Physiologie lernen - den Organismus verstehen
Wie funktioniert der menschliche Körper?
X. Mineral- und Eisenhaushalt des Körpers, Knochensystem XII.
Biologische Strukturen sind formgewordene
Funktion.
So ist die Form der Knochen ein direktes Spiegelbild ihrer mechanischen
Belastung. Die lebende Feinstruktur misst die auftretenden Kräfte und
setzt sie in dynamische Auf-, Um- und Abbauprozesse um: Knochenzellen
kommunizieren untereinander; Knochenbälkchen arbeiten wie Computer, die
Spitzenbelastungen
registrieren und das Gleichgewicht von Zu- und Abbau entsprechend den Erfordernissen einstellen.
Der Knochen ist nicht nur tragende Struktur, sondern darüber hinaus die Calciumreserve
des Körpers (99,9%) und speichert auch andere Stoffe längerfristig (nicht rasch mobilisierbar), wie Eiweiß, Phosphor,
Natrium. Das Calcium benötigt er für die druckbelastbare anorganische
Substanz (apatitartige Kristalle als druckresistenter "anorganischer"
Knochenbestandteil, durch Kollagenfasern gegen Zugbelastung verstärkt).
Die Konzentration ionalen (freien) Calciums
(Ca++) in Extrazellulärflüssigkeit und Blutplasma hat große Bedeutung für die
Erregbarkeit von Zellen. Hypocalcämie kann zu schweren tetanischen
Krämpfen führen; das kann durch akute Veränderungen (z.B. über
Alkalose) oder über längere Zeit erfolgen, insbesondere infolge calciumarmer
(streng vegetarischer) Ernährung. Die Regulierung erfolgt - außer durch mechanische Reizung - durch
Hormone, welche die Resorption von Ca++ aus Darm, Niere und Knochen beeinflussen (Parathormon, Calcitonin, Vitamin-D-Hormon).
Lebensstil
und Knochenphysiologie stehen in engem Zusammenhang: Vermehrte
Kraftanstrengung (sportliche Betätigung) verstärkt den Knochenapparat,
mangelnde Belastung führt zu Osteoporose (Bewegungsmangel,
Bettlägrigkeit: Inaktivitätsatrophie, "Astronautensyndrom").
Knochenabbau ist wegen der einhergehenden Ausscheidung von Calciumsalzen (die ausfallen können) mit erhöhtem
Nierensteinrisiko verknüpft. Bestes
Gegenmittel ist Krafteinwirkung (Training),
die sich auf tragende Strukturen überträgt und diese anabol anregt.
Magnesium ist (nach Kalium) das zweithäufigste Kation in der Zelle und für die Funktion vieler Enzyme notwendig. Mg++
zerebraler Neurone beeinflusst die Empfindlichkeit von NMDA-Rezeptoren;
im Herzmuskel reguliert es die Kontraktilität über die Verfügbarkeit
intrazellulärer Calciumionen; im Skelettmuskel kann Magnesiummangel
Muskelkrämpfe bewirken; auch Leber- und Immunzellen sind
magnesiumempfindlich.
Eine der wichtigsten Funktionen
des Spurenelements Eisen ist der Sauerstofftransport des Hämoglobins; chronisch herabgesetztes Sauerstoffangebot kann u.a. die Hirnfunktion
beeinträchtigen. Eisen ist auch - wie andere Spurenelemente - als Kofaktor für die Funktion zahlreicher Enzyme notwendig.
Man unterscheidet viele verschiedene Formen von Anämie (an-haima: Blutlosigkeit) - ihnen allen gemeinsam ist herabgesetzte
Transportkapazität des Blutes
für Sauerstoff. Wieviel Eisen im Körper gespeichert ist,
kann über die Ferritin-Konzentration im Blutplasma abgeschätzt werden:
Mit steigender Eisenspeicherung nimmt diese zu.
Sowohl Calcium als auch Eisen sind kritische Verbrauchsfaktoren während der
Schwangerschaft: Der
mütterliche Organismus mobilisiert seine Reserven
zugunsten des wachsenden Feten, sodass - bei ungenügendem Nachschub -
die Körperspeicher der Mutter entleert werden und knapp aufeinander folgende Phasen der Gravidität
mit (zu) geringen Spurenelementvorräten einhergehen.
© H. Hinghofer-Szalkay