die Kristallisation von Calciumphosphat reguliert.
Bestimmte Eiweiße - z.B. das Vit-K-abhängige, Calciumionen mit hoher Affinität bindende Matrix Gla-Protein (MGP, nach seiner Gamma-Carboxyglutamin Domäne benannt) - verhindern das Ausfällen von Calciumphosphat, die Ionenkonzentrationen liegen im Bereich des Löslichkeitsprodukts.
Alkalische Phosphatase an der Oberfläche von Knochenzellen begünstigt hingegen die Bildung und Ablagerung von Hydroxylapatit.
 
      Synthese des Calciumphosphat-regulierenden FGF 23.
   
Osteoblasten synthetisieren weiters

   das Zytokin M-CSF (monocyte colony-stimulating factor), das über Bindung an seinen Rezeptor an Vorläuferzellen von Osteoklasten deren Expression von RANK und damit die Reifung zu aktiven Osteoklasten anregt

   Proteoglykane, stark glykosylierte Proteine der extrazellulären Matrix, die Zellverbände stabilisieren

   Osteocalcin:
 
 
  Osteocalcin (auch: bone gamma-carboxyglutamic acid-containing protein BGLAP) ist ein - exklusiv - von Knochen (Osteoblasten) und Zähnen (Odontoblasten) gebildetes 6-kDa Peptid, das an Stellen der Knochenneubildung entsteht. Es bindet intensiv Calciumionen, abhängig von Vitamin K (die Knochenmatrix enthält ca. 2% Osteocalcin) und gilt als Knochenaufbaumarker. Calcitriol (Vit. D) regt seine Synthese an.
 

Abbildung: Osteocalcin als multifunktionales Hormon
Nach Karsenty G, Ferron M, The contribution of bone to whole-organism physiology. Nature 2012; 481: 314-20

Osteocalcin aus Osteoblasten bindet Calcium im Knochen, es gilt als Aufbaumarker. Es wirkt aber auch endokrin auf zahlreiche weitere Gewebe: der Knochen ist ein Hormonproduzent


Osteocalcin regt darüber hinaus den Stoffwechsel im Sinne vermehrter Energiefreisetzung an (verbesserte Insulinempfindlichkeit) und stimuliert beim Mann Testosteronproduktion, Spermienbildung und Fertilität ( Abbildung).

Osteocalcin wirkt über Osteocalcinrezeptoren, die zur Gruppe der G-Protein-assoziierten Rezeptoren gehören. Man findet sie u.a. in
 
      Myozyten des Skelettmuskels (wo Osteocalcin die Energieverfügbarkeit steigert),
 
      Adipozyten (Osteocalcin triggert hier die Freisetzung von Adiponektin, das die Insulinempfindlichkeit erhöht),
 
      Leydig-Zwischenzellen (wo Osteocalcin die Testosteronproduktion anregt),
 
      ß-Zellen im Pankreas (deren Insulinsekretion gesteigert wird),
 
      Nervenzellen (Osteocalcin fördert Lernen und Gedächtnis).

   Osteocalcin (Plasma / Serum)
Frauen: 21-30 Jahre 4-20 µg/l, ≥31 Jahre 4-12 µg/l
Männer: 21-30 Jahre 6-20 µg/l, ≥31 Jahre 4-12 µg/l
Kinder: 1-10 Jahre 10-50 µg/l, 11-15 Jahre 10-100 µg/l, 16-20 Jahre 10-50 µg/l
Biologische Halbwertszeit 4 Minuten

 
   Osteonectin ist ein 35-kDa Glycoprotein, das sowohl an Calcium als auch an Kollagen bindet und so anorganische und organische Komponenten miteinander verknüpft (daher die Bezeichnung). Osteonectin wird im Zuge des Knochenaufbaus von Osteoblasten sezerniert (auch von Fibroblasten, z.B. im Periodontium der Zähne). Es bindet auch an andere extrazelluläre Matrixmoleküle, vermittelt Wechselwirkungen zwischen Matrix und Zellen (es hat anti-adhäsive Wirkung), beeinflusst Zellmigration und Angiogenese, beteiligt sich an Knochenstoffwechsel (es erhöht die Produktion und Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen) und Wundheilung (es wird auch von Makrophagen synthetisiert).
 
Osteonectin wird auch als
SPARC (secreted protein, acidic and rich in cysteine) bezeichnet.

     Ein verknüpfendes Glycoprotein ist auch Osteopontin (300 AS; auch: Sialoprotein I), das sich an der Synthese der Knochenmatrix beteiligt und einerseits Integrine, andererseits Hydroxylapatit binden kann (es ist negativ geladen und regt die Phosphorylierung in Knochen, Otolithen u.a. an). Es wird von Osteoblasten und Osteozyten (Vit. D3 regt seine Bildung an), aber auch zahlreichen anderen Zellen exprimiert (dendritische Zellen, Endothel, Gehirn, Nieren, Muskulatur, Knorpel u.a.). Osteopontin ist wesentlich am fortwährenden Vorgang des Knochenumbaus (bone remodeling) beteiligt, indem es Osteoklasten an der Resorptionsoberfläche fixieren hilft.
 


Abbildung: Knochenbildung und -resorption
Nach einer Vorlage in
Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Parakrine Mechanismen regulieren Bildung und Aktivität von Osteoklasten. Die Kristallisationszone (Bildung von Apatit) ist rot angedeutet (links)
 
Osteoklasten - und ihre Vorläufer - verfügen über einen Rezeptor, der den nukleären Faktor κB aktivieren kann und als RANK (receptor activator of nuclear factor κB) bezeichnet wird. Das heisst, Osteoklastenvorläufer werden über Bindung eines Liganden (RANK-L) auf Osteoblasten aktiviert und differenzieren sich zu reifen Osteoklasten.
 
Osteoprotegerin (OPG) ist ebenfalls ein Produkt von Osteoblasten. Es interagiert mit dieser Bindung - bindet ebenfalls RANKL - und läßt die Osteoklasten "ausgeschaltet"


Osteoblasten steuern Osteoklasten über den RANK-RANKL-Osteoprotegerin- Mechanismus ( Abbildung). Dieser sorgt für ein Gleichgewicht von Auf- und Abbau im Knochen (s. auch Abbildung unten):
 
     NF-κB (Nuclear factor κB) ist ein weit verbreiteter Transkriptionsfaktor, er ist für Bildung und Überleben der Osteoklasten essentiell.
 
RANK
(Receptor activator of nuclear factor κB) ist ein membranständiges Rezeptorprotein auf zahlreichen Zellen, u.a. Osteoklasten, das
entsprechende Liganden (RANKL) binden kann. Aktivierung von RANK auf Osteoklasten führt (über nukleären Faktor κB) zu vermehrtem Um- und Abbau von Knochensubstanz.
 

RANKL
(RANK-L, L für Ligand) ist ein Membranprotein, das ebenfalls von zahlreichen Geweben - auch Osteoblasten - exprimiert wird und an mehrere Bindungspartner koppeln kann: Beispielsweise an RANK auf Osteoklasten, was diese anregt. RANKL kann aber auch Osteoprotegerin binden:
 
Osteoprotegerin (OPG) ist ein von zahlreichen Zellarten - auch Osteoblasten - exprimiertes, lösliches Glycoprotein, das - wie RANK - an RANKL bindet, dadurch die Bindung an (auf Osteoklasten-.Vorläuferzellen sitzendes) RANK kompetitiv verhindern kann ("decoy receptor") und die Differenzierung zu aktiven Osteoklasten hemmt (den Knochen dadurch vor Abbau schützt, daher der Name).
 
Auf diese Weise dämpfen Osteoblasten durch Produktion von Osteoprotegerin selbst die Differenzierung von Osteoklasten, die sie andererseits durch RANKL anregen.

Aktives Vitamin D3 fördert die Bildung von RANKL und inhibiert die von Osteoprotegerin - mit der Folge
angeregten Knochenumbaus.

Sowohl bei Östrogenmangel als auch bei erhöhtem Glucocorticoidspiegel scheint das Gleichgewicht zwischen der OPG- und RANKL- Bildung durch Stroma- bzw. Osteoblastenzellen ein wichtiger Faktor für das Osteoporoserisiko zu sein: In beiden Fällen sinkt die Produktion von OPG und steigt diejenige von RANKL.

Ein weiterer essentieller Faktor für die Aktivierung von Osteoklasten ist der Makrophagen-Wachstumsfaktor M-CSF, exprimiert von Stromazellen im roten Knochenmark.
 
Endokrine Achse Muskel - Knochen - Muskel: Osteoblasten reagieren (mittels ihres IL-6-Rezeptors) auf Interleukin 6. IL-6 stammt u.a. aus Myozyten in aktiven Skelettmuskeln. Sie geben es in den Kreislauf ab, und Osteoblasten bilden RANKL. Osteoklasten steigern darauf die Freisetzung von Osteocalcin (s. oben), und Osteocalcin regt wiederum den Stoffwechsel der Skelettmuskulatur an.

Der Knochen ist demnach Teil eines hormonellen Regelkreises, der den Bewegungsapparat stärkt ( Abbildung).
 

Abbildung: Interleukin 6 erhöht die Leistungsfähigkeit der Muskulatur via Osteocalcin
Nach Chowdhury S et al, Muscle-derived interleukin 6 increases exercise capacity by signaling in osteoblasts. J Clin Invest. 2020; 130: 2888-902

Mehrere Zytokine unterstützen die Muskelfunktion und steigern die Arbeitskapazität. Der Interleukin-6- (IL-6) Spiegel steigt bei körperlicher Belastung deutlich an.
 
Auch Hormone können die Muskelfunktion steigern; Osteocalcin regt die Expression von IL-6 im Muskel an. Möglicherweise steigert IL-6 die Expression von RANKL


NF-κB ist für Bildung und Überleben der Osteoklasten essentiell - wie auch M-SCF (Macrophage colony-stimulating factor) und der WNT-Signalweg (s. oben).

  
  Parathormon stimuliert die Expression von M-SCF und RANKL durch Osteoblasten (diese tragen Parathormonrezeptoren), und fördert so die Osteoklastentätigkeit. Parathormon steigert den Ca++-Spiegel indirekt, indem es (via Osteoklasten) Calcium aus dem Knochen mobilisiert.
 
  Intermittierende Parathormongabe (eine Injektion / Tag) fördert die Osteoblastenaktivität, steigert die Knochendichte und reduziert die Frakturgefahr. Dieser Effekt beruht auf multiplen Mechanismen, wie vermehrter Bildung von IGF-1, verringerter Apoptose der Osteoblasten, sowie verringerter Produktion von Sclerostin:


Neben RANK gibt es einen zweiten RANKL-Rezeptor: Das Osteoprotegerin (s. oben). Es konkurriert um die Bindungsstelle und kann RANKL so "abfangen". Über das Gleichgewicht Osteoprotegerin / RANKL (beide werden von Osteoblasten exprimiert) wird die Balance Neubildung / Abbau gesteuert. Dieses Gleichgewicht wird zusätzlich beeinflusst
 
     durch lokale parakrine Einflüsse (cross-talk zwischen Osteoblasten, Osteoklasten, wahrscheinlich auch Osteozyten)
 
     durch zahlreiche systemische Faktoren (Parathormon, Geschlechtshormone, Glucocorticoide; Vitamin D; Zytokine, z.B. IL-1; Wachstumsfaktoren).
 
Osteozyten
 
Osteozyten sind die langlebigsten und häufigsten (90-95%, etwa das Zehnfache der Anzahl von Osteoblasten) aller Knochenzellen im Skelett erwachsener Personen. Sie haben sich in die Knochensubstanz in Lakunen "eingemauert" und strecken etwa 40-100 dendritische Fortsätze in lakunokanalikuläre "Mikrotunnel" im Knochen aus, wo sie über gap junctions untereinander kommunizieren und - zusammen mit Osteoblasten - mechanorezeptiv tätig sind.
 

Abbildung: Osteozyten im lakuno- kanalikulären System
Nach Qin L, Liu W, Cao H, Xiao G. Molecular mechanoreceptors in osteocytes. Bone Res 2020; 8: 3

Oben links: Raster- Elmi- Aufnahme von Osteozyten (vergrößerter Ausschnitt oben rechts, man erkennt zahlreiche kanalikuläre Verbindungen).

Unten: Skizze zweier Osteozyten mit Darstellung vom Fokalkontakten (focal adhesions, verankern das Zytoskelett an der extrazellulären Matrix), gap junctions, primären Zilien, Zytoskelett, Ionenkanälen (Piezo = mechanosensibles Piezo-Protein, VSC = spannungssensitiver Calciumkanal), perizellulärer Matrix der Lakune.
 
In den Canaliculi finden sich im Abstand von etwa 0,1 µm an der knöchernen Wand befestigte "Kollagenhügel" (collagen hillocks) zur Fixierung extrazellulärer Matrix und der Zellmembran der dendritischen Fortsätze


Osteozyten regulieren die ossäre Homöostase durch direkten Einfluss auf die Mineralisierung (Calciumeinbau) und indirekten Einfluss über Kontrolle von Osteoblasten und Osteoklasten durch Sekretion regulatorischer Faktoren (NO, ATP, Prostaglandin E2 fördern die Differenzierung von Osteoblasten, Sclerostin u.a. hemmen diese) und Einfluss auf Signalsysteme (WNT, s. oben). Osteozyten sind auch endokrin tätig: Über FGF23 senken die die Parathormonbildung in den Epithelkörperchen der Schilddrüse, erhöhen die renale Phosphatausscheidung, beeinflussen allfällige Calcifikation in Blutgefäßen. Auch verfügen sie über Hormonrezeptoren (z.B. für Parathormon).

Die wohl wichtigste Aufgabe der Osteozyten ist die Detektion mechanischer Belastung im Knochen und ihre regulatorischen  Reaktionen darauf. Dies involviert Genexpression, Proteinsynthese, sowie Differenzierung und Wachstum von Knochenzellen.



In das lakuno-kanalikuläre System (Knochenkanälchen) ragen Zilien der Osteozyten (Lakunen) sowie Integrinbrücken der dendritischen Zellfortsätze (Canaliculi), und extrazelluläre (interstitielle) Flüssigkeit bewegt sich an diesen mechanosensiblen Strukturen vorbei - entsprechend den Verformungen des Knochens, die bei Belastung auftreten. Die Scherung (shear stress) - hervorgerufen durch die Lateralbewegung extrazellulärer Flüssigkeit, ähnlich wie die Bewegung von Endolymphe in den Bogengängen des Innenohrs - ist der wichtigste Reiz, der dabei Osteozyten zu Reaktionen veranlasst. Der Ducrhmesser der Canaliculi beträgt lediglich 210-260 nm, also etwa ein Viertel eines Mikrometers. Hier müssen der dendritische Zellfortsatz, extrazelluläre Matrix und Flüssigkeit Platz finden.
 
Vibration kann Hin- und Herbewegung kanalikulärer Flüssigkeit bewirken und könnte auf diese Weise ebenfalls einen anabolen Effekt auf den Knochen ausüben. Das eröffnet die Möglichkeit einer Osteoporoseprophylaxe z.B. durch Vibrationsplatten, die Resultate einschlägiger Studien sind allerdings widersprüchlich.

Mechanosensible Membranrezeptoren setzen die auftretenden Kräfte im Osteozyten so um, dass dieser Knochensubstanz anbaut (Osteozyten verfügen über spannungsgesteuerte Calciumkanäle vom T-Typ, Abbildung). Das Osteozyten-Netzwerk funktioniert insgesamt wie ein mechanosensibler Computer: Knochenmasse wird dort gebildet, wo die Belastungen zunehmen. Wie die einzelnen Stufen der Funktionskette - die Übertragung von Kräftemustern auf Osteozyten und deren konsekutive Reaktionsmechanismen - im Einzelnen funktionieren, ist Gegenstand aktueller Forschung.
  

Abbildung: Fokale Adhäsionen an Zellkörper (links) und Dendriten (rechts) von Osteozyten
Nach Qin L, Liu W, Cao H, Xiao G. Molecular mechanoreceptors in osteocytes. Bone Res 2020; 8: 3

Links: Befestigung des Zellkörpers in der Lakune. Heterodimere Integrine lagern sich extrazellulär an die perizelluläre Matrix, intrazellulär an das Aktingerüst des Zytoskeletons an. Vinculin und Paxillin dienen als Adhäsionsmoleküle.

Rechts: Fixierung der Dendritenfortsätze durch Integrin-Heterodimere. Pannexin 1 ist ein Membrankanal für Calciumionen, ATP u.a.; P2X7R ein purinerger Rezeptor (für ATP); und CaV3.2-1 ein T-Typ Calciumkanal


Aktinfilamente spielen eine tragende Rolle für die Erhaltung der Gestalt und Funktion der Osteozyten. Sie werden dabei unterstützt von Mikrotubuli, die auch die Calciumdynamik (Ca-Kanäle) sowie Sclerostinbildung (Genexpression) beeinflussen, sowie von intermediären Filamenten. Eine besondere Aufgabe übernehmen (primäre) Zilien, die aus dem Zellkörper der Osteozyten in den Lakunenraum ragen ( Abbildung oben) und mechanische Reizung (Strömung extrazellulärer Flüssigkeit, shear stress) in regulatorische Reaktionen der Zelle umzumünzen erlauben. Dabei spielen auch (mechanosensitive) Ionenkanäle eine Rolle (z.B. Piezo 1,  Abbildung oben); innerhalb einer Minute nach mechanischer Reizung steigt die Ca++-Konzentration in Osteozyten. (Je mehr dieser Kanäle in menschlichen Knochen exprimiert werden, desto geringer ist die Anfälligkeit für Osteoporose.) Schließlich beteiligen sich Komponenten der zwischen Wand der Canaliculi und Dendritenfortsätzen gelegenen Glycocalyx aktiv an der Mechanotransduktion der Osteozyten - insbesondere Catenine (Wnt-Signalweg), Integrine (fokale Adhäsionspunkte).
 
Parakrine Faktoren
: Osteozyten bilden RANKL sowie Sclerostin (einen Inhibitor des
WNT-Signalweges, Abbildung oben), das die Neubildung von Knochen hemmt (anti-anaboler Effekt).
 
      Die Sclerostinbildung der Osteozyten wird gehemmt durch mechanische Belastung, Parathormon und mehrere Zytokine.
 

      Die Sclerostinbildung der Osteozyten wird angeregt durch Calcitonin.

Auf diese Weise ist die Aktivität der Osteozyten durch endokrine Feedback-Schleifen reguliert.

  
Osteoklasten
 
Osteoklasten entwickeln sich aus Vorläuferzellen (angeregt durch Zytokine, Parathormon) und fusionieren zu vielkernigen Riesenzellen. Diese streifen über die Oberfläche der Knochenstrukturen und bauen diese ab, wobei sie ringförmige Abdichtungszonen aufbauen - mittels Integrin-Vitronectin-Brücken ( Abbildung unten). Durch den Abbau von Knochensubstanz entstehen auf ihrer Oberfläche kreisförmige Lakunen bzw. (wenn die Osteoklasten weiterwandern) streifenförmige Vertiefungen.

Aktive Osteoklasten sezernieren

      hydrolytische Enzyme, wie Cathepsine , zum Abbau der organischen Matrix. Dabei werden im Osteoid "gefangene" Zytokine - wie IGF-1 - frei, die wiederum Osteoblasten aktivieren, bevor an den betroffenen Stellen neues Osteoid deponiert wird,
 
      H+ zur Auflösung der Apatitkristalle.

Cathepsine (CTSA bis CTSZ) sind Endoproteasen, die in Lysosomen (manchmal auch Endosomen) gespeichert werden und an verschiedenen proteolytischen Vorgängen beteiligt sind (z.B. intrazellulär: Abbau von Zellorganellen, extrazellulär: Abbau extrazellulärer Matrix, von Basalmembranen oder Knochensubstanz, Angriffe durch Lymphozyten oder Granulozyten) und auch an Gefäßneubildung und Wundheilung mitwirken.

     Osteoid nennt man die organische Proteinmatrix des Knochens - bestehend aus Kollagen (
Typ-I-Kollagen: ~90% der Proteinmasse des Osteoids) und anderen extrazellulären Matrixproteinen. Die Bestandteile des Osteoids stammen zum größten Teil aus Osteoblasten. Die Kollagenfasern sind hochorganisiert angeordnet und bilden Startpunkte für die Mineralisierung des Knochens: Hydroxyapatitkristalle formieren sich mit ihrer Längsachse parallel zu den Kollagenfasern.
Zu Osteocalcin und Osteonectin (anderen Proteinen des Osteoids)
s. oben.
 
"Auffüllen" von Lakunen (remodeling): Nach Resorption einer Lakune durch Osteoklasten (Abbildungen) lagern sich in diese Präosteoblasten ein, entwickeln sich zu Osteoblasten und bilden frische Knochenmatrix. Hat das neue Osteoid ein Ausmaß von ~20 µm Durchmesser erreicht, beginnt die Calcifizierung. Ein kompletter Erneuerungszyklus nimmt etwa 6 Monate in Anspruch. Dabei entstehen kleine strukturelle Defizite, die sich im Laufe des Lebens addieren und - beginnend mit dem Abschluss der Wachstumsphase - altersabhängige Knochenschwächung (age-related bone loss) bedingen.

 
 
Abbildung: Osteoklast und Knochenresorption
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Der Osteoklast bewegt sich über die Oberfläche der Knochenmatrix, an "reparaturbedürftigen" Stellen bleibt er stehen und bildet eine kreisförmige Integrin-Vitronektin- Abdichtungszone. Innerhalb dieser Zone (Resorptionslakune) sezerniert er Salzsäure (Protonenpumpe: H+, Chloridkanal: Cl-) und Proteasen, z.B. Kathepsin (Lysosomen). Das löst sowohl die Mineralphase als auch Kollagen auf. Die Funktion der tartratresistenten sauren Phosphatase (TRAP) wird noch untersucht.
 
Karboanhydrase (CA) im Osteoklasten sorgt für den Nachschub an Wasserstoffionen, die sezerniert werden, um Calciumcarbonat (CaCO3) aufzulösen. Bicarbonat wird mittels HCO3--Cl--Austauscher in das Interstitium befördert. Der gesamte Vorgang wird durch weitere Systeme am Bürstensaum, wie Natrium-Calcium-Austauscher oder Natrium-Protonen-Austauscher (nicht gezeigt) unterstützt.

    ClC7, Chloridkanal-Isoform    IL-6, Interleukin
 

  Zu diversen Transportern s. dort


Osteoklasten sind über Parathormon (Anregung) / Calcitonin (Hemmung) in die Ca++-Homöostase eingebunden: Sie lagern Calcium in frischen Knochen ein, entziehen es dem Plasma und senken dadurch den Ca++-Spiegel im Blut. Dazu kommen Monozyten / Makrophagen, Lymphozyten und Endothelzellen, welche vor Ort Zytokine und andere Mediatoren freisetzen.
 
Östrogene und Knochen: Östrogene hemmen die Bildung und Reifung von Osteoklasten und senken (mit TGF-ß) ihre Anzahl, indem sie auf aktive Osteoklasten apoptosefördernd wirken. Auf diese Weise wirken sie osteoanabol und antiosteoporotisch, sie erhalten die Integrität des Knochens. Östrogene sind weiters für den Schluss der Epiphysenfugen verantwortlich (peripubertärer Konzentrationsanstieg sowohl bei Frauen als auch bei Männern). Östrogenrezeptoren wirken hauptsächlich transkriptionsfördernd.
 
Regulation des Knochenstoffwechsels
 

Geregelt wird die Aktivität dieser Zellen durch mechanische Belastung und Zytokine / Wachstumsfaktoren wie Osteocalcin, alkalische Knochenphosphatase, TGF-ß. Faktoren wie Osteocalcin und alkalische Phosphatase sind für den Mineralisierungsprozess im Knochen besonders bedeutsam, gelangen auch in das Blut und können als Marker für veränderten Knochenstoffwechsel herangezogen werden.

  Über Sclerostin, Osteocalcin, Osteonectin, Osteopontin, RANK-RANKL-Osteoprotegerin  s. oben

Das Zusammenspiel von Osteoblasten und Osteoklasten bestimmt den Knochenumbau und ist Angriffspunkt für pharmakologische Einflussnahmen:
 

Abbildung: Einflüsse auf die Knochenmodellierung
Nach einer Vorlage in Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020

Links: In die Knochensubstanz sind Zytokine wie IGF (insulin-like growth factor) und TGF-ß (transforming growth factor) eingebettet (grüne Punkte). Wurden Biphosphonate (BPs) verabreicht, werden diese ebenfalls in der Matrix gespeichert (rote Punkte).
 
Mitte und rechts:
Eingebettete Biphosphonate werden von Osteoklasten resorbiert. Eingebettete Zytokine werden bei der Resorption von Knochenmatrix freigesetzt und regen Osteoblasten in der benachbarten Wachstumszone an. Osteoblasten produzieren wiederum frische Zytokine, die in das frische Osteoid eingebaut werden. Über die Aktivitäten von Calcitriol (Vit.D), Parathormon, Östrogenen und Glucocorticoiden s. dort
 
  Biphosphonate hemmen die Ausdifferenzierung sowie die Aktivität von Osteoblasten und verkürzen ihre Lebensdauer - was die Reduktion des Knochenabbaus (gewünschter Effekt der Biphosphonate) erklärt. Raloxifen ist ein selektiver Östrogenrezeptor-Modulator (SERM), er bindet (obwohl kein Steroid) an Östrogenrezeptoren im Knochen und wirkt so antiresorptiv, also knochenanabol. Teriparatid ist ein rekombinantes Parathormon-Fragment (1-34), es fördert (bei niedriger Dosierung) die Ausdifferenzierung von Osteoblasten, wirkt damit ebenfalls knochenaufbauend und wird zur Osteoporosetherapie angewendet

Die Bildung von Osteoklasten wird von Osteoblasten und Osteozyten über osteoklasten-induzierende Faktoren gesteuert, vor allem

    M-CSF (macrophage colony-stimulating factor) und
 
    RANKL (receptor activator of NF-κB ligand) - früher auch osteoclast differentiation factor.
 
Über das RANKL - RANK - OPG- System ergeben sich ebenfalls mehrere Möglichkeiten therapeutischer Beeinflussung des Knochenstoffwechsels:

 

  Abbildung: Einflüsse auf das RANK-RANKL- Osteoprotegerin- System
Nach einer Vorlage in Ritter / Flower / Henderson / Loke / MacEwan / Rang, Rang & Dale's Pharmacology, 9th ed. Elsevier 2020

Osteoblasten exprimieren (angeregt durch Parathormon) das Membranprotein RANKL. Koppelt dieses an RANK auf Vorläuferzellen von Osteoklasten, woraufhin diese zu aktiven Osteoklasten werden und Knochensubstanz resorbieren.
 
Osteoblasten sezernieren auch das lösliche Glycoprotein Osteoprotegerin, das um die Bindung mit RANKL auf Osteoblasten konkurriert und so die Aktivierung von Osteoklasten-Vorläuferzellen (und damit die Reifung zu aktiven Osteoklasten) verhindern kann.
 
  Denosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an RANK bindet und damit RANKL die Bindung streitig macht. Der Knochenabbau wird dadurch reduziert (Osteoporosetherapie). Über Sclerostin und Biphosphonate s. oben

Knochengewebe als Calcium-Speicher des Körpers (>99%) ist Angriffsort zahlreicher Hormone / Signalmoleküle. Insgesamt sind an der Steuerung des Knochenstoffwechsels zahlreiche Faktoren beteiligt:

    Parathormon
 
    Calcitonin
 
    D-Vitamine
 
    Östrogene, Testosteron, andere Steroide
 
    GH / IGFs. Wachstumshormon wird für das Knochenwachstum benötigt; Chondrozyten gehen nach Proliferations- und Hypertrophiezyklen zugrunde (Apoptose), an ihre Stelle treten Osteoblasten. Insulinähnliche Wachstumsfaktoren (IGFs) werden zu ~3/4 unter Wirkung des Wachstumshormons (GH) hepatisch synthetisiert. GH stimuliert teils selbst, teils über IGFs die Entwicklung und Reifung der Knorpelzellen in wachsendem Röhrenknochen. Das Osteoklasten / Osteoblastensystem wird durch GH und IGFs aktiviert.
 
    Neben GH / IGF  und anderen Hormonen (s. oben) müssen Wachstumsfaktoren wie FGF, PTHrP (parathormone-related peptide), Ihh (Indian hedgehog), Faktoren der TNF-Familie, Interleuine sowie weitere Mediatoren (wie BMPs) wirksam werden, um die Abfolge der für geordnetes Knochenwachstum nötigen Differenzierungsschritte zu gewährleisten.
 
   Knochenmorphogenetische Proteine (
bone morphogenic proteins, BMPs) sind parakrin wirkende Zytokine, welche zur Kommunikation zwischen Zellen (die TGF-Rezeptoren exprimieren) grundlegend beitragen. Das ist insbesondere für die Entwicklung (auch apoptotische Rückentwicklung) und Funktion von Zellverbänden entscheidend. Ihr Mechanismus der Informationsübertragung ist derjenige der TGFß-Gruppe von Signalmolekülen, zu denen die BMPs gezählt werden.
  
Inaktivität führt zu Knochenabbau
 

Knochenabbau kann die Folge geringer Belastung (Inaktivitätsatrophie) oder hormoneller Fehlversorgung sein:
 
      Mangelnde mechanische Reizung (Immobilisierung),
 
      Calciummangel (Fehlernährung, Schwangerschaft),
 
      Vitamin-D-Mangel (Mangelernährung oder intensiver Knochenaufbau, UV-Mangel),
 
      Östrogenmangel (Postmenopause: Östrogene sind RANKL-Suppressoren, die Osteoklastendifferenzierung wird daher in der Postmenopause weniger gehemmt) oder
 
      hohe Dosen an Glucocorticoiden (anti-anabole Wirkung; Cushing-Syndrom)
 
gefährden Festigkeit und Wachstum des Knochens.
 

Abbildung: Spongiosa
Nach einer Vorlage bei Silverthorn, Human Physiology - an integrated approach, 4th ed. 2007 (Pearson International)

Links: Normale Spongiosa. Die Struktur der Knochenbälkchen spiegelt den Verlauf der räumlichen Kräfteverteilung im Knochen wider.
 
Rechts:
Durch längere körperliche Inaktivität bzw. fehlende mechanische Belastung rarefizierte Spongiosa. Die Ausdünnung an kraftübertragenden Knochenbälkchen führt zu Osteoporose. Dieser Zustand kann u.a. durch längere Bettlägrigkeit oder schwerelosen Zustand hervorgerufen werden und betrifft vor allem Knochen, die normalerweise stark an der Aufrechterhaltung des Körpers in einem Schwerkraftfeld beteiligt sind (Wirbel, Beckenknochen etc).
 
Über die Rolle des den Knochenanbau hemmenden Sclerostin s. oben


Die Regulation der Knochendichte bleibt lebenslang erhalten, auch nach Abschluss des Längenwachstums.

Knochenabbau und Lebensalter: Der Verlust von Knochensubstanz
beginnt im 4. Lebensjahrzehnt (~0,5-1% p/a) unasbhängig vom Geschlecht,
beschleunigt sich bei Frauen in der Menopause / Postmenopause infolge erhöhter Aktivität der Osteoklasten, hauptsächlich in der Spongiosa ( Abbildung) bis auf das ~10fache (bei Männern nach einer Kastration), und
stabilisiert sich schließlich bei 1-3% p/a (verringerte Zahl an Osteoblasten, betrifft hauptsächlich Compacta ).

Inaktivität (Bettlägerigkeit, Raumflug) kann den Calciumverlust tragender Strukturen (Oberschenkelhals, Wirbelkörper..) auf über 1% per Monat steigern.

Langdauernde Inaktivität (Jahre, Jahrzehnte) kann im Extremfall zum weitgehenden Verlust des Knochens führen, wie Einzelbeispiele gezeigt haben. Betroffene sind in solchen (seltenen) Fällen nicht mehr in der Lage, unter 1G-Bedingungen in aufrechter Körperlage Kraft zu entfalten bzw. sich fortzubewegen, ohne Knochenbrüche zu riskieren.
 

 
      Knochensubstanz besteht zu 3/4 aus Compacta, 1/4 Spongiosa (besonders anfällig für osteoporotische Schwächung - z.B. Wirbelknochen). Mechanische (Belastung), nutritive und hormonelle Komponenten (D3-Hormon, Parathormon, Somatotropin, Schilddrüsenhormone u.a.) bestimmen die Knochengesundheit. Jedes Knochenelement (basic multicellular unit, BMU) passt seine Tragfähigkeit an die aktuelle Belastungssituation an. Neubildung erfolgt bei Materialermüdung bzw. -schädigung (microdamages). Insgesamt sind jeweils ~2 Millionen BMUs aktiv
 
      Calciumphosphate sind schwer löslich und bilden bei Überschreitung des Löslichkeitsproduktes Kristalle. Im Knochen ermöglicht dies die Bildung neuer Knochensubstanz, ansonsten wird ein Ausfällen von Kristallen (Verkalkung, Steinbildung) durch Steuerung des Ca++- bzw. Phosphatspiegels verhindert
 
      Osteoblasten bilden neue Knochensubstanz: Organische Matrix (das zunächst nicht-mineralisierte Osteoid) vorwiegend aus Typ-I-Kollagen verleiht dem Knochen Zugfestigkeit und Elastizität. Spezielle Proteine (wie GLA) verhindern, alkalische Phosphatase begünstigt das Ausfällen von Calciumphosphat (Hydroxylapatit); dieses macht den Knochen druckbelastbar. Osteocalcin aus Osteoblasten bindet Calcium im Knochen, es gilt als Aufbaumarker (die Knochenmatrix enthält ~2% Osteocalcin). Osteoblasten bilden ferner M-CSF, das über Bindung an Osteoklasten-Vorläufer deren Expression von RANK und damit die Reifung zu aktiven Osteoklasten anregt
 
      Osteoprotegerin ist ein Rezeptorprotein, das durch Koppelung an RANKL dessen Bindung an RANK verhindert ("decoy receptor"). Das hemmt die Differenzierung zu aktiven Osteoklasten und schützt den Knochen vor Abbau (daher "protegerin"). Osteonectin bindet anorganische (Apatit) und organische Komponenten (Kollagen) und fördert die Mineralisierung des Knochens
 
      Osteoklasten verfügen über RANK, einen membranständigen Rezeptor, dessen Aktivierung - über Bindung eines Liganden auf Osteoblasten, RANKL - Osteoklastenvorläufer zu aktiven Osteoklasten reifen lässt. Osteoprotegerin interagiert mit dieser Bindung und hält Osteoklasten inaktiv. RANK bedeutet receptor activator of nuclear factor κB; letzterer ist ein Transkriptionsfaktor, der für das Überleben von Osteoklasten essentiell ist. Parathormon steigert den Ca++-Spiegel, indem es die Expression von RANKL durch Osteoblasten anregt und so Osteoklasten dazu bringt, Calcium aus dem Knochen zu mobilisieren
 
      Osteozyten kommunizieren mittels gap junctions untereinander, das Netzwerk funktioniert wie ein mechanosensibler Computer: Mittels Filamenten mit der Wand der canaliculi verankert, reagieren Osteozyten auf Scherkräfte, die bei belastungssynchroner Strömung kanalikulärer Flüssigkeit auftreten. Über Mechanorezeptoren und spannungsgesteuerte Calciumkanäle werden intrazelluläre Signalwege aktiviert und der Knochenaufbau entsprechend angeregt
 
      Osteoklasten bauen Knochensubstanz ab. Sie bilden Integrin-Vitronektin- Abdichtungszonen, lösen Calciumphosphat auf (H+) und bauen organische Matrix hydrolytisch ab (Resorptionslakunen) - dabei werden im Osteoid gespeicherte Zytokine freigesetzt, die Osteoblasten aktivieren. Die Lakunen werden dann durch Osteoblasten wieder aufgefüllt, frische Knochenmatrix calcifiziert. Der komplette Erneuerungszyklus (remodeling) dauert etwa 6 Monate. Osteoklasten werden durch Parathormon angeregt, durch Calcitonin gehemmt. Östrogene hemmen Osteoklasten und wirken damit antiosteoporotisch; sie triggern (auch beim Mann) den Schluss der Epiphysenfugen
 
      Osteocalcin, alkalische Phosphatase und andere für den Mineralisierungsprozess im Knochen bedeutsame Faktoren gelangen in das Blut und sind Marker für veränderten Knochenstoffwechsel
 
      Somatotropin (GH) fördert das Knochenwachstum. Die Leber bildet unter GH-Wirkung insulinähnliche Wachstumsfaktoren (IGFs), diese fördern die Entwicklung und Reifung von Knorpel- und Knochenzellen in wachsenden Röhrenknochen. Zusätzlich regen Wachstumsfaktoren (FGF, PTHrP, Ihh, TNF, bone morphogenic proteins) für das Knochenwachstum nötige Differenzierungsschritte an
 
      Mangelnde mechanische Reizung (Inaktivität, Immobilisierung), Calciummangel (Schwangerschaft), Vitamin-D-Mangel, Östrogenmangel, hochdosierte Glucocorticoide (Cushing-Syndrom) bedingen Knochenabbau
 

 




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