Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

  
Integration der Organsysteme
   
Neuroendokrin- immunologische Querbeziehungen
© H. Hinghofer-Szalkay

Hormon: ὁρμᾶν = antreiben
humoral: humor = Saft, Feuchtigkeit
Tumornekrosefaktor: tumere = geschwollen sein, νέκρωσις = Töten, facere = machen
Zytokine:
κύτος = Gefäß (Zelle), κίνἔω = bewegen





Zwischen dem Nerven- und Immunsystem bestehen enge wechselseitige Beziehungen: Autonome Nervenfasern geben Neurotransmitter ab, für die Immunzellen in Knochenmark, Thymusdrüse, Milz und Lymphknoten Rezeptoren haben; andererseits können Zytokine den afferenten Impulsfluss zum Stammhirn (nucleus tractus solitarii) beeinflussen.

 
-- Noradrenalin senkt die Sekretion von IL-2,
 
 -- NK-Zellen senken ihre zytotoxische Funktion,
 
 -- Makrophagen stoppen die Sekretion von Zytokinen,
 
 -- im Thymus nimmt die Lymphozytenzahl ab.

Auch Cofaktoren sympathischer Fasern (VIP, CCK, NPY, Somatostatin) beeinflussen die Tätigkeit von Immunzellen. Parasympathische Fasern hemmen u.a. die Freisetzung von IL-1 unf TNF (cholinerge Wirkung).

Immunzellen produzieren Hormone, z.B. CRH, ACTH, TSH, GH und Prolaktin. Dadurch erlangen sie steuernde Wirkung auf Nebenniere, Schilddrüse, Stoffwechsel; umgekehrt beeinflussen endokrine Zellen das Immunsystem.

Solche Verknüpfungen erklären auch zum Teil psychosomatische Interaktionen (Placebo-, Nocebowirkung).



Gehirn und Immunsystem Bidirektionale Kommunikation Chronischer Stress Neuronale und humorale Wege
 
  Distress / Eustress

Core messages
  
Lange wurden biologische Zusammenhänge zwischen "Seele" und "Körper" als unwissenschaftlich eingestuft. Heute weiß man, dass psychische Vorgänge eng mit immunologischen, neuronalen und endokrinen verknüpft sind und auf diese konkrete und messbare Wirkungen ausüben (Psychoneuroimmunologie, Psychoneuroendokrinologie). Eine artefizielle Trennung der Systeme ist nicht zielführend.
  vgl. dort
 
Gehirn und Immunsystem
 
Neuroimmunologie beschäftigt sich mit Verknüpfungen von Nerven- und Immunsystem. Zusammen mit endokrinen Mechanismen (Neuro-endokrino-immunologie, Psycho-neuro-immunologie) gibt es weite Überschneidungen im Bereich der Signalmoleküle und Rezeptoren:


Abbildung: Autonom-nervöse und humorale Einflüsse auf Entzündungsvorgänge
Nach Tracey KJ, The inflammatory reflex. Nature 2002; 420: 853-9

Glucocorticoide beeinflussen die Freisetzung zahlreicher Zytokine - teils fördernd, teils hemmend - und wirken auf das Immunsystem ein. Interleukin-1 erleichtert den Austritt von Phagozyten, Lymphozyten u.a. ins Gewebe und regt (als "endogenes Pyrogen") die Fieberreaktion des Hypothalamus an.
  
Afferente Nervenfasern verfügen über IL-1-Rezeptoren und TNF-Rezeptoren. Der Sympathikus wirkt via Adrenalin und Noradrenalin, der N. vagus über Acetylcholin entzündungshemmend. Acetylcholin hemmt im Darm die Freisetzung von IL-1 und TNF

 
ACTH, Adrenokortikotropin    IL-1, Interleukin 1    TNF, Tumornekrosefaktor

     So werden Zytokine auch von anderen als Immunzellen sezerniert

     umgekehrt bilden Immunzellen Hormone (z.B. können Lymphozyten CRH, ACTH, TSH, GH und Prolaktin bilden). Die Regulation über diese HPA-Achse (Hypothalamus - Hypophyse - Nebenniere) erfolgt verzögert, hält aber länger an als eine autonom-nervöse. Glucocorticoide wirken immunsuppressiv
  
     Hirnzellen und Fasern des N. vagus verfügen über Zytokinrezeptoren
  
     natürliche Killerzellen haben ß-adrenerge und Opioidrezeptoren.
 
Sowohl der Sympathikus als auch der Parasympathikus wirken auf ihre Zielgewebe entzündungshemmend, indem sie entsprechend auf die Zytokinproduktion einwirken (z.B. hemmend auf TNFα und fördernd auf IL-10). Diese Regulationen greifen rasch und kurzfristig und erlauben so "real-time"-Reaktionen.

Neuropeptide aus Immunzellen wirken entzündungshemmend und fördern immmunologische Toleranz. Sind die immunsuppressiven Mechanismen allerdings über längere Zeit aktiviert - wie bei chronischem Stress -, nimmt die Wahrscheinlichkeit von Infekten zu.
 
Bidirektionale Kommunikation
 
Auf diese Weise können Zytokine (wie Interleukin 1, 2, 6, Tumornekrosefaktor - Abbildung) neuroendokrine Funktionen modifizieren (das äußert sich z.B. in Schlafstörungen, herabgesetztem Antrieb, Gewichtsverlust - "Krankheitsverhalten"; Patienten mit Depression zeigen erhöhte Konzentration proinflammatorischer, und erniedrigte Konzentration antiinflammatorischer Zytokine im Blut) und im Gehirn Stressmechanismen aktivieren; ACTH kann die Freisetzung von Cortisol aus Lymphozyten bewirken.

  Es ergibt sich ein "Beziehungsdreieck" mit bidirektionaler Kommunikation:

      Immunzellen wirken über Zytokine auf Gehirn und endokrine Zellen

      Endokrine Zellen beeinflussen über Hormone Gehirn und Immunsystem

      Nervenzellen bilden Katecholamine und Neuropeptide, auf die Immun- und endokrine Zellen reagieren
 

Abbildung: Ein vagal vermittelter entzündungshemmender Reflexweg
Nach van Bree SHW et al, New therapeutic strategies for postoperative ileus.
Nature Rev Gastroenterol Hepatol 2012; 9: 675-83

Der Reflex wird durch Aktivierung afferenter Vagusfasern ausgelöst, die auf Zytokine ansprechen (die Nerven verfügen über Zytokinrezeptoren). Dies stimuliert den nucleus tractus solitarii, der Informationen aus den Eingeweiden empfängt und motorische Kerne des Vagus anregt.
  
Deren Fasern setzen Acetylcholin im plexus myentericus frei, nikotinische (cholinerge) Rezeptoren werden aktiviert und unterdrücken die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine aus Makrophagen in der Darmwand


So stehen z.B. die Entwicklung von Immunzellen in Thymusdrüse und Knochenmark unter dem Einfluss des sympathischen und parasympathischen Nervensystems (chronischer Stress verringert in diesen Organen Gewebemasse, während er das Gewicht der Nebennieren erhöht), umgekehrt modifiziert das Immunsystem die Funktion von endokrin aktiven und von Nervenzellen. Das gesamte Netzwerk wird durch äußere Faktoren (physikalisch, chemisch, emotional..) beeinflusst.

Solche physiologischen Verknüpfungen liegen psychosomatischen Interaktionen zugrunde und erklären Phänomene wie Placebowirkung, Meditationseffekte, Suggestion, Biofeedback, Heilwirkung von
Humor (CliniClowns!) usw. 

Psychosoziale Umgebungsfaktoren beeinflussen neurobiologische, endokrine und immunologische Funktionen. Sie wirken sich nachweislich auf die Genexpression aus, indem sie das epigenetische Muster der DNA-Methylierung und die Chromatinstruktur verändern. Dies beeinflusst Faktoren wie das Verarbeiten von Belastung und das Erkrankungsrisiko.

Entzündliche Vorgänge z.B. im Darm können durch vagal-antiinflammatorische Reflexmechanismen eingedämmt werden, was man sich zum Beispiel bei der Behandlung eines Ileus durch entsprechende Stimulierung (mittels Ghrelin oder anderer Wirkstoffe) nutzbar machen kann (
Abbildung).
  
  Patient(inn)en leiden unter Angst und Verunsicherung: Stress und Angst schwächen das Immunsystem. Es ist problematisch, den Patienten "die Wahrheit zu sagen". Zuversicht zu schaffen und Vertrauen zu fördern ist eine primäre Pflicht des medizinischen Personals, das ethische Dilemma (schaden durch informieren?) ist offensichtlich.

Akute Aktivierung des Gehirns (Stresseinfluss) führt über die hypothalamisch-hypophysäre Achse zur Freisetzung entsprechender Hormone (Cortisol, Katecholamine, Somatotropine, Schilddrüsenhormone), die allesamt kontrainsulinär wirken und damit die Energiespeicherung der Zellen konterkarieren (Energiebereitstellung). Akute Aktivierung des Immunsystems (Entzündungsprozesse) regt andererseits die Bildung vieler Zytokine (z.B. Interleukin 6) an und führt zur eigenständigen Bildung von antiinsulinären Stoffen, z.B. Cortisol in der Leber und Katecholaminen in Leukozyten.

Obwohl das Gehirn und das Immunsystem eigentlich um Energie konkurrieren, helfen sie einander kurzfristig, indem sie die Anregung der Hormon- bzw. Zytokinproduktion wechselseitig anregen. So erhöht sich der Interleukin-6-Spiegel
bei psychologischem Stress von seinem Ruhewert (1-2 pg/ml) auf ~5 pg/ml. Bei Infektionen kann der IL-6-Spiegel wesentlich stärker ansteigen (bei Sepsis bis ~10.000 pg/ml).
 
Chronischer Stress
 
     Als Distress (Dystress) bezeichnet man eine "negative" Stressform, an die sich die Person nur unvollständig bzw. schlecht anpassen kann (vor allem psychologische Faktoren: soziale Umgebung, Familie, Todesfall u.a.) und welche die Lebensqualität reduziert (das Gegenteil von Eustress, bei dem eine weitgehende Adaptation an den Stressor gelingt). Distress erhöht die Inzidenz zu verschiedenen Erkrankungen und führt zu Depressionen, passivem oder aggressivem Verhalten.

Chronischer Stress, der die Aktivität der hypothalamisch-hypophysär-adrenalen Achse erhöht, spielt eine führende Rolle für die Entstehung von Angst und Depression und schwächt Immunsystem und Wundheilung. Erhöhte
Glucocorticoidkonzentration, proinflammatorische Zytokine und dysfunktionale Neurotransmitterausschüttung (Serotonin, Noradrenalin) treten auf. Die Bedeutung solcher Querwirkungen wird durch folgende Tatsachen unterstrichen:

     Chronische Depression steigert die Apoptoserate in, und senkt das Volumen von Hippocampus, Mandelkernen und Frontallappen. Die Mikroglia wird aktiviert und setzt entzündungsfördernde Zytokine frei, Astrozyten und Nervenzellen gehen zugrunde. Die Bildung neurotropher Faktoren - wie BDNF - nimmt ab, Reparaturmechanismen sind weniger wirksam.
  
     Lebenslange Neigung zu schwerer Depression erhöht das Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken.
  
     Im Gehirn von Patienten, die an schwerer Depression und/oder Alzheimer-Krankheit leiden, finden sich Neurotoxine (Chinolinsäure, 3-OH-Kynurenin) aus dem Tryptophanstoffwechsel, welche wahrscheinlich die Entwicklung der neurodegenerativen Erscheinungen verursachen.
   
Das neuroendokrin-immunologische System steht unter dem Einfluss von Zytokinen, Prostaglandinen, Neurotransmittern und Hormonen, pharmakologische Einflussmöglichkeiten sind vielfältig und komplex. Aufgrund der hochgradigen Vernetzung ist es schwierig, ohne Nebeneffekte gezielt auf bestimmte Funktionen hinzuwirken.

Das Phänomen der Neuroimmunmodulation kann negative Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit erklären (Ungenügendes Coping kann zur Entwicklung von Krankheiten führen). Dabei spielt die Bewertung der persönlichen Situation durch das limbische System eine Schlüsselrolle.
 
Neurohumorale Kommunikation
  
Gehirn und Immunsystem kommunizieren über neuronale und humorale Wege ( Abbildung):


Abbildung: Neuronale und humorale Querbeziehungen zwischen Nerven- und Immunsystem im Gehirn der Ratte
Nach Dantzer R et al, From inflammation to sickness and depression: when the immune system subjugates the brain. Nat Rev Neurosci 2008; 9: 46-56

Gehirn und Immunsystem kommunizieren über verschiedene Pfade:
  
Neuronale Kommunikation (oben): Im Rahmen entzündlicher Vorgänge entstandene PAMPs und Zytokine aktivieren primär-afferente Nerven, z.B. Vagusfasern (Bauchraum) oder Fasern des Trigeminus (Gesichts- / Mundbereich). Projektionen erfolgen zum nucl. tractus solitarii (NTS) und weiter zu den parabrachialen Kernen (PB), zur medulla oblongata (VLM), zum Hypothalamus (PVN, SON), zu den Mandelkernen (CEA)  und zum nucleus striae terminalis (BNST, bed nucleus of the stria terminalis). Von hier gibt es Rückprojektionen zum zentralen Höhlengrau (PAG).
  
Humorale Kommunikation (unten) involviert PAMPs im Kreislauf, die das Gehirn auf der Ebene des plexus chorioideus (CP) und der zirkumventrikulären Organe (ME, OVLT, AP, SFO) erreichen. Hier bewirken sie die Freisetzung pro-inflammatorischer Zytokine durch makrophagenähnliche Zellen mit Toll-like Rezeptoren (TLRs), welche die Blut-Hirn-Schranke überwinden müssen.

    AP, area postrema, ein chemorezeptives zirkumventrikuläres Organ am Boden der Rautengrube in der  Nähe des nucleus tractus solitarii    BHS, Blut-Hirn-Schranke    CEA, zentraler Amygdalakern    CP, plexus chorioideus    ME, eminentia mediana    NTS, nucleus tractus solitarii
  
    OVLT, organum vasculosum laminae terminalis,  in die Regelung von Körpertemperatur, Hunger und Durst involviert, reagiert auf endogene Pyrogene und beteiligt sich an der Fieberantwort    PAG, periaquäduktales Höhlengrau, beteiligt sich u.a. an Schmerzunterdrückung und reflektorischen Antworten auf Bedrohungsszenarien
 
PAMPs
, pathogen-associated molecular patterns, für  Mikroben unverzichtbare molekulare Muster, die vom Immunsystem erkannt werden    PB, nucleus parabrachialis, vermittelt Information zum Hypothalamus    PVN, nucleus paraventricularis, u.a. in Stressreaktionen involviert
  
    SFO, subfornikales Organ, ein zirkumventrikuläres Gewebe am Dach des III. Ventrikels    SON, nucleus supraopticus, bildet Vasopressin   TLR, toll-like receptor, bindet Liganden wie PAMPs und wird z.B. von Leukozyten exprimiert    VLM, ventrolaterale medulla oblongata


Neuronale Wege aktivieren PAMPs, Zytokine afferente Nervenfasern (je nach Ort betreffende Nerven - z.B. Vagus bei viszeralen, Trigeminus bei oro-fazialen Entzündungen). Vagale Afferenzen projizieren auf den nucleus tractus solitarii und von dort auf nucl. parabrachialis, ventrolaterale Medulla, nucl. paraventricularis und supraopticus, Amygdala und stria terminalis (siehe Abbildungslegende). Letztere beiden projizieren auf das zentrale Höhlengrau.

Die stria terminalis ist
die wichtigste efferente Bahn der Amygdala zu anderen Hirnregionen (Hypothalamus, regio praeoptica, septum pellucidum habenulae), insbesondere in Belastungssituationen.
 

Abbildung: Wirkungen des Sympathikus auf das Immunsystem
Nach Cole SW, Nagaraja AS, Lutgendorf AK, Green PA, Sood AK. Sympathetic nervous system regulation of the tumour microenvironment. Nature Rev Cancer 2015; 15: 563-72

Beispiel Myelodysplasie: Sympathische Einflüsse - (nor)adrenerg - können Zellfunktion und Genexpression im betroffenen Gebiet auf mehrfache Weise beeinflussen.
  
Das Nebennierenmark reagiert auf Erhöhung des Sympathikustonus mit Adrenalinausschüttung. CCL2 und CSF1 sind Zytokine


Das Gehirn kommuniziert neural über den Sympathikus mit dem Immunsystem ( Abbildung) - Immunzellen verfügen über Rezeptoren für Katecholamine, Serotonin, Substanz P, VIP, Histamin. Der Sympathikus innerviert alle Gewebe des Immunsystems: Knochenmark, Thymusdrüse, Milz, Lymphknoten.

Die Auswirkungen sind vielfältig:

      So senkt
Noradrenalin an T-Zellen deren Sekretion von Interleukin-2,

      NK-Zellen stellen ihre zytotoxische Funktion ein,

      Makrophagen stoppen ihre Sekretion von IL-1 und TNF-α,

      Lymphozytennachbildung und -zahl sinken im Thymus.

Zusätzlich zu Noradrenalin sezernieren sympathische Fasern Cofaktoren wie VIP, CCK, NPY oder Somatostatin; auch diese Neuropeptide regulieren Immunfunktionen.

Läsionen der Gehirnrinde wirken sich auf die Funktionen des Immunsystems aus (rechtsseitige anders als linksseitige);
veränderte Neurotransmitterspiegel in Hypothalamus oder Hirnstamm wirken sich auf die Aktivität des Immunsystems aus; und Hirnschäden (z.B. Ischämie nach Schlaganfall) schwächen die Abwehr und erhöhen damit die Anfälligkeit für Infektionserkrankungen.

  Humorale Wege umfassen z.B. PAMPs, welche das Gehirn auf der Ebene des plexus chorioideus und des zirkumventrikulären Organs ( Abbildung oben: ME eminantia mediana, OVLT organum vasculosum laminae terminalis, AP area postrema, SFO subfornikales Organ). Im subfornikalen Organ induzieren PAMPs die Freisetzung entzündungsauslösender Zytokine über Phagozyten, die toll-like receptors (TLRs) exprimieren. Die zirkumventrikulären Organe liegen außerhalb der Blut-Hirn-Schranke.

Alle hypothalamischen und hypophysären Hormone beeinflussen das Immunsystem - wie auch Hormone der Nebenniere, der Schilddrüse und der Gonaden. Für alle diese Hormone finden sich an den Immunzellen Rezeptoren.
 
Immuneffekte von Neurotransmittern / Neuropeptiden

Nach Wilkinson / Brown: An Introduction to Neuroendocrinology, 2nd ed. 2015. Cambridge University Press
Hormon / Signalstoff
Zytokin / Immunfunktion
α-Endorphin Hemmt Immunglobulinproduktion
α-MSH Hemmt IL 1- und IL 2-Produktion
Acetylcholin
Regt T-Zellen, NK-Zellen und Interferon-γ-Synthese an
ACTH
Hemmt Interferon-γ-Synthese, Immunglobulinbildung und Makrophagenaktivierung über Interferon-γ
Adrenalin
Hemmt IL 1- und IL 2-Produktion
Angiotensin II
Erhöht Interferon-γ-Synthese
ß-Endorphin
Regt Interferon-γ-Synthese und NK-Zell-mediierte Zytotoxizität an, hemmt T-Zell-Proliferation
cAMP
Fördert die Produktion von IL-4 und IL-5, hemmt die von IL-2
CGRP
Regt T-Zellen-Adhäsion sowie die Bildung von IL-2, IL-4 und Interferon-γ an
Katecholamine
Fördern Synthese von Immunglobulinen, senken T- und NK-Zellzahl im Blut, hemmen NK-Zellen
Cortisol
Komplexe Wirkung auf Zytokine - teils Anregung, teils Hemmung
CRH
Aktiviert Makrophagen, senkt Synthese von IL-1 und IL-6
GH
Aktiviert Makrophagen, regt Lymphozytenentwicklung im Thymus an, stimuliert Entwicklung von B-Lymphozyten und Zytokinbildung
GnRH
Steigert Expression von IL-2-Rezeptoren und Proliferation von T- und B-Lymphozyten
Histamin
Hemmt IL-12, TNF und Interferon-γ, erhöht Produktion von IL-10
Inhibin
Hemmt Bildung von Interferon-γ
LH
Stärkt T-Zell-Proliferation
MIF (macrophage inhibitory factor)
Blockiert glukokortikoidbedingte Hemmung der T-Zell-Proliferation und Zytokinbildung
Melatonin
Erhöht Produktion von IL-2, IL-6, IL-11 und Interferon-γ
Metenkephalin
Verstärkt antikörperabhängige Proliferation
NGF
Verstärkt B-Zell-Proliferation, Produktion von IL-6 und IL-2-Rezeptoren
Neuropeptid Y
Erhöht T-Zell-Adhäsion, stimuliert IL-2, IL-4 und Interferon-γ
Östradiol
Verstärkt T-Zell-Proliferation
Oxytozin
Regt Interferon-γ-Synthese an
Prostaglandin E2
Hemmt IL-2-Produktion
Progesteron
Erhöht IL-4-Produktion
Prolaktin
Stärkt T-Zell-Proliferation, erhöht Interferon-γ-Spiegel und Expression von IL-2-Rezeptoren
Serotonin
Hemmt T-Zell-Proliferation und Interferon-γ-induzierte MHC-II-Expression, erhöht NK-Zytotoxizität
Somatostatin
Hemmt T-Zell-Proliferation, Interferon-γ-Produktion, Makrophagen
Substanz P
Regt T-Zell-Proliferation, IL-1, IL-6, TNF an
Testosteron
Erhöht IL-10-Produktion
TSH
Fördert Sekretion von IL-2, GM-CSF, Immunglobulin
Thyroxin
Aktiviert T-Lymphozyten
Vitamin D-Hormon
Hemmt IL-2 und Interferon-γ, fördert IL-4-Bildung
Vasopressin
Regt Interferon-γ-Synthese an
VIP
Hemmt T-Zell-Proliferation und IL-12, regt Produktion von IL-5 und cAMP an
  
Das neurohumorale Wirkgefüge im Immunsystem ist außerordentlich komplex. Ein derart kompliziertes Muster muss sich phylogenetisch außerordentlich gut bewährt haben. Ein vollständiges, quantitatives Faktenbild und Verständnis (einschlägige mathematische Modelle) muss erst erarbeitet werden; diagnostisch-therapeutische Konsequenzen können nicht in simpler Manier gezogen werden.

Weder das Nerven-, noch das endokrine, noch das Immunsystem stehen funktionell für sich alleine; vielmehr sind sie engmaschig miteinander verknüpft, und daraus ist auch die Tatsache ableitbar, dass sich z.B. psychische Belastungen (Störungen) auch negativ auf die Abwehrkraft (Resilienz) auswirken können.
  
  Über Fieber s. dort
  
  Nebenniere und Belastung, Zusammenhang mit Immunsystem

 

 
      Immunzellen bilden nicht nur Zytokine, sondern auch Hormone, wie CRH, ACTH, TSH, GH und Prolaktin. Umgekehrt verfügen einige über adrenerge sowie Opiatrezeptoren. Nervenzellen (Gehirn, N. vagus) verfügen über Zytokinrezeptoren
 
      Gehirn und Immunsystem kommunizieren bidirektional. Immunzellen wirken über Zytokine auf Nerven- und endokrine Zellen, Hormone wirken auf Gehirn und Immunsystem, Nervenzellen wirken über Katecholamine und Neuropeptide auf Immunozyten
 
      Die Entwicklung von Immunzellen in Thymusdrüse und Knochenmark steht unter dem Einfluss des sympathischen und parasympathischen Nervensystems
 
      Psychosoziale Umgebungsfaktoren beeinflussen neurobiologische, endokrine und immunologische Funktionen. Stress setzt Cortisol, Katecholamine, Somatotropine, Schilddrüsenhormone frei, die kontrainsulinär wirken und die Energiespeicherung von Zellen reduzieren
 
      Der Sympathikus innerviert alle Gewebe des Immunsystems: Knochenmark, Thymusdrüse, Milz, Lymphknoten. Noradrenalin reduziert die Sekretion von IL-2 an T-Zellen, stoppt die Zytotoxizität von NK-Zellen und die Bildung von Zytokinen bei Makrophagen
 
      Hypothalamisch-hypophysäre Hormone beeinflussen Immunsystem, Nebenniere, Schilddrüse, Gonaden. Für alle diese Hormone finden sich Rezeptoren an Immunzellen
 

 




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