Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Sexualität, Reproduktion, Entwicklung und Wachstum

  Geschlechtlichkeit und Sexualität
© H. Hinghofer-Szalkay

Allele: αλλήλων = einander, gegenseitig
Chiasma: χίασμα = Kreuzung
Diakinese: διά = (hin-) durch, κίνησις  =Bewegung
Diktyotän: δικτον = (Fang-) Netz,
ταινἰα = Band
Dimorphismus: δίμορφος = zweigestaltig
Diplotän: διπλόος = doppelt,
ταινἰα = Band
diploid: διπλόος = doppelt
Euploidie: εὖ = gut, richtig,
πλόος = -fach
Gamete: γαμετή(
ς) = Ehefrau, Ehemann / γάμος = Hochzeit
Gonade: γονή = Geschlecht, Zeugung, αδένας = Drüse
haploid:
ἁπλόος = einfach
Leptotän:  λεπτός = dünn, ταινἰα = Band

Meiose: μείωσις = Verkleinerung, Verminderung
Müller-Gänge: Johann Müller
Pachytän: παχύς = dick,
ταινἰα = Band
Parthenogenese: παρθένος = Jungfrau, γένεσις = Entstehung, Geburt
Wolff-Gänge: Kaspar Wolff
Zygote: ζύγό
ν = Joch (Zusammengespanntes), ζυγουν = verbinden (zwei Zellen)


Sexuelle Reproduktion bringt in der Generationenfolge hohe molekulare Variabilität und bessere Anpassungsfähigkeit, z.B. in der immunologischen Abwehr.

Genetische Ausstattung, Hormone, endokrine Rezeptoren, Modifikationen in der Proteinsynthese sind Faktoren, welche die Funktion der Geschlechtsorgane und die Ausbildung von Geschlechtsmerkmalen bestimmen. Die Geschlechtlichkeit unterliegt auch psychischen und Umweltfaktoren.

Die primäre Anlage der Wolff- und Müller-Gänge ist bei beiden Geschlechtern vorhanden. Das Zusammenwirken mehrerer Faktoren - pro-männlich, anti-männlich, pro-weiblich, anti-weiblich genannt - bestimmt die geschlechtliche Differenzierung: Treten z.B. TDF, MIF und Testosteron auf, bilden sich männliche, bleiben sie aus, weibliche Geschlechtsorgane.

Die Reifeteilung (Meiose) verteilt das mütterliche und väterliche Genom auf gemischte Chromatiden. Durch die Neukombination der Gene von Generation zu Generation treten immer neue molekulare Muster auf, die z.B. immunologische Diversität und Anpassungsfähigkeit fördern.


Übersicht  Geschlechtlichkeit Entwicklung der Sexualorgane  Meiose  Ploidie

Core messages
    

Sexuelle Reproduktion beruht auf der individuellen Ausbildung eines weiblichen bzw. männlichen Sexualsystems (sexuelle Differenzierung). Dazu notwendige Gene befinden sich auf Sexchromosomen (Heterosomen: X und Y). Sowohl der väterliche als auch der mütterliche Chromosomensatz steuert je ein solches Heterosom (X oder Y) bei; das resultierende Chromosomenpaar lautet normalerweise entweder XX (→ weiblicher Organismus) oder XY (→ männlicher Organismus).

Das genotypische Geschlecht ist durch die im Zellkern vorhandenen Geschlechtschromosomen bestimmt. Dieses führt zu einem entsprechenden gonadalen Geschlecht (Anlage der Gonaden: Ovarien, Hoden), und dieses schließlich zu einem durch spezifische Hormonmuster determinierten phänotypischen Geschlecht (männliches / weibliches Erscheinungsbild).

Urkeimzellen (primordial germ cells, PGCs) stammen aus dem Dottersack, teilen sich mitotisch und wandern sekundär in die Keimanlagen ein, wo sie etwa nach fünf Wochen embryonaler Entwicklung ihre Position ein
nehmen. Die Gonadenanlagen sind zunächst nicht unterscheidbar (indifferent); die weitere Differenzierungn hängt von der Anwesenheit von Keimzellen (Gametengerm cells) - Spermatogonien oder Oogonien - ab. Die Anwesenheit von Y-Chromosomen triggert die Entwicklung von Testes (Testosteronproduktion durch Leydig-Zellen ab der 10. Entwicklungswoche); ihre Abwesenheit führt zur Differenzierung in Richtung von Ovarien.
 
Hormone wirken sich auf körperliche und Verhaltenseigenschaften aus
 
Warum Sex? Welchen biologischen Vorteil sexuelle gegenüber asexueller Fortpflanzung (Parthenogenese ) hat, ist nach wie vor Gegenstand evolutionstheoretischer Diskussion. Nicht wenige Arten verzichten auf sexuelle Reproduktion, klonale Vermehrung ist eine alternative Option, die ihre Vorteile hat.

So verleiht z.B. die Kombination eines normalen und eines spezifisch mutierten Hämoblobin-Gens (Heterozygotie) Schutz gegenüber Malaria. Bei parthenogenetischer Reproduktion bliebe diese vorteilhafte Kombination bei allen Nachkommen erhalten; bei sexueller Fortpflanzung von Eltern mit dieser
gemischten Anlage nur bei jedem zweiten (25% der Nachkommen erben zwei Chromosomen mit normalem Hb-Gen, der Schutz vor Malaria ist verloren; 25% haben zwei mutierte Gene und erkranken an Sichelzellanämie).
 

Abbildung: Meiose und Mitose
Nach einer Vorlage bei McGraw-Hill Comp.

Zweck der Meiose ist die Verteilung väterlichen und mütterlichen Erbgutes (diploider Chromosomensatz: Allele jeweils doppelt vorhanden) auf Chromatiden mit gemischtem Erbgut. Eizelle und Samenzelle haben einen einfachen Chromosomensatz (haploid, N).
 
 
  Ein Allel   ist eine (von meist zwei: von Vater und von Mutter stammende) Form eines Gens.
 
Bei der Befruchtung entstehen diploide Zellen. Bei der Mitose verdoppeln sich diploide Zellen (2N)


Die Vorteile der geschlechlichen Variante sind (auch mathematisch) nicht unmittelbar einsichtig, aber es scheint so zu sein, dass ständige Gendurchmischung über Generationen einen Überlebens- und Anpassungsvorteil bietet. Die Meiose ermöglicht freies Kombinieren der Gene aus früheren Generationen beider Eltern, wie beim Mischen von Spielkarten entstehen dabei immer neue Muster, und bekanntlich ist molekularbiologisch kein Individuum mit einem anderen ident.

Selbst die Zellen eines Individuums sind genetisch nicht ident ausgestattet: Während der Ontogenese können Abweichungen vom ursprünglichen Genmuster auftreten, vielleicht schon nach der ersten Teilung der befruchteten Eizelle - jeweils eine Hälfte des Organismus verfügt dann über einen etwas anderen Gensatz; bei späteren Abweichungen resultieren entsprechend kleinere genetisch diverse Einheiten (z.B. Organe).

Aus sexueller Reproduktion mit ihrer hohen Variabilität molekularer Muster ergibt sich offenbar eine bessere Anpassungsfähigkeit, z.B. im Immunsystem (gegenüber Infektionen). Tatsächlich scheinen Arten, die sich asexuell reproduzieren, relativ jung zu sein und über phylogenetisch kurze Zeiträume (Jahrtausende) wieder auszusterben.

     Unter Geschlechtsdetermination (Sex determination) versteht man den Vorgang in der Embryonalperiode, durch den das chromosomale Geschlecht (Karyotyp: Muster an Geschlechtschromosomen -
Gonosomen, Heterosomen -: XX, XY) die Ausbildung des gonadalen Geschlechts (Vorhandensein von Ovarien, Testes: Gonaden ) bestimmt.

Geschlechtshormone
aus den Gonaden bzw. deren Wirkung auf Hormonrezeptoren (überall im Körper) bestimmen die Geschlechtsmerkmale.
 
      Primäre Geschlechtsmerkmale betreffen die Geschlechtsorgane;

      sekundäre bilden sich während der Pubertät aus, z.B. Brüste, Behaarungstyp, Körperbau, Stimmlage (bei Männern um eine Oktave tiefer als bei Frauen);

      als tertiäre Merkmale kann man solche (mehr oder weniger geschlechtstypische Charakteristika) verstehen, die sich in Psyche und sozialem Verhalten äußern.

  Über Geschlechtsdimorphismus und Gehirn s. dort
 
Chromosomale Unterschiede. Ein X-Chromosom hat schätzungsweise 800 Gene, ein Y-Chromosom nur etwa 50. Die meisten geschlechtsspezifischen Unterschiede erklären sich allerdings durch ungleiche Realisierung von Genen an anderen Chromosomen (Autosomen):
Allein im Skelettmuskel werden über 3000 Gene geschlechtsabhängig unterschiedlich exprimiert. Dies ist z.B. der Grund, warum Frauen über einen (durchschnittlich) höheren Prozentsatz an Typ-I- (slow twitch-) Fasern verfügen als Männer; diese Fasern zeichnen sich durch höhere Ausdauer aus. (Männer verfügen hingegen über mehr Typ-II-Fasern, die hohe Kontraktionskraft liefern, aber rasch ermüden.)

Unterschiedliche Muster an Hormonen - und differierende Aktivitäten von Hormonrezeptoren - resultieren so in sexuellem Dimorphismus (Unterschiede in Form und Funktion von Organismen, die durch das Geschlecht bedingt sind). Dieser Dimorphismus zeigt sich fast überall: Körpergröße, Gewicht, Fettverteilung, Körperformen, Körperzusammensetzung, Haut- und Behaarungstyp, Atemvolumina, Knochendichte und -form, Blut (Erythrozytenzahl), Muskelmasse, Gehirnfunktionen etc.
 

Abbildung: Transformation des genitalen Gangsystems
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Das genitale Gangsystem ermöglicht den Transport von Eizellen bzw. Spermatozoen zum Ort der Befruchtung.
 
Die (mesonephrischen) Wolff-Gänge entwickeln sich im männlichen Organismus zu ductus deferens (Samenleiter) und anderen Strukturen, die Müller-Gänge degenerieren.
 
Die (paramesonephrischen) Müller-Gänge werden im weiblichen Organismus zu Eileiter, Uterus und oberer Vagina - die Wolff-Gänge degenerieren

 
 Entwicklung des Reproduktionstrakts
 
Die Entwicklung der Geschlechtsorgane beginnt mit einer generellen Grundorganisation ( Abbildung): Die primären Anlagen für die Wolff- und Müller-Gänge sind zunächst beide vorhanden. Dann kommt es zu einer hormonellen Weichenstellung:

      Entweder werden "männliche" Faktoren (TDF, AMH, Testosteron) gebildet, das führt zur Bildung von Hoden (ab der 6. Gestationswoche), Samenleitern und Begleitdrüsen, Regression der Müller-Gänge (ab der 8. Gestationswoche), Ausbildung männlicher Genitalien (ab 9.-12. Gestationswoche, d.h. nach Beginn der letzten Mensesblutung),

      oder diese Signale bleiben aus, was die Atresierung der Wolff-Gänge (ab der 8. Gestationswoche) und Differenzierung in Richtung Eileiter, Uterus, weiblichen  Genitalien zur Folge hat.

Stromazellen in den Gonaden beider Geschlechter entwickeln sich zu androgenproduzierenden endokrinen Zellen.
 

Die Geschlechtlichkeit bildet sich entsprechend dem Zusammenwirken mehrerer Gene und entsprechend exprimierter Faktoren aus (XY sex-determination system). Je nach Wirkungsprofil werden diese manchmal als pro-männlich (pro-male,
z.B. der Testis-determining factor TDF, der durch das SRY-Gen codiert wird), anti-männlich (anti-male), pro-weiblich (pro-female) und anti-weiblich (anti-female) bezeichnet. Ohne Anwesenheit bzw. Wirkung von SRY geht die Entwicklung automatisch in Richtung weiblicher (default program), mit SRY in Richtung männlicher Organismus. Für die Differenzierung der Hoden bedarf es eines weiteren Transkriptionsfaktors, SOX9 (codiert durch das SOX9-Gen).

SRY bedeutet sex-determining region on Y - dieses Gen befindet sich normalerweise auf dem kurzen Arm von Y-Chromosomen. Es codiert einen Transkriptionsfaktor, der die Expression mehrerer Gene reguliert. Einige von diesen Genen stoßen die Differenzierung in Richtung männlicher Gonaden (und damit u.a. intensive Testosteronproduktion) an.

Das SRY-Gen codiert die geschlechtsbestimmende Wirkung des Y-Chromosoms. Seine Aktivität ist notwendig, um die Maskulinisierung der embryonalen Gonaden hervorzurufen - das SRY-Gen legt sozusagen den Schalter in Richtung Entwicklung eines männlichen Organismus um. Beim weiblichen Embryo ist kein SRY-Gen vorhanden (XX), was die Expression "weiblicher" Transkriptionsfaktoren und die Differenzierung der Gonaden zu Ovarien zur Folge hat.

Dabei kommt es nicht darauf an, auf welchem Chromosom das Gen zu liegen kommt, sondern dass es intakt ist.
Ist das SRY-Gen defekt (XY
∆SRY), entsteht ein phänotypisch weiblicher Organismus. Transloziert das SRY-Gen auf ein X-Chromosom (XXSRY), resultiert ein phänotypisch männlicher Organismus.
 
Die Bandbreite der phänotypischen Verteilung von geschlechtstypischen Merkmalen ist groß. Es kann vorkommen, dass die Ausbildung männlicher bzw. weiblicher Merkmale in mehr oder weniger gemischter Form erfolgt. Das liegt nicht nur am Hormonmuster an sich;
von großer Bedeutung ist auch Expression und Funktion von Hormonrezeptoren.

Deren Aktivität kann wiederum unter hormoneller Kontrolle stehen; so ist z.B. zur Induktion des Progesteronrezeptors (ein Transkriptionsfaktor wie auch andere Steroidrezeptoren: Die
aktive Form startet im Zellkern die Proteinsynthese) Progesteron selbst notwendig. (Die Induktion zum aktiven Transkriptionsfaktor erfolgt durch Strukturänderung des Rezeptormoleküls; diese kann durch Progesteronantagonisten verhindert werden.)
 

Abbildung: Steuerung der geschlechtlichen Entwicklung
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep, Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016

Der Y-chromosomal codierte Testis determining factor TDF wird auch als Sex-determining region Y (SRY) protein bezeichnet. Er ist ein Transkriptionsfaktor, der nach einer "neutralen" frühen Entwicklungsphase aktiv wird. Fehlt er, entwickeln sich die Gonadenanlagen zu Ovarien.
 
       Das aus den Sertoli-Zellen stammende Glykoprotein 'Anti-Müller-Hormon' (AMH, Müllerian inhibiting factor MIF) bewirkt während der ersten Schwangerschaftswochen die Rückbildung der Müller-Gänge.
 
Die Wolff-Gänge entwickeln sich zu Nebenhoden, Samenleiter und Samenblase; Testosteron fördert ihre Differenzierung


    Die Geschlechtlichkeit einer Person wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Biologische Faktoren sind:

  
  Genotypisch-chromosomal: Zur Ausbildung männlicher Merkmale ist das Y-Chromosom notwendig. Sein SRY-Gen (Sex determining region of Y) kodiert einen Transkriptionsfaktor, den Testis-determining factor (TDF); dieser steuert die weitere Entwicklung zum männlichen Geschlecht.

     Gonadal-hormonell: Hormonbildung in Ovarien oder Hoden.

     Phänotypisch (genitales Geschlecht, zu seiner Ausbildung muss die Rezeptorausstattung der betreffenden Gewebe intakt sein).
 
Die Geschlechtlichkeit (Sexualität) hat neben biologischen auch andere Aspekte (z.B. verhaltensbiologisch, emotional, soziologisch). Neurophysiologisch steht der Hypothalamus im Zentrum, er koordiniert hormonelle und neurale Steuerungsmechanismen der Sexualiutät.

      Afferenzen schließen so gut wie alle Sinnerorgane ein (visuelle, akustische, Geruchs-, Berührungsreize), weiters viszerale Signale u.a. von den Geschlechtsorganen.

      Efferenzen gelangen auf dem Blutweg (endokrine Signale) und über das Nervensystem - insbesondere autonome ("vegetative") Signale - zu motorischen und sekretorischen Erfolgsorganen.
 
Das weibliche Geschlechtshomon Progesteron ist der Vorläufer von Testosteron, und aus Testosteron entsteht (durch Wirkung einer Aromatase) das Östrogen 17-ß-Östradiol - oder (durch Wirkung einer Reduktase) das Androgen DHT (5α-Dihydrotestosteron). Enzyme bestimmen also, ob "weibliche" oder "männliche" Hormone gebildet werden. So haben z.B. die Ovarien starke, die Testes hingegen keine Atomatase-Aktivität.
 
   Unterschiedliche Expression von Enzymen ist die Urasche für den sexuellen Dimorphismus der Hormonmuster im Kreislauf.

Geschlechtshormone haben zwei hauptsächliche Aufgaben:
  Sie organisieren das Differenzierungsmuster von Zellen und Geweben (organizational role) - z.B. die Ausbildung der inneren Geschlechtsorgane. Solche Wirkungen erfolgen früh in der embryonalen Entwicklung und sind im Allgemeinen irreversibel.
  Später lösen sie bestimmte physiologische und Verhaltensmuster aus (activational role); diese Wirkungen sind reversibel.
 
Meiose (Reifeteilung)
   
Schon in den embryonalen Gonaden teilen sich diploide Urkeimzellen (primordial germ cells) mehrfach mitotisch, es entstehen Spermatogonien und Oogonien, später Spermatozyten und Oozyten. Diese diploiden Zellen unterziehen sich schließlich einer Reifeteilung (Meiose). Meiose ist eine spezielle Form der Zellteilung, wobei genetisch rekombinierte, mit hoher Wahrscheinlichkeit untereinander verschiedene Eizellen und Spermien entstehen.

    Mitose ist die Aufteilung des kopierten Chromosomensatzes auf zwei Tochterkerne, Zytokinese die Aufteilung des Zytoplasmas auf zwei Tochterzellen. Meiose
ist die Verteilung des (auf getrennten Chromatiden gespeicherten) väterlichen und mütterlichen Erbgutes (diploider Chromosomensatz: Allele jeweils doppelt vorhanden) auf "kombinierte" Chromatiden - sie ermöglicht zufallsgesteuerte chromosomale Rekombination.
 

Abbildung: Crossing over: Die genetischen Karten werden neu gemischt
Nach einer Vorlage bei online.science.psu.edu

   Allele sind alternative Formen eines bestimmten Gens. Bei der Meiose kommt es zu Brückenbildungen (chiasmata) zwischen "mütterlichen" und "väterlichen" Chromatiden (crossing over). Da die Chromosomen homolog sind, ist dies ohne Veränderung der Genzahl möglich.
 
   Homologe (homologe Chromosomen) sind Kopien eines Chromosoms - eine von der Mutter, eine vom Vater stammend -, welche die gleichen Gene an gleichen Genorten (Genloci) aufweisen. Das ermöglicht eine Paarung (Synapsis) der Chromosomen im Rahmen der Fertisisierung und den geordneten Austausch von Genen im Zuge genetischer Rekombination.
 
Auf diese Weise entstehen neue Genkombinationen - jedes Kind besitzt mit rekombinierten Chromatiden ein individuell neu gemischtes genetisches Blatt (das dann individuell weiter mutieren kann)


Brückenbildungen (chiasmata ) zwischen von Vater und Mutter stammenden Chromatiden (crossing over, Abbildung) ergeben neue individuelle Genkombinationen. Dieser Vorgang erfolgt im Pachytänstadium (s. unten). Die Anzahl möglicher Chromosomenkombinationen beträgt 223 (23 Chromosomenpaare), entsprechend über 8 Millionen genetisch unterschiedlichen Gameten (dieses Repertoire an Möglichkeiten besteht für jede einzelne Meiose).

Der Vorgang der Ausbildung verschiedener Gameten heisst Gametogenese, die mit Mitosen beginnt und dann in meiotische Reifeteilungen übergehen, die haploide Zellen (Spermien aus Spermatogonien, Eizellen aus Oogonien) erzeugen.

    Gameten
sind haploide Geschlechtszellen (Spermien-, Eizelle), deren Vereinigung im Rahmen der Fertilisierung (=Fusion der Gameten) die sexuelle Fortpflanzung trägt. Ploidie ist die Anzahl der Chromosomensätze in einer Zelle - haploid   ist ein einfacher (1N DNA - Gameten), diploid ein zweifacher (2N DNA - somatische Zellen), tretraploid ein vierfacher Chromosomensatz (4N DNA - primäre Oozyten / Spermatozyten, vgl. Abbildungen unten). Somatische Zellen haben jeweils 22 Autosomenpaare (à 2 homologen Chromosomen) und ein Paar Geschlechtschromosomen (XX oder XY), also insgesamt 46 Chromosomen pro Kern. Eine Zygote ist die Zelle, die durch Fertilisierung entstanden ist - sie ist diploid.
 

Abbildung: Gametogenese
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

A: Urkeimzellen wandern in die Anlagen für Hoden bzw. Ovarien und bilden durch zahlreiche Mitosen Spermatogonien bzw. Oogonien.
 
B: Weitere Mitosen, Wachstum und Differenzierung ergeben (diploide) primäre Spermatozyten bzw. Oozyten, die in der Lage sind, in Reifeteilungen (Meiosen) einzutreten.
 
C: Meiose 1: Replikation der DNA macht die Zellen tetraploid. Die anschließende Teilung macht die Tochterzellen diploid. Die Zellteilung ist beim Mann symmetrisch, bei der Frau wird das Zytoplasma ungleich auf Tochterzellen aufgeteilt (große sekundäre Eizelle, kleiner Polkörper).
 
D: Meiose II. Die sekundären Zellen teilen sich noch einmal - ohne DNA-Replikation, die Tochterzellen sind haploid.
 
E: Aus Spermatiden werden reife Spermatozoen, aus der sekundären wird eine reife Eizelle



Die Meiose (Reifeteilung) lässt
aus einer diploiden Keimzelle haploide Gameten entstehen (Gametogenese, Abbildung):.
Beim Mann werden aus einem primären Spermatozyten 4 reife Spermatozoen - zuerst aus einem tetraploiden primären Spermatozyt zwei diploide sekundäre Spermatozyten, dann aus diesen vier haploide Spermatiden, die sich anschließend zu reifen Spermatozoen differenzieren. Dieser Vorgang läuft ab der Pubertät für die gesamte verbleibende Lebensspanne des Mannes ab.
Bei der Frau entstehen aus einem primären Oozyten zuerst ein sekundärer Oozyt (durch ungleiche Aufteilung des Zytoplasmas ist dieser so groß wie der primäre Oozyt) und ein Polkörperchen, dann aus dem sekundären Oozyt eine reife Eizelle und 1-2 weitere Polkörperchen. Die Komplettierung der Meiose erfolgt ab der Pubertät der Frau jeweils für eine Eizelle pro Menstruationszyklus - bis zur Menopause.

Die Meiose besteht aus zwei aufeinander folgenden Phasen, der 1. und 2. Reifeteilung (Meiose 1 und Meiose 2):
 
Meiose 1 (Reduktionsteilung): Rekombination des Erbmaterials

Bevor die erste Reifeteilung (Meiose 1) beginnt, verdoppelt sich der Chromosomensatz der diploiden Zelle, jedes der Chromosom enthält nun zwei Chromatiden (4N DNA: Tetraploidie). Dann werden homologe Chromosomen durch Zug des Spindelapparates (Kinetochoren) getrennt, nicht aber die Chromatiden: Es entstehen Schwesterchromatiden, die eng aneinander liegen bleiben und in der Anaphase zum selben Zellpol wandern.
 

Abbildung: Meiose I - fünf Stadien
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

Im Leptotän beginnen die duplizierten Chromosomen (jedes mit einem Paar von Schwesterchromatiden) zu kondensieren, bleiben aber separiert. Im Bild sind - stellvertretend für alle 23 - die Chromosomen-Homologe 1 (das längere) und 7 (das kürzere) vom Vater (blau) und der Mutter (rot) gezeigt.
 
Im Zygotän lagern sich väterliche und mütterliche Homologe aneinander, es bilden sich Tetraden (Bivalente) aus jeweils 4 Chromatiden. Synapsis bedeutet die Fusion der Chromatiden.
 
Im Pachytän brechen väterliche und mütterliche Chromatiden auf und werden so rekombiniert, dass sich der väterliche im mütterlichen DNA-Strang fortsetzt, und umgekehrt (crossing over). Die Abbildung zeigt eine Überkreuzung in Chromosom 7 und zwei in Chromosom 1 - hier der Einfachheit halber in denselben zwei Chromatiden (die Überkreuzungen können auch über 3 oder alle der 4 Chromatiden einer Tetrade erfolgen).
 
Im Diplotän lösen sich die Chromosomen voneinander, außer an den Chiasmata.
 
Während der Diakinese kontrahieren sich die Tetraden, es folgt der Übergang zur Metaphase I.


Die erste meiotische Teilung (Abbildungen) beginnt mit der Prophase I, die Wochen bis Jahrzehnte dauern kann (die Eizelle verweilt bis zur Ovulation im Diktyotän - nachdem der weibliche Fetus bis zum 5. Schwangerschaftsmonat ~7 Millionen Primordialfollikel gebildet hat, arretieren diese bis zur Pubertät in der Meiose 1). Die Prophase I wird in fünf Stadien unterteilt:
 
 
  Leptotän   (leptotene stage, leptonema): Die Chromosomen, bestehend aus zwei (mit identischen Genorten versehenen) Chromatiden, beginnen sich zu verdichten (zu kondensieren). Die Telomere (Chromosomenenden) sind an der inneren Kernmembran fixiert.
 
    Zygotän   (zygotene stage, zygonema): Homologe (von beiden Eltern stammende) Chromosomen lagern sich paarweise aneinander - es bildet sich ein synaptonemaler Komplex, eine Ansammlung von Proteinen, die in Intervallen große "Rekombinationsknoten" (recombination nodules) aufweist, die wahrscheinlich die DNA-Rekombination beeinflussen. Dieser Vorgang läuft von den Enden der Chromatiden her reißverschlussartig ab, wobei der synaptonemale Komplex die beiden Stränge zusammenhält. Dabei bilden sich - aus vier Chromatiden bestehende - Bivalente (=Tetraden), beim Mann auch zwischen X- und Y-Chromosomen (obwohl diese sehr verschiedene Sequenzen aufweisen - die Paarung erfolgt bei den Geschlechtschromosomen (Heterosomen) vor allem an den beiden Chromosomenenden, die auch als pseudoautosomale Regionen bezeichnet werden).
 
  
    Ist der synaptosomale Komplex komplett, kann das Pachytän (pachytene stage, pachynema) beginnen. Die gepaarten Chromosomen kondensieren weiter, und an Überkreuzungspunkten (chiasmata) erfolgt crossing over, ein Austausch zwischen väterlichen und mütterlichen DNA-Sequenzen. Beim Mann bilden sich im Durchschnitt 55, bei der Frau 90 Chiasmata pro Miose (pro Zelle). So entstehen Chromosomen, die eine Kombination aus Genabschnitten von Vater und Mutter darstellen, und damit ein neues individualspezifisches Genmuster. Darüber hinaus tragen die Chiasmata wahrscheinlich zur korrekten Trennung der Chromosomen während der Meiose I bei.
 
    Schließlich zerfällt der synaptonemale Komplex, und die Zelle tritt in das Diplotän (diplotene stage, diplonema) ein: Die Chromatidenpaare setzen sich voneinander ab. Homologe Chromosomen beginnen sich zu trennen, die Chiasmata bleiben hingegen intakt und halten die väterlichen und mütterlichen Homologe jedes Chromosoms an der Spindel bis zur Anaphase 1 zusammen. Dadurch haben sie eine ähnliche Rolle wie die Zentromere der Mitose und der Meiose II.
 
Oozyten
(mehrere Millionen an der Zahl - bis zur Pubertät bleiben etwa 0,4 Millionen in Primärfollikeln vital) arretieren in einer Ruhephase, dem Diktyotän, das Jahrzehnte andauern kann (Oozyten sind schon bei der Geburt ausgebildet).
  
    Diakinese   (diakinesis stage): Die RNA-Synthese sistiert, Chromosomen kondensieren. Damit endet die Prophase I, die Chromatidentetraden verkürzen sich, die Zellkernhülle löst sich auf, und der Spindelapparat kann sich ausbilden.
 
Anschließend erfolgt die Reduktion auf je einen haploiden Chromosomensatz (Allele jeweils nur einmal vorhanden) pro Zelle.
Die erste Reifeteilung (Meiose I) hat den Chromosomensatz pro Zelle halbiert (auf 23: haploid), und zwischen homologen (väterlichen und mütterlichen) Chromatiden hat genetische Rekombinationen stattgefunden, resultierend in neu kombinierten Chromosomen.


In der Meiose findet bei der Rekombination der Chromatiden ein Austausch von DNA-Sequenzen zwischen homologen Chromosomen statt.
Als Ergebnis werden unterschiedliche Versionen (Allele) desselben Gens in neuer Kombination mit anderen Genen sozusagen auf Nützlichkeit getestet. In der rascher ablaufenden zweiten Reifeteilung (Meiose 2) werden dann die Chromatiden separiert; es entstehen haploide Gameten (befruchtungsfähige Zellen mit je einem Chromatid - bereit für die Paarung mit einer gegengeschlechtlichen Gamete).

     Rekombination (crossing over) ist der Vorgang, durch den bei der Bildung von Ei- oder Samenzellen DNA zwischen zwei äquivalenten Chromosomen ausgetauscht wird. Die Überkreuzung der DNA-Stränge erfolgt an Anhaftungspunkten, die Chiasmata genannt werden. Dieses crossing over erfolgt im Pachytänstadium der Prophase 1. Es kann einfach oder auch doppelt erfolgen (double crossing over). Der korrekte Ablauf wird durch - aus Proteinen und Nukleinsäuren bestehende, während des Leptotäns entstehende - synaptonemale (synaptische) Komplexe (synaptonemal complex SC) stabilisiert; diese mehrteilige Struktur bildet eine Brücke zwischen meiotisch gekoppelten Chromosomen.
 
     Als synaptonemal bezeichnet man einen Proteinkomplex zur Vermittlung der Paarung und Rekombination homologer Chromosomen im Rahmen der Reifeteilung (Meiose). Der synaptonemale Komplex bildet sich entlang der gesamten Länge jedes Chromatids im Rahmen eines Vorgangs, der als Synapsis bezeichnet wird. Er ermöglicht die Rekombination von DNA zwischen homologen Chromosomen.

Zweck der Rekombination:
Der zufallsgesteuerte Austausch homologer väterlicher und mütterlicher Chromatinabschnitte ergibt einen Mix aus Erbanlagen von Vater und Mutter. In einer sich ständig ändernden Umwelt (z.B. neue Krankheitserreger) erhöhen sich die Chancen der Spezies - indem fortlaufend Individuen mit geeigneteren Genen einen Überlebensvorteil erlangen. Die Anpassungsfähigkeit steigt, die Evolution wird beschleunigt.

Im Durchschnitt erfolgen bei jeder Meiose 2 bis 3 Crossover-Vorgänge je Chromosom. (Zwischen X- und Y-Chromosom besteht eine kurze Sequenz der Homologie, sodass auch hier Crossover-Prozesse erfolgen können.) Auf das gesamte Genom bezogen bedeutet das etwa 50 bis 80 Rekombinationen pro meiotischer Teilung.
  
  Meiose 2 (Äquationsteilung): Distribution auf haploide Zellen
 
Die zweite Reifeteilung (Meiose II, Äquationsteilung) ähnelt einer Mitose, nur dass 23 (nicht 46) Chromosomen teilnehmen. Sie dient der Aufteilung der (jeweils zwei, wegen vorausgegangener DNA-Rekombination genetisch meist verschiedenen) in der Meiose I entstandenen Chromatiden auf (jeweils 3-4) Gameten. Sie erfolgt unmittelbar nach der ersten Reifeteilung, zwischen Meiose I und Meiose II erfolgt keine Interphase oder S-Phase.


Abbildung: Von der Metaphase I zur Bildung der Gameten
Nach einer Vorlage in Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)

  A: In der Metaphase I ordnen sich die Tetraden entlang der Mitte der sich teilenden Zelle an und bilden dadurch die sogenannte Metaphasenplatte (=Äquatorialplatte), an der auch die Mikrotubuli des Spindelapparates angreifen (gelbe Pfeile: Richtung der Separation in Richtung der Spindelpole).

B: Nach dem Aufbrechen der Chiasmata erfolgt die vollständige Trennung der Chromosomen und damit die Zytokinese und der Übergang zur Anaphase I.

C: Durch Rekombination der DNA-Sequenzen im Zuge des crossing over sind die über ihr Zentromer verknüpften Chromatiden nicht mehr identisch.

D: So entstehen im Zuge der Meiose II (2. Reifeteilung) haploide Gameten (Spermatozyten) mit unterschiedlichen genetischen Mustern (die Abbildung zeigt nur zwei Chromosomen und daher nur vier der möglichen 8,389 Millionen DNA-Kombinationen). Die Meiose produziert bei der Frau nur jeweils eine reife Eizelle


In der Meiose II findet keine Duplikation der DNA statt; stattdessen werden die Chromatiden ähnlich wie bei einer Mitose getrennt und so aufgeteilt, dass Keimzellen entstehen: Gameten mit jeweils einem Chromatid jedes Typs verfügen damit über den für eine Befruchtung benötigten haploiden Chromosomensatz.

Die Fertilisation einer Eizelle (die ebenfalls haploid ist) ist damit vorbereitet. Schließlich reifen die Spermatiden zu fertigen Spermatozyten heran (Reduktion des Zytoplasmas, Differenzierung des Schwanzteils).

Im Gegensatz zu jeweils 4 Spermien, die bei der Meiose einer Gamete beim Mann entstehen, entstehen bei der Frau eine Eizelle und 2 oder 3 Polkörper (Polkörperchen, Richtungskörper, polar bodies).
 

Abbildung: Meiose bei Mann und Frau (Mitte, rechts) im Vergleich zur Mitose (links)
Nach einer Vorlage in Boron / Boulpaep: Concise Medical Physiology, Elsevier 2021

Mütterliches Erbgut blau, väterliches rot angedeutet. Ab Metaphase I ist das Ergebnis eines crossing over- Ereignisses dargestellt.

  Als Haplotypen bezeichnet man DNA-Sequenzen (Kombination von Allelen oder Sequenzvariationen) einer Chromatide, die meist zusammen vererbt werden. Jeder Haplotyp stammt entweder von der Mutter oder vom Vater des betreffenden Organismus
 
  Zu den Phasen der Zellteilung (Prophase bis Telophase) s. dort

 
Vergleich Mitose - Meiose

Nach Strachan / Read, Human Molecular Genetics, 5th ed. 2020 (CRC Press)
Merkmal
Mitose
Meiose
Wo?
alle Gewebe
Hoden / Ovar
Ergebnis
Diploide somatische Zelle
Haploide Gamete (Spermium, Eizelle)
Replikation, Zellteilung
Meist eine Replikation pro Teilung
Eine Replikation pro 2 Teilungen
Dauer der Prophase
Etwa 30 Minuten
Kann Jahrzehnte dauern
Paarung väterlicher und mütterlicher Homologe
Nein
Während Meiose I
Rekombination
Selten, abnorm
Bei jeder Meiose, meist ≥1 pro Chromosomenarm nach Paarung väterlicher / mütterlicher Homologe
Tochterzellen
Genetisch identisch
Genetisch unterschiedlich

 Ploidie: Zahl und Verteilung von Chromosomen
  
Der Gehalt an genetischer Information (DNA, Chromosomen) ist durch die Anzahl der verschiedenen in einer Zelle enthaltenen Chromosomen (chromosome set) bestimmt - beim Menschen normalerweise ~3,5 pg DNA (C-value) in 23 Chromosomen. (Der Referenz-C-Wert ist die DNA-Menge in einer Zelle der betreffenden Species mit einem haploiden Chomosomenset.)

Beide Werte (Chromosomenzahl und DNA-Gehalt) hängen von der Ploidie der Zelle ab.
 

Abbildung: Normale Reifeteilungen (rechts) und Non-Disjunctionen, die zu Mono- bzw. Trisomie führen
Nach einer Vorlage in Leeper-Woodford / Adkison, Integrated Systems. Lippincott Illustrades Reviews, Wolters Cluver 2016

Fehlerhafte Separation homologer Chromosomen (Fehlsegregationen, Non-Disjunctionen) führt zu Aneuploidie (Abweichung von einer normalen Chromosomenzahl).
 
Das Problem kann in der 1. Reifeteilung (Ausbleiben der Trennung homologer Chromosomen) oder in der Metaphase der 2. Reifeteilung auftreten (fehlende Trennung von Schwesterchromatiden).
 
Die Fehlverteilung erfolgt im Rahmen der Fertilisation und pflanzt sich auf Zellen des neu entstehenden Organismus fort


    Als Ploidie bezeichnet man die Anzahl der im Set einer Zelle enthaltenen Chromosomen, s. oben. Euploid bedeutet, dass der Chromosomenbesatz "stimmt", Aneuploidie hingegen, dass die meiotische Aufteilung der Chromosomen nicht überall erfolgreich abgelaufen ist (Non-Disjunction).

Auf diese Weise können Fehlverteilungen von Chromosomen auftreten ( Abbildung), die sich auf den durch die Fertilisation einer Eizelle entstandenen Organismus fortsetzen (auf alle oder nur einen Teil der Zellen): Fehlt ein Chromosom, spricht man von Monosomie, ist eines zu viel, von Trisomie (z.B. Trisomie 21, ein Down-Syndrom).

Die meisten somatischen Zellen sind diploid (2N Chromosomen, 2C DNA-Gehalt). Einige sind nulliploid, d.h. sie haben ihre Zellkerne verloren und enthalten keine DNS (Erythrozyten, Thrombozyten, reife Keratinozyten); andere sind polyploid - durch mehrere Replikationen ohne Zellteilung, z.B. Hepatozyten (<8C), Kardiomyozyten (4C-8C) oder Megakaryozyten (16C-64C), oder durch Zellfusionen (synzytiale Zellen, z.B. Skelettmuskelfasern).
 

 
      Geschlechtschromosomen (Heterosomen, Gonosomen) bestimmen das genetische Geschlecht (XX, XY). X-Chromosomen verfügen über ~800 Gene, Y-Chromosomen über ~50. Die meisten geschlechtsspezifischen Unterschiede erklären sich durch ungleiche Realisierung von autosomalen Genen. Männliche Feten bilden Testosteron, weibliche Östrogene. Die Wirkung der Geschlechtshormone auf (intrazelluläre) Rezeptoren bestimmen die Geschlechtsmerkmale (sexueller Dimorphismus)
 
      Eine frühe hormonelle Weichenstellung führt bei männlichen Feten zur Bildung von TDF, AMH, Testosteron, Hoden, Samenleitern und Begleitdrüsen, Regression der Müller-Gänge und Ausbildung männlicher Genitalien. Bleiben frühe endokrine Signale aus (der weibliche Embryo hat kein SRY-Gen), atresieren die Wolff-Gänge, aus den Müller-Gängen entstehen Eileiter und Uterus, weibliche Geschlechtsmerkmale bilden sich aus
 
      Viele verschiedene Gene beeinflussen die Geschlechtlichkeit und wirken sich somatisch (z.B. Muskelstärke, Blutbildung) und hormonell aus (Hormone, Rezeptoren). Das SRY-Gen des Y-Chromosoms kodiert den Transkriptionsfaktor TDF, der die Bildung eines männlichen  Organismus triggert; ohne SRY-Gen läuft die Entwicklung in Richtung weiblicher Organismus
 
       Die Meiose (Reifeteilung) verteilt Gene von Mutter und Vater auf "kombinierte" Chromatiden mit dem Resultat einer neuen individuellen Genkombination. Jede Reifeteilung ergibt 2-3 Crossover-Vorgänge je Chromosom, entsprechend 50-80 Rekombinationen für den gesamten Chromosomensatz. Die Meiose wird unterteilt in Leptotän, Zygotän, Pachytän, Diplotän und Diakinese
 
      Der weibliche Fetus bildet bis zum 5. Schwangerschaftsmonat ~7 Millionen Primordialfollikel. Die Prophase der ersten meiotischen Teilung kann Jahrzente dauern, die Eizelle verweilt im Diktyotän. Die zweite meiotische Teilung (Äquationsteilung) verläuft ähnlich einer Mitose
 

 

Eine Reise durch die Physiologie


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