Eine Reise durch die Physiologie - Wie der Körper des Menschen funktioniert
 

    
Physiologie des Herzens
 
  Dynamik des Herzzeitvolumens
© H. Hinghofer-Szalkay
 
Kollaps: labefacere = zum Schwanken bringen (labes = Sturz, Fall)
Orthostase: ὀρθός = (auf)recht, richtig; στάσις  = Stehen, Stellung
Schellong-Test: Fritz Schellong
Synkope: σύν = zusammen, κὁπτω = schlagen
Tachykardie: ταχυς = schnell, καρδία = Herz


Das Herz kann nicht mehr Blut "ausgeben" (arteriell), als es empfängt (venöser Rückstrom): Das Herzzeitvolumen (cardiac output) ist - außer von der Muskelkraft des Myokards (Inotropie) an sich - von venöser Vorlast (preload) und arterieller Nachlast (afterload) abhängig. Das Herz ist eine "angebotsorientierte Pumpe".

Im Ruhezustand beträgt das Herzminutenvolumen rund 75 ml/min/kg Körpergewicht, bei körperlicher Ausbelastung kann es bis auf ca. 300 ml/min/kg ansteigen - bei hochtrainierten Menschen noch mehr. Das ist durch den stark erhöhten Durchblutungsbedarf aktiver Skelettmuskulatur bedingt.

Die Förderleistung des Herzens ergibt sich aus der Summe der Durchblutungen der einzelnen Teilkreisläufe. Deren Bedarf summiert sich also zum benötigten Herzzeitvolumen auf, das "Durchblutungsbudget" ist ausgeglichen (venöses Angebot = arterielle Nachfrage). Nimmt man beispielsweise an einem Aufguss in der Sauna teil, steigt die Hautdurchblutung auf ~5 l/min, und das Herzminutenvolumen muss sich verdoppeln, um die anderen Organe weiter adäquat mit Blut zu versorgen.

Allerdings kann Blut in gut dehnbaren Venen (Haut, Eingeweide) zwischengespeichert werden - wenn sie stärker mit Blut befüllt werden als vorher (steigende arterielle Perfusion). Das kann zu Problemen führen, insbesondere in aufrechter Körperhaltung und in warmer Umgebung: Bis zu 10% des gesamten Blutvolumens können in den Venengeflechten der Beine zusätzlich zu liegen kommen. Dieses Blut entzieht sich dem Rückstrom zum Herzen, die kardiale Vorlast nimmt ab, die Förderleistung des Herzens ist eingeschränkt, der arterielle Blutdruck gefährdet.

Das sollte durch allgemeine Einsparungen im Bereich der arteriellen Durchblutung (erhöhter Sympathikustonus) verhindert werden - und kann andernorts Probleme verursachen. So kann es bei kritisch reduzierter Hirndurchblutung (~-50%) zu Bewusstlosigkeit kommen (Synkope), der Tonus der Haltemuskulatur lässt nach und die Person verliert die Kontrolle über die Muskulatur (orthostatischer Kollaps). Die liegende Position hat wiederum den Vorteil minimierter hydrostatischer Kreislaufbelastung (Fehlen der Orthostase), sodass sich venöser Rückstrom und arterieller Druck rasch erholen und kollabierte Personen meist rasch wieder zu Bewusstsein kommen.


Übersicht  Orthostatische Einflüsse Körperliche Belastung Wärmebelastung Steuerung der Herzleistung

Praktische Aspekte       Core messages
  

Wieviel Arbeit erbringt das Herz?
 
Das Herz einer erwachsenen Person fördert in Ruhe eine Blutmenge (Herzzeitvolumen) von 3 l/min pro m2 Hautfläche. Diese normierte Größe heißt cardiac index (CI). Der CI ist im Schlaf reduziert (um ~10%) und steigt bei Aufregung, Stress oder nach einer ausführlichen Mahlzeit (um 20-30%). Schwangerschaft kann den CI um ~40% erhöhen. Schwere körperliche Belastung steigert das Herzzeitvolumen auf das 4-6fache des Ruhewertes.

Der Arbeitsaufwand des Herzens
einer erwachsenen Person beträgt bei körperlicher Ruhe etwa 1,2 W (1,2 J/s) und steigt bei intensiver Muskelarbeit auf ~8 W (8 J/s) an. (Zum Vergleich: Der gesamte Energieumsatz des Organismus beträgt bei körperlicher Ruhe etwa 100 W.)

Das Herz leistet sowohl Druckarbeit (wobei ein bestimmtes Volumen gefördert wird), als auch Beschleunigungs- (kinetische) Arbeit. Unter Ruhebedingungen ist die Druck-Volumen-Arbeit bei weitem die dominierende: Etwa wenn 75 ml (Schlagvolumen) gegen einen Druck von 100 mmHg in die Aorta gepumpt werden (ergibt
~1 J), während die kinetische Arbeit nur ~0,01 J (also 1% des gesamten kardialen Energieaufwandes) erfordert.

Bei körperlicher Arbeit steigt der kinetische Aufwand beträchtlich an. So kommt es, dass der rechte Ventrikel bei körperlicher Ruhe
~5% seines Aufwandes auf Beschleunigungsarbeit verwendet, bei Ausbelastung des Körpers ~50% (beim linken Ventrikel lauten die Zahlen ~1% und ~14%).

Oft wird der Einfluss der Körperlage auf die Herztätigkeit unterschätzt oder ignoriert; dabei bedeutet der Wechsel zwischen liegender und aufrechter Körperposition eine beträchtliche ("orthostatische") Herausforderung an die Kreislaufregulation. Steht man auf, bedeutet das eine Verringerung des venösen Blutangebotes (Vorlast) an das Herz.

Die aufrechte Körperlage kann das Herz überfordern
 
Im Stehen befinden sich etwa 70% des Blutvolumens unterhalb des Herzniveaus - die hydrostatische Druckschichtung im Kreislauf erschwert die Füllung des rechten Herzens, das Herzzeitvolumen nimmt beim Wechsel von liegender zu aufrechter Körperposition deutlich ab (z.B. von 7 auf 5 l/min). Daher ist Orthostase eine Herausforderung für die Kreislaufregulation.
 

Abbildung: Orthostatische und Hitzebelastung in Kombination können zu Kreislaufkollaps führen

Mit Bärenfellmütze auf dem Kopf und in warme Uniform gekleidet, steht der Gardesoldat auch bei größter Hitze stramm. Mangel an Bewegung (minimales Engagement der "Muskelpumpe") in aufrechter Körperstellung (Orthostase) zusammen mit hoher Außentemperatur (starke kutane Perfusion) reduziert den venösen Blutstrom zum Herzen (Vorlast) und damit das Herzminutenvolumen, mit der Folge arterieller Hypotonie, geringer Gehirndurchblutung und - wenn letztere auf die Hälfte des Normalwertes absinkt - zu orthostatischem Kollaps ("Hitzekollaps")


Zur Bedeutung der "Muskelpumpe" für die orthostatische Stabilität s. dort.
 
Der Durchblutungsbedarf der Organe ist nicht konstant, sondern hängt von deren Belastung und damit deren Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen ab. Das Herzminutenvolumen - die vom Ventrikel pro Minute gepumpte Blutmenge - muss sich entsprechend einstellen. Im Ruhezustand beträgt es bei erwachsenen Personen etwa 5 (im Stehen) bis 7 l/min (in Liegen), bezogen auf das Körpergewicht entspricht das rund 75 ml/min/kg.
 

  Abbildung: Kreislaufschema
Nach einer Vorlage in L. Rowell, Human Circulation - Regulation During Physical Stress. Oxford University Press 1986

Wasserhähne symbolisieren Widerstandsgefäße; diese sind im Allgemeinen parallel angeordnet, im Pfortaderkreislauf sind zwei Widerstandszonen hintereinandergeschaltet. Besonders speicherfähig sind die Venengeflechte der Bauchorgane sowie in der Haut

 

Da das Herzminutenvolumen der Summe der Durchblutungswerte im Kreislauf entspricht ( Abbildung), besteht ein dynamisches Gleichgewicht der Faktoren Blutangebot an das Herz (venöser Rückstrom) und Angebot an die Organe (arterielle Durchblutung). Dabei kann es zum Konflikt zwischen Blutbedarf (arterielle Perfusion) und Blutangebot (venöser Rückstrom zum Herzen) kommen:


  Lageänderung des Körpers beeinflusst den Zustrom zum Vorhof (Vorlast) und damit die Blutmenge, die das Herz fördern kann (Herzzeitvolumen). Grund ist die Änderung der Druckverteilung im Gefäßsystem (Abnahme des Zentralvenendrucks und damit der Füllung des Herzens).
 
   Beispiel: Eine gesunde ruhende, entspannte Person hat im Liegen ein Herzminutenvolumen von 7,5 l/min. Kippt man die Person in eine aufrechte Position (head-up tilt), reduziert sich das Herzminutenvolumen innerhalb von Sekunden auf 5 l/min, also um -33%.
 
Zuerst nimmt die Aufwurfleistung des rechten Herzens ab; dadurch verringert sich die Blutmenge im Lungenkreislauf ("zentrales Blutvolumen"); das reduziert die Vorlast für das linke Herz (einige Sekunden Verzögerung), schließlich nimmt auch das Herzminutenvolumen des linken Herzens ab.

Bevor noch der arterielle Druck infolge des reduzierten Herzminutenvolumens sinken könnte, sorgen Reflexe, die vom Niederdrucksystem ausgehen (kardiopulmonale "Volumen"-Rezeptoren), für Konstriktion der peripheren Arteriolen ("Widerstandsgefäße") und damit Stabilisierung des arteriellen Drucks (~Herzminutenvolumen mal peripherer Widerstand).

Beim Aufrichten des Körpers (aufrechte Körperhaltung: Orthostase ) nimmt der Blutnachstrom aus dem Venensystem ab. Der Lungenkreislauf wirkt als kurzzeitige Füllungsreserve für das linke Herz und stabilisiert den arteriellen Druck. Bleibt der venöse Rückstrom zum Herzen erniedrigt, nimmt auch das Minutenvolumen des linken Ventrikels ab ( Abbildung).
 

Abbildung: Anpassung des Kreislaufs an eine Lageänderung (liegend zu aufrecht)
Nach einer Vorlage bei Mohrman DE / Heller LJ, Cardiovascular Physiology, 8th ed. McGraw Hill 2014

Das gelbe Feld zeigt unmittelbare Auswirkungen des Wechsels vom Liegen zur Orthostase (unkompensierte Reaktionen), das rosa Feld einige via autonomes Nervensystem erfolgte Kompensationen.
 
Kurzfristig wird der Blutdruck durch Herzstärkung und Vasokonstriktion stabilisiert, langfristig durch Retention von Flüssigkeit (z.B. durch Vasopressin und Aldosteron)


In Orthostase (aufrechte Lagerung des Körpers - Stehen, Sitzen) muss der Kreislauf gegen die hydrostatisch bedingte Verlagerung von Blut vom Herzen in die Peripherie verschiedene Kompensationsmechanismen vornehmen, um das ohnehin sinkende Herzminutenvolumen (verringertes venöses Angebot, sinkende Vorlast) auf einem niedrigeren Pegel zu stabilisieren (z.B. 5 l/min im Stehen statt 7 l/min im Liegen).

Die Beinvenen lagern ein erhöhtes Volumen Blut ein - je wärmer die Umgebung, umso rascher. ~10% des Blutvolumens werden im Niederdrucksystem zusätzlich eingelagert ("venöses Pooling"), weil mehr Blut arteriell in die Venen einfließt als es diese Richtung Herz wieder verlässt: D
ie Venen werden von ihren Arterien "aufgeblasen" (DeJager-Krogh-Mechanismus). Retrogrades "Versacken" wird durch Venenklappen verhindert - diese lassen den Blutstrom nur Richtung Herz zu.

Bei Orthostase nimmt der periphere Widerstand normalerweise zu; Eingeweide, Muskulatur und Haut werden geringer durchblutet. Die Herzfrequenz nimmt zu (Pulsanstieg beim Aufstehen). Diese Effekte sind auf Aktivierung und Wirkung des Barorezeptorreflexes zurückzuführen. Normalerweise bleibt der systolische Blutdruck unverändert (Schellong-Test
), der mittlere arterielle Druck steigt sogar meist etwas an. Bei ungenügender Erhöhung des peripheren Widerstands nimmt der Blutdruck hingegen ab.

Vasovagale Synkope. Emotionaler Stress, akuter Schmerz oder auch der Anblick von Blut (bei manchen Menschen schon der Blick auf eine Injektions- oder Blutabnahmenadel) kann zu Bewusstlosigkeit führen (meist in aufrechter, selten in liegender Körperlage). Hier geht die entsprechende Kreislaufumstellung direkt vom Gehirn aus: Die Gehirnrinde (insbesondere der vordere gyrus cinguli) veranlasst den Hypothalamus zum Senken des Sympathikus- und Steigern des Parasympathikustonus. Das reduziert einerseits den peripheren Gefäßwiderstand, andererseits den venösen Rückstrom zum Herzen (beides
durch Vasodilatation) sowie die Herzleistung (durch Sinken der Schlagkraft und der Herzfrequenz).

Diese Kombination senkt den arteriellen Blutdruck deutlich ab; das lässt die Durchblutung des Gehirns - insbesondere in aufrechter Körperlage mit ihren niedrigen hydrostatischen Druckwerten im Kopfbereich - absinken.

  Abnahme der Gehirndurchblutung auf etwa die Hälfte des Normalwerts (im Liegen) führt über Bewusstseinseinengung zu Bewusstlosigkeit (Synkope ). Erfolgt dies infolge Orthostase (=aufrechte Körperlage), spricht man von einem orthostatischen Kollaps.   Dieser beseitigt die hydrostatische Benachteiligung des Hirnkreislaufs und verbessert wieder die zerebrale Perfusion.

Von vasovagaler Synkope (VVS) spricht man wegen der Kombination von hohem Vagustonus (parasympathische Wirkung auf das Herz - auch Pupillenerweiterung kann auftreten) mit Vasodilatation (mangelnder vasokonstriktorischer Antrieb durch den Sympathikus). Ein ähnliches Muster findet man übrigens auch bei der "Totstellreaktion" (Schreckstarre, apparent death) vieler Tierarten. Auch besteht eine Parallelität zum Bezold-Jarisch-Reflex (Bradykardie, Blutdruckabfall).
 
Muskelarbeit
 
Bei maximaler körperlicher Belastung steigt die Fördermenge des Herzens bis um das 4-5fache an (auf ~300 ml/min/kg KG und mehr), um dem Bedarf der Muskulatur nachzukommen. Dieser Anstieg geschieht durch eine Kombination aus gesteigerter Vorlast (erhöhtes Schlagvolumen) und Anstieg der Herzfrequenz. Maximale Ausbelastung ist bei gesunden Jugendlichen bei ~200 Schlägen pro Minute (beats per minute = bpm) erreicht, mit zunehmendem Alter reduziert sich diese Obergrenze um ~1 bpm / Lebensjahr.
 
   Beispiel: Alter 50 Jahre, geschätzte Obergrenze: 200 - 50 = 150 bpm (grobe Näherung)
 
Die folgende Tabelle zeigt die Veränderungen wichtiger Kennwerte bei starker Muskelarbeit im Vergleich zum Ruhezustand. Der Sauerstoffbedarf des Körpers kann sich mehr als verzehnfachen, das Herzminutenvolumen nimmt 4-5fach zu; die Herzfrequenz steigt wesentlich stärker (+200%) als das Schlagvolumen (+50%; bei aufrechter Körperlage, im Liegen wäre die Zunahme geringer; das endsystolische Restvolumen nimmt entsprechend ab); die Zunahme der enddiastolischen Füllung (+17%) bringt den Starling-Mechanismus ins Spiel. Die ejection fraction nimmt um 28% zu, und der Anteil der Diastole an der Dauer eines Herzzyklus sinkt von 65% auf knapp 40%.

Typische Werte bei einer stehenden untrainierten Person
Nach Rerych SK et al, Ann Surg 1978; 187: 449-58

körperliche
Ruhe
starke
Belastung
Sauerstoffverbrauch (l/min)
0,25
3,0
Herzzeitvolumen (l/min)
4,8
21,6
Herzfrequenz (bpm)
60
180
Schlagvolumen (ml)
80
120
enddiastolisches Volumen (ml)
120
140
Restvolumen (ml)
40
20
Auswurffraktion (EF)
0,67
0,86
Dauer eines Zyklus (s)
1,0
0,33
Systolendauer (s)
0,35
0,20
Diastolendauer (s)
0,65
0,13
 
Die Muskeldurchblutung kann ab einem Schwellenwert nicht mehr die gesamte Sauerstoffmenge zuliefern, die für eine vollständig oxidative Produktion energiereicher Phosphate (Citratzyklus) notwendig wäre. Das bedeutet, ein Teil der für die Muskelkontraktion benötigten Energie wird anaerob erzeugt, was zur Produktion von Milchsäure (Laktat) führt. Das belastet den Säure-Basen-Haushalt, obwohl z.B. Herzmuskel und Leber Laktat verarbeiten können (hohe oxidative Kapazität). Die Pufferkapazität des Blutes verhindert zwar eine allzu starke pH-Reduktion durch die anfallende Milchsäure, dennoch kommt es zu einer metabolischen Azidose.

Ausbelastung ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass der arterielle Actual-pH durch das Anfluten von Laktat vorübergehend (von 7,4) auf ~7,0 oder darunter absinkt.

 
Hitze
 
Bei Erwärmung des Körpers steigt die Hautdurchblutung stark (auf maximal ~5 l/min), dies fördert den Wärmeaustausch mit der Umgebung. Die enorm erhöhte Hautperfusion bedingt eine entsprechende Steigerung der Herzminutenvolumens (etwa Verdopplung, was durch Erhöhung der Herzfrequenz erreicht wird; Beispiel Hitzetachykardie in der Sauna).


Abbildung: Blutverteilung als Funktion der Temperatur beim stehenden / gehenden Menschen
Nach L. Rowell, Human cardiovascular control. Oxford University Press 1993

Links: Venöses Pooling in den Beinen im Stehen - der venöse Druck entspricht der Höhe der Flüssigkeitssäule und beträgt im Fußbereich ~100 mmHg.
 
Mitte: Weitertransport von Blut nach zentral im Gehen (Muskelpumpe). Beginnt man in kühler Umgebung zu gehen, nimmt der venöse Druck mit den ersten 3-4 Schritten um jeweils ~25 mmHg ab (blaue Pfeile), bis er sich etwa bei 20-30 mmHg einpendelt und im Gehen um diesen Betrag mit etwa 30 mmHg Amplitude oszilliert - die Beine sind in der Kälte nur schwach durchblutet.
 
Rechts: Hohe Außentemperaturen bedingen Vasodilatation, arterieller Zustrom und venöse Pooling in den Beinen nehmen zu. Da die Arteriolen offen stehen, oszilliert der venöse Druck von Schritt zu Schritt stark, z.B. zwischen ca. 10 und 100 mmHg (roter Doppelpfeil).

Je wärmer der Körper und besser durchblutet die Haut ist, desto schwieriger wird es, dem Herzen ausreichenden venösen Rückstrom und damit adäquate Vorlast anzubieten (Kollapsgefahr)



Wärmeeinfluss bewirkt auch eine Umverteilung von Blut in die Venengeflechte der Haut, was den Blutrückfluss zum Herzen reduziert (Gefahr von Kreislauflabilität und Kollaps, wenn aufrechte Körperlage und Hitzeeinfluss zusammenwirken).

Infolge der stärkeren Durchblutung füllen sich die Hautvenen, das Blutvolumen wird umverteilt, die Füllung zentraler Gefäße (und des Herzens) nimmt ab. Die Erhöhung des Herzzeitvolumens wird hauptsächlich durch Erhöhung der Herzfrequenz erreicht (Tachykardie ).
   

Abbildung: Blutvolumenverteilung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur
Nach L. Rowell, Human cardiovascular control

Versuchsperson in liegender Position (Blick von oben). Die Verteilung des Blutvolumens im Körper ist angedeutet (schwarze Flächen).
 
In kühler Umgebung (links) kommt es zu peripherer Vasokonstriktion, Zentralisierung des Blutvolumens und besserer Füllung des Herzens.
 
In warmer Umgebung (rechts) erhöhen sich Hautdurchblutung und Füllung kutaner Blutgefäße, Blut wird in die Peripherie umverteilt, die Durchblutung im Splanchnikusbereich, die renale Perfusion sowie die Muskeldurchblutung wird kompensatorisch reduziert


Herzarbeit und Energiebedarf: Bei jedem Schlag leistet das Herz eine Arbeit von rund 1,1 Joule (körperliche Ruhe vorausgesetzt). Auf den linken Ventrikel entfallen ~0,95 J (5/6), auf den rechten ~0,15 J (1/6 der Energie).

Pro Tag lässt sich daraus eine Leistung von ~100 kJ (~24 Cal) hochrechnen, der tatsächliche Aufwand ist wesentlich höher. Der Wirkungsgrad der myokardialen Arbeit beträgt 25-30%, der Rest dissipiert als Wärme; insgesamt beträgt der Bedarf für den Energiehaushalt des Herzens 300-400 kJ/d (oder 70-90 Cal/d). Bei einem gesamten Energieumsatz von 10-12 MJ/d sind das davon etwa 3% (Anteil der Herzmasse - 0,3 kg - am Körpergewicht: ~0,4%).

Das Leistungsgewicht des Herzens ist ~50mal höher als bei einem KFZ-Motor.

 
Faktoren, welche die Herzleistung beeinflussen
 
Die Pumpleistung des Herzens hängt von mehreren Faktoren ab:

     Füllungsdruck in den Vorhöfen, ein Maß für die Vorlast (preload). Zwischen Kreislaufperipherie und Vorhöfen herrscht ein Druckgefälle, dessen Betrag bestimmt die Intensität des venösen Rückstroms. Venenklappen in den Extremitäten stellen sicher, dass das Blut zentralwärts fließt

      Zustand des Herzmuskels (Muskelmasse, Durchblutung der Herzkranzgefäße > Inotropie): hängt von mehreren Faktoren ab, wie Muskelmasse (Hypertrophie infolge Mehrbelastung, z.B. bei Hochleistungssportlern, Atrophie bei mangelnder Spitzenbelastung wie infolge chronischer Bettruhe) und koronare Durchblutung

       Arterielle Drucke (Aorta, Pulmonalis), diese dienen als Maß für die Nachlast (afterload) - hier spielt u.a. die Dehnbarkeit herznaher arterieller Gefäße hinein, die "Windkesselfunktion" der Aorta fängt Volumenstöße elastisch auf, umgekehrt erschwert z.B. Aortensklerose dem linken Ventrikel die Auswurfarbeit. Aus der Perspektive des Herzens stellt sich die Vorlast als "Angebot", die Inotropie als Pumpvermögen und die Nachlast als das Druckprofil dar, gegen welches die Pumpe Herz Volumenarbeit leisten muss

      Einfluss durch das autonome Nervensystem (Abbildungen) und weitere externe Faktoren (Hormonmuster, Temperatur, Pharmaka..). Der (adrenerge - ß1-Rezeptoren) Sympathikus beschleunigt und kräftigt, der (cholinerge - M2-Rezeptoren) Parasympathikus bremst die Herztätigkeit:
 

Abbildung: Einflüsse auf das Herzminutenvolumen

Der Sympathikus steigert, der Parasympathikus senkt die Herzfrequenz. Das Schlagvolumen steigt mit sympathischer Aktivität und Vorlast (Frank-Starling-Mechanismus) und nimmt mit zunehmendem Blutdruck (Nachlast) ab.
 
Das Herzzeitvolumen ergibt sich aus dem Produkt aus Schlagvolumen und Pulsfrequenz


zu Herzqualitäten s. dort

  Der Sympathikus erhöht (direkt über cAMP) am Sinusknoten die Öffnungswahrscheinlichkeit der if-Kanäle (Natriumeinstrom, positiv chronotroper Effekt) sowie (über PKA) der L-Typ Ca++-Kanäle (Calciumeinstrom) und Kv-Kanäle (Repolarisierung), und beschleunigt die Erregungsübertragung über gap junctions (AV-Knoten: positiv dromotroper Effekt). Im Arbeitsmyokard aktiviert er den verzögerten iK-Strom (und verkürzt so die Aktionspotentialdauer), verstärkt den iCa++-Strom aus dem sarkoplasmatischen Retikulum und intensiviert so die Kontraktion (positiv inotroper Effekt), und er erhöht die Ca++-Aufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum (positiv lusitroper Effekt). Auch wird Phospholamban phosphoryliert (durch die Calmudulin-abhängige Kinase CaMKII), was den positiv inotropen Effekt verlängert - die Wiederabkopplung des Phosphats erfordert die Aktivität von Phosphatasen (PP1 und PP2A). Die involvierten Faktoren (PKA, CaMKII, P1, PP2A) sind in der Zelle als große regulatorische Proteinkomplexe organisiert, die an Zielproteine wie den Ryanodinrezeptor angelagert sind.

Bedingt durch verkürzten, aber intensivierten Ca++-Einstrom dauert das Aktionspotential weniger lang, die Plateauphase zeigt einen "Buckel" nach oben; die Kontraktion wird kräftiger, endet aber rascher.
 


Abbildung: Noradrenalinwirkung auf Herzmuskelzelle
Nach einer Vorlage bei www.cvpharmacology.com


Noradrenalin wirkt postsynaptisch vorwiegend auf ß1-, aber auch ß2-Rezeptoren über cAMP und Phosphokinase A anregend auf Calciumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum und damit kontraktionsfördernd. Präsynaptisch wirkt Noradrenalin über α2-Rezeptoren bremsend auf seine Freisetzung aus präsynaptischen Vesikeln (negative Rückkopplung)
 
AC, Adenylatzyklase  Gs, stimulierendes G-Protein  PK-A, Phosphokinase A

Die adrenergen Rezeptoren am Herzen sind überwiegend ß1-Rezeptoren, aber es finden sich - im Verhältnis 4:1 - auch ß2-Rezeptoren ( Abbildung). ß-Rezeptor-Antagonisten ("Betablocker") wirken je nach ihrem Wirkungsmuster auf adrenerge Rezeptoren. Nach ihrem Engagement werden die Rezeptoren teilweise internalisiert (receptor downregulation).

Die Effekte auf das Herz erfolgen aufgrund der relativ komplexen involvierten Mechanismen verzögert: Die sympathische Wirkung baut sich über mehrere Herzschläge allmählich auf und nimmt bei reduzierter Sympathikusaktivität auch nur verzögert wieder ab (Wegschwemmen von Noradrenalin aus dem Extrazellulärraum, Wiederaufnahme in die sympathischen Fasern, Dephosphorylierung von Phospholamban, gap junctions). Rasche Änderungen der Herzfrequenz - wie bei atmungssynchroner Sinusarrhythmie - erfolgen über Oszillationen der parasympathischen Steuerung des Sinusknotens, die sich ohne Verzögerung auf die Herzfrequenz auswirken.

  Der Parasympathikus verstärkt über Wirkung muskarinerger Rezeptoren auf Kalium-(IKACh), Calcium-(ICa++) und If-Ströme das Membranpotential der AV-Knoten-Zellen (negativ chronotroper Effekt), verlangsamt am AV-Knoten die Überleitung durch Verzögerung der Aufstrichphase "0" (negativ dromotroper Effekt), und verringert den Calciumeinstrom im Vorhof (negativ inotroper Effekt).
 
Ein bei der Konstruktion künstlicher Herzen auftretendes Problem ist die Abstimmung der Pumpleistung auf den venösen Rückstrom bei physiologischen Druckwerten. Einerseits wirkt das Herz auf den Kreislauf, andererseits wird es durch Füllung (Blutnachstrom: Vorlast) und Drucklast (Blutdruck: Nachlast) beeinflusst.

  Zur Messung des Herzminutenvolumens s. dort.
 

 
Orthostasebedingtes Absinken des venösen Rückstroms zum Herzen: Vorsichtiges Bandagieren der Beine kann das periphere Pooling minimieren und den Kreislauf stabilisieren. Druckhosen ("Schockhosen") funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, wobei der Manschettendruck die Venen leeren soll, gleichzeitig aber den arteriellen Zustrom von Blut in die Extremitäten nicht behindern darf.
 

 
      In Ruhe beträgt das Herzzeitvolumen 3 l/min pro m2 Haut (Cardiac index CI). Der CI ist im Schlaf um ~10% reduziert, steigt bei Aufregung, Stress oder nach einer Mahlzeit um bis zu 30%, bei schwerer körperlicher Belastung bis auf das 6-fache. Der myokardiale Energieaufwand beträgt 1,2 W (gesamter Organismus ~100 W), bei intensiver Muskelarbeit bis ~8 W. Das Herz leistet vor allem Druck-Volumen-, ein wenig auch kinetische Arbeit (linker Ventrikel ~1%, rechter ~5%; bei körperlicher Arbeit ~14 bzw. ~50%). Ein Wechsel von liegender zu aufrechter Körperposition (Orthostase) bedeutet reduziertes venöses Blutangebot (Vorlast) an das Herz, das Herzzeitvolumen sinkt um ~30%, z.B. von 7 auf 5 l/min. Zuerst sinkt die Aufwurfleistung des rechten Herzens, dann die Blutmenge im Lungenkreislauf und die Vorlast für das linke Herz (einige Sekunden Verzögerung)
 
      Die Beinvenen lagern im Stehen ~10% des Blutvolumens ein (venöses Pooling), weil mehr Blut arteriell ein- als Richtung Herz ausfließt (DeJager-Krogh-Mechanismus). Venenklappen verhindern retrograde Strömung. Der Barorezeptorreflex reduziert die Perfusion von Eingeweiden und Muskulatur, die Herzfrequenz nimmt zu. Normalerweise bleibt der systolische Blutdruck unverändert, bei ungenügender Erhöhung des peripheren Widerstands nimmt der Blutdruck ab. Sinkt die Gehirndurchblutung auf die Hälfte des Normalwerts, treten Bewusstseinseinengung und (Prä-)Synkope auf (orthostatischer Kollaps)
 
      Der Anstieg des Herzminutenvolumens bei körperlicher Belastung erfolgt durch erhöhtes Schlagvolumen (+50%, im Liegen weniger) und Anstieg der Herzfrequenz (+200%). Die Auswurffraktion nimmt zu, der Anteil der Diastole an der Dauer eines Herzzyklus sinkt von 65% auf knapp 40%. Gelangt nicht mehr die gesamte benötigte Sauerstoffmenge zu den Muskelzellen, entsteht vermehrt Laktat, das belastet den Säure-Basen-Haushalt (metabolische Azidose). Bei Ausbelastung sinkt der arterielle pH von 7,4 auf ~7,0
 
      Bei Erwärmung des Körpers steigt die Hautdurchblutung auf maximal ~5 l/min, Blut wird vermehrt in die Venengeflechte der Haut verlagert, was dem Wärmeaustausch dient, aber den Blutrückfluss zum Herzen reduziert (Kollapsgefahr). In kühler Umgebung kommt es zu peripherer Vasokonstriktion, Zentralisierung des Blutvolumens und besserer Füllung des Herzens
 
      Die Pumpleistung des Herzens hängt ab vom Füllungsdruck in den Vorhöfen (Vorlast), dem  Zustand des Herzmuskels (Muskelmasse, Durchblutung der Herzkranzgefäße) und den arteriellen Drucken (Aorta, Pulmonalis) als Maß für die Nachlast
 
      Der (adrenerge - ß1-Rezeptoren) Sympathikus beschleunigt und kräftigt, der (cholinerge - M2-Rezeptoren) Parasympathikus bremst die Herztätigkeit. Der Sympathikus erhöht am Sinusknoten die Öffnungswahrscheinlichkeit der if-Kanäle (Natriumeinstrom, positiv chronotroper Effekt), der L-Typ Ca++-Kanäle (Calciumeinstrom), Kv-Kanäle (Repolarisierung), und beschleunigt die Erregungsübertragung über gap junctions (AV-Knoten: positiv dromotroper Effekt). Im Arbeitsmyokard aktiviert er den verzögerten K-Strom (verkürzt die Aktionspotenitaldauer), verstärkt den Ca++-Strom aus dem sarkoplasmatischen Retikulum (positiv inotroper Effekt), erhöht die Ca++-Aufnahme in das sarkoplasmatische Retikulum (positiv lusitroper Effekt). Die Wirkung baut sich über mehrere Herzschläge auf. Rasche Änderungen der Herzfrequenz (atmungssynchrone Sinusarrhythmie) erfolgen über Oszillationen der parasympathischen Steuerung des Sinusknotens (negativ chronotroper Effekt)
 

 



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